Zwischen 1980 und 1993 hat der Literaturnobelpreisträger Claude Simon in öffentlichen Vorträgen über vier Dinge gesprochen, die seine Laufbahn als Schriftsteller bestimmt und geleitet haben: über Marcel Proust, über Leitsterne in Dichtung, Kunst und Musik, über das Schreiben und über das Gedächtnis. Was Simon selbst als zwanglose Plaudereien bezeichnet hat, ist ein literarisches Vermächtnis wie es nur wenige gibt. Wer diese Gedanken liest, darf beglückt erfahren, wie sich das Labyrinth der Literatur und ihrer Epochen, der Kunst und ihrer Erscheinungsformen anhand weniger skizzierter Leitlinien, fast wie beim Reden entstandene Gedanken, die Simon nie als verbindliche Wahrheiten versteht, in das geordnete Erscheinungsbild eines französischen Gartens verwandelt.Claude Simon, geboren 1913 in Tananarive, Madagaskar, erhielt 1985 den Nobelpreis für Literatur. Er starb 2005 in Paris.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.10.2014Lieber Proust
als Plot
Was bleibt eigentlich von einem Roman übrig, wenn man die Handlung abzieht? Das Wesentliche, sagt der französische Nobelpreisträger Claude Simon in den jetzt erstmals übersetzten Vorträgen, die er zwischen 1980 und 1993 hielt. Marcel Proust spielt darin eine Hauptrolle, als Kronzeuge für den Gedanken, die Fabel eines Romans sei womöglich nur der Anlass für die eigentliche Handlung: die dynamische Beschreibung, in der sich etwa der Speisesaal des Grand Hotel in Balbec in eine Unterwasserlandschaft verwandelt. Dem Vorbild Proust tritt die bildende Kunst der Moderne an die Seite, die in ihrer Revolutionierung des Bildraums dem Fragmentarischen visueller Wahrnehmung Rechnung trägt – so wie Proust und Joyce den Kapriolen der Wahrnehmung und des Gedächtnisses. Am Ende tritt Claude Simon selbst auf. Es lohnt sich, ihm zuzuhören.
LMUE
Claude Simon: Der Fisch als Kathedrale. Vier Vorträge. Aus dem Französischen von Eva Moldenhauer. Mit einem Nachwort von Andreas Isenschmid. Berenberg Verlag, Berlin 2014. 112 Seiten, 20 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
als Plot
Was bleibt eigentlich von einem Roman übrig, wenn man die Handlung abzieht? Das Wesentliche, sagt der französische Nobelpreisträger Claude Simon in den jetzt erstmals übersetzten Vorträgen, die er zwischen 1980 und 1993 hielt. Marcel Proust spielt darin eine Hauptrolle, als Kronzeuge für den Gedanken, die Fabel eines Romans sei womöglich nur der Anlass für die eigentliche Handlung: die dynamische Beschreibung, in der sich etwa der Speisesaal des Grand Hotel in Balbec in eine Unterwasserlandschaft verwandelt. Dem Vorbild Proust tritt die bildende Kunst der Moderne an die Seite, die in ihrer Revolutionierung des Bildraums dem Fragmentarischen visueller Wahrnehmung Rechnung trägt – so wie Proust und Joyce den Kapriolen der Wahrnehmung und des Gedächtnisses. Am Ende tritt Claude Simon selbst auf. Es lohnt sich, ihm zuzuhören.
LMUE
Claude Simon: Der Fisch als Kathedrale. Vier Vorträge. Aus dem Französischen von Eva Moldenhauer. Mit einem Nachwort von Andreas Isenschmid. Berenberg Verlag, Berlin 2014. 112 Seiten, 20 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de