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Das hatten wir ganz vergessen, dass es das gibt! Regen, Halbschlaf, Plötzlichkeit und endloses Verweilen, Katzen, Kismet, Tod und Teufel - Zwischenreiche, Ungreifbares, Zustände und Dinge, unscheinbar, alltäglich, mächtig zugleich, die in unser aller Leben hineinregieren, ohne dass wir ihnen viel Aufmerksamkeit schenken. Wer könnte dies alles näher bringen als Joachim Kalka, dessen Wissen die Weltliteratur ebenso umfasst wie alle strahlenden und dunklen Bereiche künstlerischen Ausdruckswillens, die abseitigeren zumal. Anstatt in der unübersichtlichen Flut zeitgenössischer und vergangener…mehr

Produktbeschreibung
Das hatten wir ganz vergessen, dass es das gibt! Regen, Halbschlaf, Plötzlichkeit und endloses Verweilen, Katzen, Kismet, Tod und Teufel - Zwischenreiche, Ungreifbares, Zustände und Dinge, unscheinbar, alltäglich, mächtig zugleich, die in unser aller Leben hineinregieren, ohne dass wir ihnen viel Aufmerksamkeit schenken. Wer könnte dies alles näher bringen als Joachim Kalka, dessen Wissen die Weltliteratur ebenso umfasst wie alle strahlenden und dunklen Bereiche künstlerischen Ausdruckswillens, die abseitigeren zumal. Anstatt in der unübersichtlichen Flut zeitgenössischer und vergangener Literatur zu ersaufen, sollte man jemandem wie ihm lauschen, der alles gelesen hat, das Wesentliche destilliert und in die Kunst seiner Neuinterpretation verwandelt. Und schon fließt der Regen anders, die Katze läuft über die Straße, die Toten grüßen und der Teufel auch.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Joachim Kalka lebt in Stuttgart. Er ist Mitglied der Darmstädter Akademie und der Bayerischen Akademie. Im Berenberg Verlag erschienen "Phantome der Aufklärung. Von Geistern, Schwindlern und dem Perpetuum Mobile" (2006) und "Hoch unten. Das Triviale in der Hochkultur" (2008). Außerdem hat er zahlreiche Bücher für den Verlag übersetzt, herausgegeben und eingeleitet, u.a. von Christopher Isherwood, John Maynard Keynes und A. J. Liebling.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.05.2012

