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Der aufgrund einer populären Biographie über den Stauferkaiser Friedrich II. früh zu Bekanntheit gelangte Historiker Kantorowicz entstammte dem intellekturellen Umkreis Stefan Georges und damit einer national-konservativen Grundhaltung. Aufgrund seiner jüdischen Herkunft ab 1933 nur mehr geduldet, emigrierte er schon bald in die vormals ungeliebte USA, um sich dort erneut an den Universitäten Berkeley und Princeton zu etablieren.

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Produktbeschreibung
Der aufgrund einer populären Biographie über den Stauferkaiser Friedrich II. früh zu Bekanntheit gelangte Historiker Kantorowicz entstammte dem intellekturellen Umkreis Stefan Georges und damit einer national-konservativen Grundhaltung. Aufgrund seiner jüdischen Herkunft ab 1933 nur mehr geduldet, emigrierte er schon bald in die vormals ungeliebte USA, um sich dort erneut an den Universitäten Berkeley und Princeton zu etablieren.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ein Leben wie ein Bildungsroman, findet Rezensent Jürgen Kaube angesichts von Janus Gudians Biografie über den Historiker Ernst Kantorowicz, über dessen politische Wandelbarkeit vom Kommunisten verachtenden Dandy zum McCarthy-Kritiker der Rezensent nur staunen kann. Bei Gudian erfährt Kaube, wie Kantorowicz den George-Kreis verewigte, in Frankfurt lehrte und bald darauf in die USA auswanderte. Für Kaube geschieht das nicht immer mit der nötigen Distanz des Autors zu seinem Objekt, doch lehrreich, quellenstark und anregend genug, um das Buch zu mögen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.09.2014

Die zwei Leben des Ideenkönigs

Frankfurter Jahre: Als Ernst Kantorowicz seinen ersten Ruf erhielt, war er schon ein Star des "geheimen Deutschland". Janus Gudian folgt in seiner Biographie den Winkelzügen des Historikers.

Das intellektuelle Leben, das Ernst Kantorowicz führte, enthält alle Motive für eine geisteswissenschaftliche Heiligenlegende. Sie beginnt mit den Flegeljahren. 1895 in Posen geboren, meldet sich das Kind einer jüdischen Likörfabrikantenfamilie freiwillig zum Ersten Weltkrieg. Auch der Heimkehrer lässt sich im Nationalismus und Chauvinismus von niemandem überbieten - Franzosen sind "depraviertes Gesindel, dessen äußere Unreinlichkeit den verseuchten Körper mir(!) zu sicher vermuten lässt", heißt es noch 1922. Er hält an der Fortsetzung des Krieges fest und kämpft mit den Freikorps gegen linke Revolutionäre. Es folgt ein Studium der Ökonomie in Heidelberg, in dem sich Kantorowicz eine dandyhafte Haltung angewöhnt.

Die dortige Begegnung mit Stefan George bündelt und steigert die bis dahin gemachten Erfahrungen. Der ganze Mensch, der die Ausnahmezustände des Krieges und die Abscheu des Dandys gegenüber seiner Umwelt geistig konserviert, erscheint nun als ein geschichtspolitischer Künstler. Man möchte eine Revolution, legt aber Wert auf Distanz. Da bleibt nur die Behauptung, wenn erst der distanzmaßgebliche Dichter das Sagen hätte, würde alles anders. Kantorowicz freundet sich mit der Vorstellung an, der George-Kreis repräsentiere ein geheimes Deutschland, das die wahren Essenzen seiner literarischen Tradition durch die widerwärtige Moderne im Allgemeinen, Kriegsniederlage, Reichszerschlagung und Demokratie im Besonderen hindurchretten werde.

Was genau es damit auf sich hatte, wurde nie erklärt. Irgendwie ging es um Führerschaft unter der Prämisse, die Geführten seien verachtenswert. Irgendwie ging es um Herrschaft, zugleich aber sollte die Phantasie an die Macht kommen. Irgendwie ging es um einen Staat ohne Eisenbahnen, Fließbänder und städtisches Nachtleben. Doch in solchen Zumutungen bestand gerade die Pointe. Die jungen Leute konnten sich allerhand Unaussprechliches und Selbstzweckhaftes dabei denken.

Kantorowicz schrieb, in engem Austausch mit George, das wichtigste Buch zum Geniekult des Kreises, eine Biographie des mittelalterlichen Kaisers Friedrich II. In ihm wurde der Massengesellschaft das Ideal des großen Menschen entgegengehalten, freilich ohne Bewusstsein davon, dass diese Art großer Mensch selbst ein Spiegelbild der Massengesellschaft ist. Die "heroische Moderne" (Heinz-Dieter Kittsteiner) redete sich ein, nur ein Held könne dem Rad der Geschichte noch in die Speichen greifen, um es zu alten Ordnungsmustern zurückzudrehen, die für schön gehalten wurden.

Die Kombination aus Akribie und Enthusiasmus, aus der heraus dieser Heldengesang "Kaiser Friedrich der Zweite" zwischen 1924 und 1927 geschrieben wurde, macht Kantorowicz binnen kurzem zu einem umstrittenen Star der Historie. Er hatte die Leerstellen der Forschung durch einen glänzenden Stil und die Bereitschaft aufgefüllt, einen historischen Kinofilm ablaufen zu lassen, bei dem die Akteure nach Gesichtspunkten der Georgeschule gecastet wurden. Noch 1945 gutachtet ein amerikanischer Historiker, dieser Friedrich bewohne das Wolkenkuckucksheim eines entschiedenen Opiumessers. Später sollte es die flackernde Aura des Buches zusätzlich nähren, dass es auf den Nachttischen der Herren Himmler, Göring und Hitler gelegen habe.

