14,99 €
inkl. MwSt.

Versandfertig in 2-4 Wochen
  • Gebundenes Buch

Georg Brandes ist Nietzsches Entdecker - nicht mehr und nicht weniger. Der Kritiker und Publizist war einer der ersten, die auf die Bedeutung des bis dahin unbekannten Philosophen hinwiesen, und dies so nüchtern und klar, dass sein 1888 erschienener Nietzsche-Essay längst ein berühmtes Zeitdokument und immer noch lesenswert ist. Alles, was Nietzsche bis heute wichtig und skandalös erscheinen lässt, ist hier angeschnitten: Moralkritik, Umwertung aller Werte, Übermensch. Brandes, Jude aus Kopenhagen, Weltbürger, Pazifist, ist Ahnherr einer zivilisierten Aneignung Nietzsches geworden. Nietzsche…mehr

Produktbeschreibung
Georg Brandes ist Nietzsches Entdecker - nicht mehr und nicht weniger. Der Kritiker und Publizist war einer der ersten, die auf die Bedeutung des bis dahin unbekannten Philosophen hinwiesen, und dies so nüchtern und klar, dass sein 1888 erschienener Nietzsche-Essay längst ein berühmtes Zeitdokument und immer noch lesenswert ist. Alles, was Nietzsche bis heute wichtig und skandalös erscheinen lässt, ist hier angeschnitten: Moralkritik, Umwertung aller Werte, Übermensch. Brandes, Jude aus Kopenhagen, Weltbürger, Pazifist, ist Ahnherr einer zivilisierten Aneignung Nietzsches geworden. Nietzsche selbst war begeistert, dass sich der damals viel berühmtere Däne zu seinem Fürsprecher gemacht hatte. Seine Briefe an ihn hat Brandes 1895 in die Nachschrift zu seinem Essay aufgenommen.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Georg Brandes (1842-1927) verkörpert in idealer Weise das, was Nietzsche als "freien Geist" bezeichnete: Er schrieb Dänisch, Schwedisch, Deutsch, bereist ganz Europa, lebte in Berlin, Rom, Paris und London. Für Schriftsteller wie Ibsen, Strindberg, Thomas Mann, Schnitzler, Hofmannsthal und ihre Generation war er Kulturvermittler, Entdecker und Vaterfigur. Er schrieb Biographien über Kierkegaard und Lassalle, Reiseberichte, sowie zahllose literarische, zeitgeschichtliche und politische Essays. Er gilt als einer der geistigen Ahnen jener vorurteilsfreien Gelassenheit, die das liberale geistige Klima in Skandinavien kennzeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.11.2004

