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Religion ist am Anfang des 21. Jahrhunderts in die Welt zurückgekehrt. Auch in Europa und in Deutschland. Sie verlässt die privaten und innerkirchlichen Rückzugsräume. Religion ist zu einem wichtigen Bestandteil von Öffentlichkeit, von bürgerlicher Gesellschaft und Politik geworden. Es ist eine sperrige Beziehung, und doch erweist sich Religion als ein kaum verzichtbarer Faktor des öffentlichen Lebens. Warum gibt es einen neuen Ansturm auf kirchliche Schulen? Welchen Wert hat ein Kinderchor oder ein Weihnachtsbasar? Wofür zahlen wir Kirchensteuer? ...

Produktbeschreibung
Religion ist am Anfang des 21. Jahrhunderts in die Welt zurückgekehrt. Auch in Europa und in Deutschland. Sie verlässt die privaten und innerkirchlichen Rückzugsräume. Religion ist zu einem wichtigen Bestandteil von Öffentlichkeit, von bürgerlicher Gesellschaft und Politik geworden. Es ist eine sperrige Beziehung, und doch erweist sich Religion als ein kaum verzichtbarer Faktor des öffentlichen Lebens. Warum gibt es einen neuen Ansturm auf kirchliche Schulen? Welchen Wert hat ein Kinderchor oder ein Weihnachtsbasar? Wofür zahlen wir Kirchensteuer? ...
Autorenporträt
Paul Nolte, geboren 1963, war Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin und Professor an der International University Bremen. Seit 2005 lehrt er Neuere Geschichte und Zeitgeschichte an der Freien Universität Berlin. Von Paul Nolte sind erschienen: Die Ordnung der deutschen Gesellschaft (2000), Generation Reform (2004), Riskante Moderne (2006), Religion der Bürgergesellschaft (2009).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.11.2009

Gut aufgestellt für die postsäkulare Urszene

Betrachtungen über die vorgebliche oder wirkliche Wiederkehr der Religion haben derzeit Konjunktur. Die Rede von der postsäkularen Gesellschaft breitet sich aus, das Interesse an Religion nimmt im öffentlichen Diskurs erheblich zu. Verlegerisch entsteht so eine thematische Situation, in der man unter funktionaler Perspektive noch einmal bei null anfangen kann - die Gunst der postsäkularen Urszene nutzend. Kein Verlag führt das so konsequent vor wie Berlin University Press. Hier nimmt der Anteil des theologisierenden Sachbuchs stetig zu.

Nachdem im Frühjahr Wolfgang Schäubles Buch gefragt hatte, ob unsere Gesellschaft Religion "braucht", fragt nun Paul Nolte, ob wir einen religionsfreundlichen Staat "brauchen" ("Religion und Bürgergesellschaft". Brauchen wir einen religionsfreundlichen Staat? Berlin University Press, Berlin 2009. 140 S., geb., 24,90 [Euro]). Der von Nolte verwendete Säkularisierungsbegriff bleibt unbestimmt und eher vieldeutig. Teilweise wird er mit der Privatisierung der Religion gleichgesetzt, was indes nur für die französische Spielart der laïcité zutrifft, während in Deutschland - und verbreitet in Mitteleuropa - die Säkularisierung mit einem Rechtsrahmen für einen anerkannten Status und die öffentliche Wirksamkeit der Religion einhergeht.

Nolte rührt an das Kernproblem, wie religiös engagierte Bürger sich unter den Bedingungen der säkularisierten Gesellschaft und politischen Demokratie verhalten sollen und können, um ihre Überzeugungen auch öffentlich zur Geltung zu bringen, ohne sich dabei in einen religiösen und säkularen Bürger aufzuspalten. Welche Voraussetzungen müssen dafür bei den Institutionen und den Bürgern selbst gegeben sein? Nolte expliziert das Problem unter Aufnahme Habermasscher Gedanken zutreffend, tut sich aber mit der Lösung eher schwer. Denn er will die notwendige Spannung zwischen dem religiösen und säkularen Bürger im Einzelnen selbst, die doch bestehen bleibt und auch bestehen bleiben muss, mehr einebnen als aushalten. Solche Differenz ist aber unerlässlich, soll Religion nicht auf eine Funktion für die Gesellschaft reduziert werden.

Deshalb sind auch Vorbehalte gegenüber dem von Nolte empfohlenen religionsfreundlichen Staat anzumelden. Die offene Neutralität des Staates gegenüber der Religion ist notwendig, aber auch ausreichend. Sie drängt religiöse Aktivitäten und Leistungen nicht zurück, gibt ihnen vielmehr Raum, unterstützt auch Leistungen religiöser Träger, die einen unmittelbaren Gemeinwohlbezug aufweisen, etwa im Wohlfahrts-, Sozial- und Bildungsbereich, geht aber nicht im Sinne einer Erhaltungsfunktion darüber hinaus.

Das ist schon um der Eigenständigkeit religiöser Institutionen und Aktivitäten willen geboten, die deren Vereinnahmung als gesellschaftliche Funktionsträger entgegensteht. Sie müssen, und das gilt auch für die religiösen Bürger selbst, aus ihrer transzendenten Sendung und Verwurzelung immer auch zum "Zeichen des Widerspruchs" in der Gesellschaft und gegen ihre Lebensweisen werden können. Darin liegt eine Gewaltenteilung zwischen Religion und Gesellschaft, die stärker im Blick haben sollte, wer für die postsäkulare Urszene publizistisch gut aufgestellt sein will.

ERNST-WOLFGANG BÖCKENFÖRDE

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Auch wenn die Fragestellung von Paul Noltes jüngstem Buch über den gesellschaftlichen Nutzen von Religion nicht mehr ganz taufrisch ist, hat ihm der hier rezensierende Soziologieprofessor Hans Joas doch viele Anregungen entnommen. Denn dieser "flott" geschriebene Essay vertiefe in vielen Einzelpunkten gängige Überlegungen und erweitere die Debatte durch die Bezugnahme der Religion auf eine "Bürgergesellschaft", so Joas. Wenn Nolte über den potentiellen Gewinn spricht, den Religion und die damit verbundenen Netzwerke, pädagogischen Einrichtungen oder karitativen Organisationen für eine mitfühlende Bürgergesellschaft haben, sieht der Rezensent keinen Grund zum Widerspruch. Seltsam allerdings findet Joas die unscharfe Begrifflichkeit, wenn der Autor mal von "Bürgergesellschaft" und mal von "bürgerlicher Gesellschaft" spricht, als sei Religiosität und die damit verbundenen positiven Eigenschaften eher bei den Privilegierten zu suchen. Auch wundert sich Joas, dass Nolte das Thema "Einwanderung" und seine Bedeutung für die Religion in Deutschland so gar nicht einfließen lässt.

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