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Weißrussland in den Wirren der Revolution 1917/1918. Der Gutsbesitzersohn Ihnat Abdsiralowitsch gerät zwischen alle Fronten. Soll er sich für sein geliebtes Vaterland einsetzen oder soll er sich für die Sache seiner sozialen Herkunft starkmachen? Oder soll er nicht doch stattdessen einer nicht zu überhörenden Stimme in seinem Inneren folgen, die eine Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse fordert? Als kleiner Junge verliert Ihnat Abdsiralowitsch unter tragischen Umständen seine Mutter. Fortan wird der Sohn eines vermögenden Gutsbesitzers von einer Amme aus dem Dorf aufgezogen, die…mehr

Produktbeschreibung
Weißrussland in den Wirren der Revolution 1917/1918. Der Gutsbesitzersohn Ihnat Abdsiralowitsch gerät zwischen alle Fronten. Soll er sich für sein geliebtes Vaterland einsetzen oder soll er sich für die Sache seiner sozialen Herkunft starkmachen? Oder soll er nicht doch stattdessen einer nicht zu überhörenden Stimme in seinem Inneren folgen, die eine Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse fordert?
Als kleiner Junge verliert Ihnat Abdsiralowitsch unter tragischen Umständen seine Mutter. Fortan wird der Sohn eines vermögenden Gutsbesitzers von einer Amme aus dem Dorf aufgezogen, die selbst ein Kind in Ihnats Alter hat, Wassil. Ihnat wächst in der Schule und der Universität zu einem melancholischen und sensiblen Mann heran, Wassil wird Schäfer. Während des Ersten Weltkriegs steigt Ihnat im Militär als Fähnrich zum Kompaniechef auf, wird dann aber von der Front zur medizinischen Behandlung nach Moskau geschickt. Dort begegnet er zufällig seiner Amme wieder, und auch Wassil, der sich den Bolschewiken angeschlossen hat. Ihnat ist hin- und hergerissen, er sieht die Notwendigkeit sozialer Veränderung, gleichzeitig kann er sich nicht mit der Gewalt und der Brutalität der Revolutionäre anfreunden. Als ihm dann die alt gewordene Amme ein lange verschwiegenes Geheimnis offenbart, wird noch die letzte Gewissheit auf den Kopf gestellt. Maxim Harezki hat mit Ihnat Abdsiralowitsch eine Figur geschaffen, in der sich all die Widersprüche des weißrussischen Volkes spiegeln.

Harezki schrieb den Roman über die Revolutionswirren 1917/1918 aus dem Herzen des Geschehens, als eine historische Einordnung noch lange nicht möglich war. So ist "Zwei Seelen" nicht nur ein glänzendes Portrait eines zweifelnden, in sich zerrissenen Helden, sondern auch ein literarisches Dokument, das Aufschluss gibt über die Verhältnisse in Russland und Weißrussland zur Zeit der Revolution, und die Disparität der revolutionären Bewegungen in einem fesselnden Roman festhält.
Autorenporträt
Frans Eemil Sillanpää (1888-1964) ist der bisher einzige finnische Literaturnobelpreisträger. Als Sohn einfacher Hofbesitzer wurde er zur Schulbildung ans Gymnasium nach Tampere und anschließend für ein Studium der Medizin an die kaiserliche Alexander-Universität nach Helsinki geschickt. Er brach das Studium ab, kehrte zurück aufs Land, gründet dort eine Familie und begann literarisch zu arbeiten. 1919 entstand der Roman »Frommes Elend«. 1923 »Hiltu und Ragnar« ein kurzer Spin-Off-Roman, in dem Sillanpää das Schicksal von Hiltu, einer Nebenfigur aus »Frommes Elend«, weiterverfolgte. 1931 nahm er den Faden wieder auf und schrieb mit »Jung entschlafen« das Gegenstück zu »Frommes Elend«, das in der gleichen Zeit spielt und das junge Hausmädchen Silja als Protagonistin hat. 1939 wurde ihm der Nobelpreis für Literatur zugesprochen, für den er seit 1930 wiederholt vorgeschlagen worden war. Er verfiel dem Alkohol, verbrachte die Jahre 1940 bis 1943 in der Psychiatrie und schrieb danach so gut wie gar nicht mehr. Dennoch blieb er in Finnland bis zu seinem Tod 1964 populär, weil er als »Taata Sillanpää« (Opa Sillanpää) immer zu Weihnachten im nationalen Radio sprach.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Im Original im Jahre 1919 erschienen, ist Maxim Harezkis Buch "Zwei Seelen" nun auch endlich auf Deutsch zu lesen, verkündet Rezensentin Judith Leister erfreut. Sie liest hier die Geschichte des jungen Weißrussen Ihnat, der als Sohn eines Gutsbesitzers geboren, nach der Ermordung der Mutter bei einer Amme aufwächst und im Ersten Weltkrieg die Wirren der Revolution und den Bürgerkrieg zwischen "Weißen" und "Roten" erlebt. Lobend vermerkt die Kritikerin, wie Harezki, selbst weißrussischer Patriot, nicht nur ein bisher meist übersehenes Kapitel der Geschichte schildert, sondern mit der Figur des Ihnat auch die widerstreitenden Bestrebungen innerhalb Weißrusslands schildert. Nicht zuletzt würdigt Leister die schmucklose Sprache, mit der Harezki vom untergegangenen dörflichen Leben erzählt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.10.2014

Weißrussisch zerrissen
Der Roman "Zwei Seelen" von Maxim Harezki

Es ist eine vergessene Welt, in die uns der weißrussische Schriftsteller Maxim Harezki (1893 bis 1938) hineinzieht. Als Leser aus dem westlichen Kulturraum schnaubt man heftig, um dem inhaltlichen Faden folgen zu können. Zunächst einmal muss man sich die historischen Gegebenheiten vergegenwärtigen, denen der weißrussische Kulturraum in den Jahren 1917/1918 ausgesetzt ist. Dort spielt der größte Teil der Handlung des Romans "Zwei Seelen", den Harezki 1919 veröffentlichte.