Nicht mehr zu verlieren
Georg Brandes über Nietzsches „aristokratischen Radicalismus”
Die Schwester des Philosophen, Elisabeth Förster-Nietzsche, rümpfte die Nase: „Was für ein Gesindel” er sich doch ausgesucht habe, „Juden, die an allen Töpfen geleckt hätten wie Georg Brandes.” Als Georg Brandes (1842-1927) in Dänemark 1889 über Friedrich Nietzsche Vorträge hielt und diese publizierte, bezahlte er noch Steuern an die jüdische Gemeinde in Kopenhagen (ab 1907 dann nicht mehr). Diese Vorträge erschienen im Frühjahr 1890 in Julius Rodenbergs „Deutscher Rundschau” unter dem Titel „Aristokratischer Radicalismus. Eine Abhandlung über Friedrich Nietzsche.” Hätte Brandes Friedrich Nietzsche als Obertitel und den „aristokratischen Radicalismus” als Untertitel gewählt, wie es auf dem Titelblatt des jetzt erschienenen Neudrucks gehandhabt wird, dann wären Brandes’ Ausführungen vielleicht überlesen worden. Nietzsche war zu diesem Zeitpunkt als Philosoph noch relativ unbekannt. Erst der Aufsatz von Brandes rückte ihn ins Zentrum europäischer Aufmerksamkeit: Brandes erschien als „Verkündiger” (Ola Hansson) und als „Prophet” von Nietzsches „ultraradikalem Aristokratismus” (Maximilian Harden), und der Terminus „Nietzscheanismus” begann seine steile Karriere.
Gegen das Wohlfahrtsprinzip
Das Beste an Brandes’ Aufsatz ist seine Überschrift, die die Philosophie Nietzsches charakterisiert: „Aristokratischer Radicalismus”. Auch wenn der Titel nur in einem losen Zusammenhang mit dem im Aufsatz Gesagten steht, wirkte er doch provozierend. Der dänische Philosoph Harald Höffding antwortete sofort mit einem „Demokratischer Radicalismus” betiteltem Aufsatz. Doch Nietzsche hielt die Formulierung von Brandes für „das gescheiteste Wort, das ich bisher über mich gelesen habe”. 1889 notierte er, schon in Umnachtung, „Dem Freund Georg. Nachdem Du mich entdeckt hast, war es kein Kunststück mich zu finden: die Schwierigkeit ist jetzt die, mich zu verlieren . . . Der Gekreuzigte.”
Nicht in der deutschen Fassung von 1890, nur im dänischen Original gibt Brandes zu erkennen, warum er den Titel gewählt hat: „Man wird bald aufs neue erfahren, dass sich die Kunst nicht mit Ideen und Idealen für den Durchschnitt und das Mittelmaß begnügen kann . . ., sondern dass die große Kunst Geister nötig hat, die sich in Eigenart, Selbständigkeit, Trotz und adliger Alleinherrschaft mit den eigentümlichsten Persönlichkeiten im Denken der Gegenwart in gleicher Höhe befinden.” Aristokratischer Radikalismus heißt also adlige Alleinherrschaft in Kunst und Philosophie.
Brandes war 1890 einer der bedeutendsten Literaturkritiker Europas, der gerade auch die literarischen Entwicklungen in Deutschland verfolgte; er lebte von 1877 bis 1883 in Berlin. Vorsichtig zeichnet er die Entwicklung des Philosophen in sechs Kapiteln nach. Der Leser bekommt ein gutes Bild von Nietzsche, auch wenn Brandes die „aristokratische Geistesrichtung” tadelt, wegen ihres Angriffs gegen „das Wohlfahrtsprincip in der Moral”. Doch diesen kritisierten Angriff unterstreicht gerade der Titel „Aristokratischer Radicalismus”, und so sollte er bestimmend werden für die Nietzsche-Interpretation der folgenden Jahre. „Nietzscheanismus” sei, so Carl Weitbrecht in seiner „Deutschen Literaturgeschichte des 19. Jahrhunderts” von 1901, „wesentlich als Rückschlagserscheinung zu fassen, und zwar gegen die immer weitergehende Demokratisierung, Sozialisierung, Nivellierung des Lebens im Staat und Gesellschaft”.
Im fünften Abschnitt beschreibt Brandes das Zarathustra-Buch Nietzsches. Den konkreten Begriff „Übermensch” sucht man in diesem Abschnitt vergebens - doch seit Brandes ist Nietzsche „der Prediger des Übermenschen” (Eduard Bernstein 1892), des radikalen, des aristokratischen - später des nationalsozialistischen.
Kürzungen und Lücken
An der Neuausgabe, die vorgibt, ein Neudruck des Aufsatzes von 1890 zu sein, ist leider Folgendes zu beanstanden: Das Buch hätte „Aristokratischer Radicalismus” und nicht „Nietzsche” betitelt werden müssen. Der erste Teil des Aufsatzes von Brandes stimmt außerdem in der neuen Edition nicht mit der Fassung der „Deutschen Rundschau” überein, da ein Lebenslauf von Nietzsche nicht indirekt und gekürzt, sondern in voller Länge und wörtlich wiedergegeben ist. Auf neuere Literatur zum Verhältnis Brandes-Nietzsche (von Gerd-Günther Grau oder Anatol Schneider) hätte verwiesen werden sollen. Weitere kurze Texte von Brandes über Nietzsche - einschließlich des Nachrufs vom August 1900 - hätten das Buch nicht viel teurer gemacht. Georg Brandes selbst hatte 1914 in London (Neudruck in New York 1972) solch eine erweiterte Fassung seines Aufsatzes unter dem Titel „Friedrich Nietzsche” vorgelegt, die auch seine eigenen Briefe an Nietzsche enthalten, die in der neuen deutschen Ausgabe fehlen. Klaus Bohnen, der Herausgeber, schreibt eine informative Einleitung zu Brandes, in der von Nietzsche aber kaum die Rede ist. Trotz allem: Endlich ist der berühmteste Aufsatz zu Friedrich Nietzsche in einer ansprechenden Ausgabe wieder zugänglich.
FRIEDRICH NIEWÖHNER
GEORG BRANDES: Nietzsche. Mit einer Einleitung von Klaus Bohnen. Berenberg Verlag, Berlin 2004. 128 Seiten, 18 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Das vorliegende Buch, informiert Rezensent Friedrich Niewöhner, macht den Aufsatz neu zugänglich, der 1889 die Weichen der Nietzsche-Rezeption stellte; der Däne Georg Brandes, seinerzeit "einer der bedeutendsten Literaturkritiker Europas", gab den Tenor für das Bild von Nietzsche als "Antidemokraten" und "Prediger des Übermenschen" (ein Zitat von Eduard Bernstein) vor. Ärgerlich ist aber, dass in der Neuausgabe ausgerechnet das fehlt, was Niewöhner zufolge "das Beste an Brandes' Aufsatz" ist, nämlich seine Überschrift: "Aristokratischer Radicalismus". Außerdem bemängelt der Rezensent die ausgelassene Möglichkeit, unbekanntere kleine Texte von Brandes über Nietzsche anzuhängen. Trotzdem: gut, dass dieser Aufsatz wieder vorliegt.

©