Regenschirme sind schon seltsam
Joachim Kalka taucht ein in die Weltliteratur und lässt sich ehrfürchtig treiben im Strom scheinbar nebensächlicher, randständiger und abseitiger Motive
Wer die Grenze zwischen Lesen und Schreiben überspringen will, muss souverän sein. Nichts Öderes als Leser, die sich von ihrer anhaltenden Lektüre schließlich ins aktive Co-Vibrieren versetzen lassen. Und auch umgekehrt gilt, in den Worten von Karl Kraus: Ein Dichter, der liest, ist ein Anblick wie ein Koch, der isst.
Umso mehr muss man bewundern, was Joachim Kalka aus den Büchern zu machen weiß, die ihm begegnet sind. Über den Regen wird es wahrscheinlich nie zu einem abschließenden Befund kommen. Gerade darum erscheint es reizvoll, seine vielen verschiedenen Facetten so aufblitzen zu lassen wie die Sonne in den Tropfen. „Der Regen“, beginnt Kalka seinen Essay, der einen wirklichen Essay darstellt, nämlich einen Versuch, bei dem man am Anfang noch nicht so genau absieht, was zum Schluss dabei herauskommen wird, „Der Regen heißt: unmittelbare Präsenz von Natur. Das kann ärgerlich sein, aber es bietet auch Gelegenheit zu Einübung in den Stoizismus, und wenn man einmal richtig durchnässt ist, bemerkt man die sinnliche Qualität dieser Berührung durch ein Element“.
Sodann ruft Kalka den Regen bei Dickens und Huysmans herbei, das Unordentliche, Chaotische an ihm, mit dem sich allerdings ein Aspekt der strikten Gerechtigkeit verbindet, denn er verschont keinen. Man lasse auch nicht die zutreffende Beobachtung von Gilbert Keith Chesterton außer Acht, dass regnerisches Wetter im Grunde viel besser ist als gutes, einfach weil sich dann so viel mehr auf der Welt spiegelt. Wem ist schon einmal aufgefallen, dass, wenn die alltägliche (und doch niemals banale) Konversation das Thema Regen streift und man anmerkt, dass einem Regenwetter eigentlich ganz gut gefalle, der kleine Plausch entweder abbricht oder in ein richtiges Gespräch übergeht? Befreiend kann der Regen wirken, wie auf Gene Kelly, wenn er seinen Regenschirm zuklappt und anhebt: „I’m singing in the rain.“ Aber ein bisschen Anarchie steckt immer eben auch drin – alsbald erscheint ein Schutzmann auf der Szene, der misstrauisch beäugt, was Kelly da so treibt. Überhaupt, Regenschirme! „Der Regenschirm ist ein seltsames Objekt; er kann sowohl urbane Eleganz wie provinziell-behäbige Spießigkeit suggerieren“, worauf sich Betrachtungen zum Regenschirm bei Daumier und Wilhelm Busch anschließen, samt einem Exkurs zu den Surrealisten, die sich an der Unheimlichkeit dieses Dings ergötzten. Wohingegen der Regen selbst, als gerade geschehender Niederschlag, in der bildenden Kunst Europas so gut wie keine Rolle spielt und die Abendländer, damit sich ihre Augen öffnen, erst bei den japanischen Holzschnitten in die Schule gehen müssen.
Und so geht das immer weiter, in einer flachen, hellen Kaskade, an deren Grund angelangt man staunt, wie viele ganz neue Gedanken man so nebenbei aufgenommen hat. Kalka beginnt mit dem Teufel und endet mit dem Totenreich; dazwischen ist Raum für Katzen, für das Rauchen (dessen Gebärdensprache Kalka heute verdorren sieht, ein großer kulturgeschichtlicher Verlust), den Halbschlaf, das Kismet, die Improvisation. Man kann diesen Wanderpfad um der schönen Aussichten willen genießen, die er selbst bietet; man kann das Augenmerk aber auch auf die vielen Wegweiser richten, die rechts und links angebracht sind. So unaufdringlich wie möglich deuten sie auf Autoren hin, Namen wie Max Beerbohm, James Hogg, Christopher Smart, Cesare Ripa, auf die man von allein schwerlich gekommen wäre, die zu lesen aber offenbar großes Vergnügen verheißt.
BURKHARD MÜLLER
JOACHIM KALKA: Die Katze, der Regen, das Totenreich. Ehrfurchtsnotizen. Berenberg Verlag, Berlin 2012, 144 Seiten, 20 Euro.
Am Grund dieser hellen
Gedankenkaskaden, staunt man,
wie viel Neues da zu erfahren war
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Wunderbar, schwärmt Rezensent Jochen Schimmang, einfach wunderbar. So und nicht anders, versichert er, müssen Essays aussehen, offen nämlich, dem Sammeln, der souveränen Abschweifung, der sprachlichen Schönheit verpflichtet, der Überraschung (des Autors selbst und erst des Lesers!). Was Joachim Kalka in diesen acht Essays klischee- und oberlehrerfrei über Katzen, Regenschirme, den Halbschlaf oder den Slapstick zu sagen hat, eröffnet Schimmang neue Horizonte. Kalkas Verweise auf Nabokov, die Peanuts, Lewis Carroll, Buster Keaton nimmt der Rezensent gerne auf.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.05.2012

Über die Gerechtigkeit des Regens und andere Alltagserfahrungen

Poetik einer ungewissen Zone: In seinem klugen Essayband nimmt Joachim Kalka kulturelle Phänomene wie den Teufel, den Halbschlaf und sogar Katzen in Augenschein.

Vor einigen Jahren hatte der Wagenbach-Verlag einen seiner größten Erfolge mit Alan Bennetts "Die souveräne Leserin", jener Geschichte, in der sich die Queen plötzlich in eine Literaturverfallene verwandelt und sogar ihre Pflichten vernachlässigt. Selbstverständlich sei der britischen Königin und dem weiblichen Geschlecht insgesamt der Vortritt gelassen, wenn es um Souveränität geht. Nun kommt man aber doch nicht umhin, ihnen den souveränen Leser an die Seite zu stellen. So viel gelungener und inspirierter Umgang mit Literatur und anderen kulturellen Phänomenen wie in diesem schmalen Buch, bei so völliger Abwesenheit von Geschwätzigkeit und Eitelkeit, ist überaus selten.

Joachim Kalka ist selbstverständlich als Übersetzer, Kritiker und Essayist alles andere als ein Unbekannter, und dies ist nicht der erste Essayband, den er bei Berenberg publiziert hat. Was diese Versuche (der Autor besteht darauf, den Essay als essai zu buchstabieren) aber auszeichnet, ist die Tatsache, dass sie Essays im Wortsinn sind und nicht das, was bei uns gemeinhin darunter firmiert: Schulaufsätze auf gehobenem akademischen Niveau, deren Anfänge schon den Schluss ahnen lassen, auf den sie unerbittlich zulaufen.

Kalkas Texte laufen auf gar nichts zu. Deren Verfahren charakterisiert er eingangs gleich selbst, dass nämlich "ihre Generallinie das Argumentieren durch Zitate ist, zumindest das argumentativ gefärbte Herzeigen von solchen. In der Überzeugung, dass die Ausstrahlungskraft einer Zitierung unter glücklichen Umständen ungleich mehr vermag als die eigenen Darlegungen, hat der Autor in diese Technik sein Vertrauen gesetzt."

