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Im Gefolge Jacob Burckhardts haben Historiker die Renaissance als Ursprung und Grundlage der modernen Kultur verstanden, von der aus die intellektuellen und künstlerischen Leistungen eine bruchlose Entwicklungslinie bilden. William Bouwsma stellt in seiner herausragenden Untersuchung diese allgemein anerkannte Sichtweise in Frage. Er argumentiert vielmehr, dass die Renaissance, so wie es für sie einen Anfang und unbestritten einen Höhepunkt gab, ein Ende hatte. Die Künstler und Gelehrten der Renaissance lebten und arbeiteten in einer unsteten, von Widersprüchen geprägten Welt, in der die…mehr

Produktbeschreibung
Im Gefolge Jacob Burckhardts haben Historiker die Renaissance als Ursprung und Grundlage der modernen Kultur verstanden, von der aus die intellektuellen und künstlerischen Leistungen eine bruchlose Entwicklungslinie bilden. William Bouwsma stellt in seiner herausragenden Untersuchung diese allgemein anerkannte Sichtweise in Frage. Er argumentiert vielmehr, dass die Renaissance, so wie es für sie einen Anfang und unbestritten einen Höhepunkt gab, ein Ende hatte. Die Künstler und Gelehrten der Renaissance lebten und arbeiteten in einer unsteten, von Widersprüchen geprägten Welt, in der die Befreiung von überkommenen Grenzen und Ausdrucksformen, für die die Renaissance im Grunde ja steht, selbst zunehmend zu Einschränkungen führte und ihre erstickende, destruktive Wirkung entfaltete. Indem Bouwsma den Blick auf die Verfallsphänomene dieser Kultur der Freiheit und des Schöpferischen richtet, ordnet er die europäische Renaissance innerhalb der modernen Kultur völlig neu ein.
Autorenporträt
William J. Bouwsma war ein US-amerikanischer Geschichtswissenschaftler, der schwerpunktmäßig über die europäische Renaissance forschte. Er war Sather-Professor an der University of California in Berkeley und Präsident der American Historical Association.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.10.2005

Im Tiefdruckgebiet
William J. Bouwsmas Herbstgeschichten / Von Dirk Schümer

William J. Bouwsmas kulturhistorische Fragestellung ist epochal: Wie und warum wandelte sich die rationale, zukunftsgewisse Gesellschaft der frühen Renaissance zur relativistischen, skeptischen Epoche des Manierismus, um schließlich im bunten europäischen Mächtekonzert barocker Kultur aufzugehen? Genial an Bouwsmas ausführlichem Antwortversuch ist vor allem der Titel: "Herbst der Renaissance". Bei niemand Geringerem als beim großen niederländischen Historiker Johan Huizinga, der den elegischen Niedergang der burgundischen Hofkultur in seinem Klassiker beschrieb, entlehnte der Amerikaner Bouwsma sein Konzept. Nur daß er hier das widersprüchliche Ende jener Epoche in den Blick nimmt, deren Frühling auf Huizingas Herbstsonate folgte.

Die Störfaktoren für eine bruchlose Fortentwicklung der italienischen Renaissance kennt indes jedes Schulkind: Entdeckung und Eroberung fremder Kontinente; Luthers und Calvins Reformation; naturwissenschaftliche Erschütterungen durch Kopernikus' Sonnensystem, durch Fernrohr und Mikroskop, durch Blutkreislauf und Buchdruck. Bouwsma - Professor in Berkeley und 2004 verstorben - leitet aus der Dynamik dieses Prozesses ein recht simples historisches Credo ab: Er will zeigen, "daß eine der wichtigsten Erklärungen für diesen Wandel des kulturellen Klimas in der Kultur selbst zu finden ist, und zwar in den Freiheiten, die sie selbst gefördert hat. Diese befriedigen sicherlich grundlegende menschliche Bedürfnisse, gleichzeitig aber lösen sie traditionell Ordnungsmuster auf, die ebenso notwendig waren."

Ach so. Zuviel Neugier macht eben müde, zuviel Wissen macht skeptisch, und jedem Aufbruch zu neuen Ufern wohnt bereits die Ermattung inne. Das sind welthistorische Platitüden, die der von ihnen offenbar begeisterte Bouwsma seinen Lesern immer wieder einhämmert: Die Kultur der Renaissance hat sich selbst erledigt. Und er untermauert seine Erkenntnis, wenn es denn eine ist, mit einer Unzahl von Zitaten aus dem Gotha der damaligen Intellektuellen. Wenn also Bouwsma die Relativierung Europas durch Sitten und Gebräuche in anderen, neu entdeckten Ländern schildern möchte, dann zitiert er den Widerhall der Reiseberichte bei Montaigne und Bacon, Sarpi und Burton, Lipsius und Grotius. Und wenn er die Erschütterung des christlichen Zentrismus durch Fernrohr und Mikroskop erläutern will, dann kommen dieselben Herrschaften - vielleicht angereichert durch ein nettes Galileo-Zitat - erneut zu Wort. "Die Befreiung des Raums" nennt der Autor seine Einlassungen, wobei offenbleibt, wer hier von wem befreit wird: der Raum vom Menschen oder umgekehrt oder alle beide von jeglichem Sinn. Der Erkenntnisgewinn solch steriler Geistesgeschichte, zu der sich Bouwsma ausdrücklich bekennt, ist dürftig. Statt zu erfahren, wie sich die Intellektuellen über den grenzüberschreitenden Bücherverkehr gefreut haben, bekäme man lieber konkrete Nachrichten der Buchgeschichte über Verkehrswege, Alphabetisierung, Auflagen, Händler und Zensur geliefert. Aber das sind Wettermeldungen aus der Wirklichkeit, die diesen wasserscheuen Autor nicht interessieren. So erzählt Bouwsma beim immergleichen Orchestrieren seiner Denker zu verschiedenen Themen alles mögliche: Daß die Stellung der Frau vor 1600 wichtiger wurde; daß die katholische Religion ihre beherrschende Rolle einbüßte; daß die Religionskriege sowohl den Militärhaushalten als auch den Friedenskonferenzen Konjunktur bescherten.