Weißrussland gehörte 1917 zu Russland, das sich im Krieg mit dem Deutschen Reich befand. Die Oktoberrevolution beendete die Zarenherrschaft, der Bolschewismus 1918 den Krieg mit Deutschland. Die Front verlief in diesem Moment durch das heutige Weißrussland. Unter deutscher Besatzung keimte dort die Hoffnung auf, einen eigenen Staat aufbauen zu können.

In der Gemeinde Krupki wächst Ihnat Abdsiralowitsch auf, ein Landadeliger, der früh seine Mutter verloren hat. Der Vater, ein Vertreter der zum Untergang verdammten aristokratischen Welt, zog sich nach dem Tod seiner Frau "mit Kognak und Zigarren" in die Isolation zurück. Der junge Ihnat wird von einer Bäuerin aufgezogen und lernt so das ländliche Leben kennen und lieben. Es ist eine Kultur, die schon seit dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts zum Kern einer weißrussischen Nationalbewegung wird, befeuert von jungen intellektuellen Emporkömmlingen, die vor allem im multiethnischen Vilnius leben.

Ihnat ist ein außerordentlich guter Beobachter der miteinander ringenden Dynamiken. Aufgrund seiner Herkunft aus einem russifizierten Adelshaushalt hält er das "ganze Russland" für seine Heimat, hegt aber auch Sympathien für die "weißrussische Wiedergeburt", die sich eher an der westlich-lateinischen Tradition orientiert als an den russisch-orthodoxen Einflüssen. Damit ist auch der Titel des Buchs klar: In Ihnats Brust schlagen zwei Seelen. Diese Schizophrenie macht ihn zum Grübler und Zauderer, der sich für keine der neuen Welten entscheiden kann.

Harezki verdeutlicht den psychologischen Prozess dieser Erkenntnis, indem er Ihnat mit den unterschiedlichsten Personen zusammenbringt. Er verliebt sich in eine weißrussische Adlige, die sich aufgrund von Ihnats Phlegma für einen anderen Verehrer entscheidet. Er trifft auf überzeugte, verträumte Weißrussen, auf sozialistische Revolutionäre, deren Gewaltbereitschaft und Verlogenheit Ihnat anekeln. Und auf Landsleute, die sich in ihrer Zerrissenheit in blutleere Zyniker verwandelt haben. Ihnats Weg zum passiven Zauderer wird von Harezki überzeugend dargestellt. Allerdings braucht es rund vierzig Seiten, bis der Roman an Fahrt gewinnt und der Autor zu jener sprachlichen Kraft findet, für die er in Weißrussland bis heute gelobt wird.

Während die ideologischen Konflikte zuweilen recht anstrengend zu lesen sind, glänzt Harezki mit schönen Beschreibungen des früheren Alltags, wie etwa in der Stadt Mahiljou: "Hinter dem Zaun an der Wegböschung versammelten sich bei den Prellpfosten die Halbwüchsigen, redeten lauthals auf jiddisch oder weißruthenisch, und in diesem Durcheinander stand still ein Bauer, lauschte der Musik und dem ganzen Lärm und bewunderte stumm das alles sowie die flanierenden Herrschaften - einsam hier in seinem kurzen weißen Bauernkittel mit dem hausgewebten Gürtel und dem weißen Filzhut."

Harezki war selbst ein Verfechter der nationalen weißrussischen Idee. Mit bösen Folgen. 1922 wurde er von den Polen, die den Westen Weißrusslands zugesprochen bekommen hatten, als "bolschewistischer Agent" verhaftet. 1930 ereilte ihn das Schicksal auf sowjetischer Seite. Er wurde wie viele weißrussisch Kulturschaffende in die Verbannung geschickt, wo er 1938 erschossen wurde.

Der Slawist Norbert Randow, der "Zwei Seelen" (zusammen mit Gundula und Wladimir Tschepego) übersetzte, hielt den Roman für das Schlüsselwerk der modernen weißrussischen Literatur. Ihn nicht zu kennen sei ein sträfliches Versäumnis für die europäische Literatur, hat Randow vor seinem Tod im vergangenen Jahr immer wieder gesagt. Es ist dem neu gegründeten Guggolz Verlag zu verdanken, dass sich der deutschsprachige Leser nun endlich ein Bild von Harezkis Arbeit machen kann. Diese Entdeckung ist bedeutsam. Denn die jahrzehntelange Vernachlässigung und Missachtung der Kulturräume im Osten Europas führen zu Missverständnissen, wie wir sie aktuell im Diskurs über die Ukraine erleben.

INGO PETZ

Maxim Harezki: "Zwei Seelen". Roman.

Aus dem Weißrussischen von Norbert Randow, Gundula Tschepego und Wladimir Tschepego. Guggolz Verlag, Berlin 2014. 223 S., geb., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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