Mit glänzendem Erfolg, darf man hinzufügen. Die Prinzipien dieser Essays sind das Aufsammeln, die schöne Abschweifung und die Zerstreuung, denn, wie es in dem Versuch über den Halbschlaf heißt, "der Zerstreute ist besonders disponiert für die Überraschung einer Wahrnehmung, er hat seine Kognition so zerteilt und aufgefächert, dass er unwillkürlich bemerkt, was dem Konzentrierten entgeht". "Ehrfurchtsnotizen" nennt Kalka seine Aufzeichnungen im Untertitel. Beim souveränen Leser versteht sich von selbst, dass Ehrfurcht hier nichts mit Unterwürfigkeit zu tun hat, sondern selbst Ausdruck der Souveränität ist. Nur in einem Punkt flunkert er ein bisschen in seiner Vorbemerkung, mit der Behauptung, die Gegenstände dieses Buches seien "ganz unterschiedlich". Das mag auf den ersten Blick so scheinen, der zweite erkennt aber, dass alle acht Essays sich jeweils dem widmen, was als Untertitel des Textes über den Halbschlaf so lautet: "Poetik einer ungewissen Zone".

Ungewisse Zonen sind es alle, die hier in Augenschein genommen werden. Der Teufel ist zum Beispiel eine ungewisse, wenn auch hartnäckige Figur. Kalka zeigt, dass sein Erfolg vor allem auf der Bereitschaft des Leibhaftigen beruht, sich unseren Wünschen zu widmen, und dass das Wünschen nie ein Ende nimmt, wissen wir ja. Zudem ist der Teufel modern und auf der Höhe des Vertragsrechts, denn bei all seinen Pakten, die er mit dem Menschen schließt, besteht er auf Schriftlichkeit.

Der Halbschlaf ist die Zone der Ungewissheit par excellence, viel mehr als etwa der Traum folgt er der "Funktionslogik des Phantastischen", darin dem Fieberzustand nicht unähnlich. Und auch über das Totenreich wissen wir naturgemäß nichts Genaues. Es muss nicht unbedingt dem Bild der Hölle entsprechen, sondern kann auch der Utopie von Novalis folgen, die "eine Art Erotik des zur Ruhe gekommenen, ewig genießenden Totenlebens entwirft", in der "holde Frauen, ernste Meister, / Kinder und verlebte Greise / Sitzen hier in einem Kreise / Wohnen in der alten Welt."

Selbst über die Katze, dieses übermäßig besetzte angebliche Wappentier aller Dichter und Unabhängigen und Rebellen, kann uns Kalka einen Text vorlegen, der fern aller Klischees und Süßlichkeit ist und uns am Ende mit seiner eigenen Übersetzung der wunderbaren Zeilen von Christopher Smart über den Kater Jeoffrey beschenkt, "die schönste mir bekannte Huldigung eines Dichters an ein Tier". Und die Gerechtigkeit des Regens haben wir noch nie so genau verstanden wie hier, eben weil er, so der Untertitel, gemeinhin "Eine Alltagserfahrung" ist. Hier aber ist sogar eine veritable Theorie des Regenschirms nachzulesen.

Kalkas Zeugen sind Nabokov ebenso wie die Peanuts (deren Weisheit, die mir über meine Studienjahre geholfen hat, mehrfach zu berechtigten Ehren kommt), Chesterton ebenso wie Caillebottes Bild "Rue de Paris par temps de pluie", Lewis Carroll (natürlich: die Cheshire-Katze!) und E. E. Cummings ebenso wie Buster Keaton, Charlie Chaplin oder Laurel & Hardy. Im letzteren Fall dreht es sich vor allem um die Verwandtschaft von Zauberei und Slapstick, und wenn Kalka eine kleine Theorie des Slapsticks im amerikanischen Kino entwirft und den Regisseur Mack Sennett wegen seines entfesselten Tempos einen "Virilio der Sahnetorten" nennt, dann ist allein diese Slapstick-Formulierung schon die Lektüre wert.

Und so entstehen bei diesem "zerstreuten Hin(aus)schauen" acht kostbare Essays, die uns nirgends an die Hand nehmen und belehren und nebenher, aber das weiß man von diesem Autor, von großer sprachlicher Schönheit sind. Man wünschte sich von ihm noch einen neunten, der sich ebenfalls mit einer ungewissen Zone und der Funktionslogik des Phantastischen befassen würde, mit der Welt der sogenannten Finanzkrise nämlich, in der Regenschirme zu Rettungsschirmen werden und in der kräftig gehebelt wird. Aber das kann ja noch kommen.

JOCHEN SCHIMMANG

Joachim Kalka: "Die Katze, der Regen, das Totenreich". Ehrfurchtsnotizen.

Berenberg Verlag, Berlin 2012. 142 S., geb., 20.- [Euro].

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