Janus Gudian, der die Briefe von Kantorowicz ediert, widmet den wenigen Frankfurter Jahren des Historikers, der 1930 an die junge Universität seinen ersten Ruf erhielt, besonderen Raum. Das entspricht nicht nur der Biographien-Reihe der Goethe-Universität "Gründer, Gönner und Gelehrte", in der seine Biographie erscheint. Es wird auch durch den merkwürdigen Umstand gerechtfertigt, dass Kantorowicz seine Antrittsvorlesung über das "Geheime Deutschland" im November 1933 hielt, als schon klar war, dass es auch seine Abschiedsvorlesung sein würde.

Ihr Leitgedanke, dass es einen deutschen Auftrag zur Universalität gebe, weil die deutschen Götter und Propheten (die Staufer, Goethe, Nietzsche, George et cetera) menschliche Urkräfte repräsentierten, wirkt heute wie aus einem ästhetischen Fiebertraum, der verhinderte, dass eine bereits von allzu berechtigten Verfolgungsängsten heimgesuchte Intelligenz aufwachte. Die Vorlesung wird heute noch viel bewundert, und auch der Biograph behandelt sie, als ließe sich darüber ernsthaft diskutieren.

Doch die Welt des tatsächlich Diskutierbaren lag noch vor Kantorowicz. Nach vielem Hin und Her, mit Eingaben, Erwiderungen und einem Verbot für SA- und SS-Uniformträger, seine Vorlesungen zu besuchen, das ihn furchtbar aufregt, ersucht er 1934 um seine Emeritierung. Die geringen Bezüge als Emeritus erhält er fast durchgängig bis 1956. Über Berlin erfolgt schließlich 1938 unter abenteuerlichen Umständen die Ausreise nach England, wo er zuvor schon in Oxford geforscht hatte, und später in die Vereinigten Staaten, wo zuletzt Princeton seine Heimat wird.

Gudian schildert anschaulich, wie sich der Georgezögling in die amerikanische Welt hineinfand. Bemerkenswert der bittere Scherz, er könne in Berkeley "den kleinen Phillipinos" über Karl den Großen alles erzählen, denn bevor sie es nachprüfen könnten, seien die entsprechenden Archive in Europa ja alle längst zerbombt. Es entsteht seine zweite Monographie, über Gesänge bei mittelalterlichen Krönungsliturgien. Doch auch die amerikanische Universität kann sich - zumeist auf der Grundlage von "Friedrich dem Zweiten" - nicht entscheiden, ob seine Arbeiten unwissenschaftlich oder das beste Beispiel für Wissenschaft sind.

1950 verweigert Kantorowicz, der drei Jahrzehnte zuvor mit gezogener Waffe gegen deutsche Kommunisten vorgegangen war, zusammen mit anderen Lehrern die Unterschrift unter einen antikommunistischen Eid, den die Universität von Berkeley sich gegen die Nachstellungen der McCarthy-Bagage ausgedacht hatte. Er könne nicht zweimal dem Gleichen zuschauen, teilt er brieflich mit. Die Entlassung, die darauf folgte, wurde gerichtlich für nichtig erklärt. An das Institute for Advanced Study in Princeton wird Kantorowicz nicht zuletzt berufen, weil sein Widerstand gegen diese Loyalitätserpressung die Bedenken löschte, es könne sich bei ihm um einen Reaktionär handeln.

Hier entstehen bis zu seinem Tod 1963 die Werke, die ihn vollends berühmt machen werden: das unerschöpfliche ideen-, theater- und rechtshistorische Buch über "Die zwei Körper des Königs", dessen Titel zum geflügelten Wort für die Trennung von Amt und Person (oder von Person und Individuum) geworden ist; die Studien über den Topos "Tod fürs Vaterland", über die Staatsmysterien und über den Mythos von der mittelalterlichen Welteinheit. Kantorowicz macht die Erwartungen seiner Jugend zu Objekten erwachsener Forschung und transformiert den politischen Eros in einen wissenschaftlichen, der seinesgleichen sucht.

Der vorliegenden Biographie fehlt es mitunter etwas an Distanz zu ihrem Gegenstand. Manche Zumutungen des George-Unfugs ignoriert sie. Gleichwohl ist das Buch lehrreich und dokumentiert viele Stationen dieser wunderlichen akademischen Karriere mit sehr anregenden Belegen (darunter auch zwei Rezepte des Hobbykochs Kantorowicz). Es zeigt, dass mit Geisteswissenschaft zuweilen mehr beabsichtigt wird als "nur" Wissenschaft, obwohl sich am Ende erweist, dass die Abstandnahme gegenüber diesem Mehr der Erkenntnis förderlich ist. Insofern folgt das Leben von Kantorowicz dem Schema des Bildungsromans: Aus verlorenen Illusionen entstehen Wirklichkeitsgewinne.

Das mag als Fazit für einen Jünger von Stefan George fast ein wenig zu bürgerlich sein. Aber was soll man machen? Von Kantorowicz wird bleiben, was sich an seinen Werken auch ohne die Kenntnis der Phantasmen seiner Jugend verstehen lässt.

JÜRGEN KAUBE.

Janus Gudian: "Ernst Kantorowicz".

Der "ganze Mensch" und die Geschichtsschreibung.

Frankfurter Societäts-Verlag, Frankfurt am Main 2014. 224 S., br., 14,80 [Euro].

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