Auf die ketzerische Idee, daß seine Grundidee für ein dickes kulturhistorisches Werk viel zu dünn sein könnte, ist Bouwsma nicht gekommen. Gab es um 1600 - außer gegenüber der edlen Naivität neoplatonischer Traktate der italienischen Hofkultur - denn einen Niedergang europäischer Selbstgewißheit? War denn das Jahrhundert danach von signifikanter Skepsis, Selbstzerfleischung und Unsicherheit geprägt, die es von der Zeit davor oder danach abhob? In Wahrheit haben doch die naturwissenschaftlichen Entdeckungen vom Sextanten bis zum Schießpulver - und deren Verfeinerung und Verbreitung - gerade zur weltweiten Vorherrschaft der europäischen Zivilisation geführt - einer Dominanz, die heute noch nicht zu Ende ist. Mögen chinesische Sitten bei Montaigne Stirnrunzeln über die französischen ausgelöst haben, mag Bacon den Papst als Witzfigur gesehen haben - das hat die kraftstrotzende Selbstgewißheit der Briten und Franzosen beim Erobern ihrer Kolonialreiche, bei innereuropäischen Nationalkriegen und der beispiellosen Kolonisierung der eigenen Territorien bis ins Hochgebirge nicht im geringsten behindert.

"Ein wahrgenommener Gegenstand muß nicht notwendigerweise auch existieren." Dieses Zitat des faszinierenden venezianischen Geistlichen, Papstkritikers und Staatsrechtlers Paolo Sarpi auf dem Buchrücken soll die galoppierende Ungewißheit in der frühbarocken Epoche illustrieren, schildert aber unfreiwillig das Dilemma dieser Art Geistesgeschichte: Wahrscheinlich existiert das Problem eines Herbstes der Renaissance nur im Bewußtsein von Historikern, die diesem von ihnen erschaffenen Begriff zuviel Bedeutung beimessen.

Huizinga dagegen war ein Historikerpoet mit sinnlichem Gespür; er wollte nichts beweisen, sondern nur die märchenhaft-fragile Welt der flämischen Malerschule, die ihn bei einer Ausstellung begeistert hatte, ins Wirkliche verlängern, wollte die elitäre, traumverlorene Kunstwelt der Hofgesellschaft schildern. Eine Erklärung für das Ende des Mittelalters wollte Huzinga nicht liefern, und zwar weil seiner Meinung nach Geschichte nichts erklären, sondern nur alles beschreiben kann. Weil Bouwsma es genau umgekehrt hält und zu allem Unglück die Kunst komplett außen vor läßt, beschränkt sich der Nutzwert seines Buches auf ein paar putzige Zitatfunde. Der portugiesische Reisende Fernão Mendes Pinto hielt etwa China für das reichste und fortschrittlichste Land der Erde, womit er, wenn es denn damals nicht ganz stimmte, immerhin im dritten Jahrtausend recht bekommen dürfte. Hübsch sind auch Aperçus wie die Entdeckung des Herzens in der Innerlichkeitstheologie, die Bouwsma mit den Forschungen zum Blutkreislauf zusammensieht.

Für ein mit - übrigens nicht mit Fußnoten nachgewiesenen - Zitaten und Fundstellen vollgepacktes Buch von dreihundert Seiten sind - neben dem Orgelton einer "Spannung zwischen den fundamentalen Bedürfnissen nach Freiheit und Ordnung" - solche Geistesblitze als Ertrag unglaublich mager. Zumal Bouwsma aus naheliegenden sprachlichen Gründen sein riesiges Terrain - wie auch alle anderen heutigen Forscher - überhaupt nicht überblicken kann und daher die beachtlichen Quellen spanischer, niederländischer und skandinavischer Autoren gegenüber seinen Spezialgebieten in Italien (vorzugsweise Venedig) und Britannien arg vernachlässigt. Nach diesem gesamteuropäischen Tiefdruckgebiet namens "Herbst der Renaissance" sehnt man sich als Leser nach einem Frühling der Mikrohistorie.

William J. Bouwsma: "Der Herbst der Renaissance 1550-1640". Aus dem Englischen von Andrea Stumpf und Burkhard Wolf. diaphanes Verlag, Berlin 2005. 312 S., Abb., br., 29,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Keinen großen Erkenntnisgewinn kann Rezensent Dirk Schümer aus William Bouwsmas Studie über das Ende der Renaissance ziehen, mag sich die Fragestellung noch so epochal geben. Die Erklärungen, die der Autor dafür gibt, dass sich die Renaissance nicht bruchlos fortentwickelte - die Kultur der Renaissance habe sich selbst erledigt -, kanzelt Schümer als "welthistorische Platitüden" ab. Er hält dem Autor vor, nicht auf die "ketzerische Idee" gekommen zu sein, dass seine Grundidee für ein dickes kulturhistorisches Werk viel zu dünn sein könnte. Überhaupt findet er das mit Zitaten und Fundstellen, die nicht einmal mit Fußnoten nachgewiesen werden, vollgestopfte Buch wenig ertragreich, zumal Bouwsma sein riesiges Terrain nicht überblicken könne und daher die Quellen spanischer, niederländischer und skandinavischer Autoren gegenüber den britischen und italienischen arg vernachlässige.

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