Marktplatzangebote
3 Angebote ab € 8,00 €
Produktdetails
  • Verlag: Schweikert
  • Seitenzahl: 1020
  • Abmessung: 220mm
  • Gewicht: 1274g
  • ISBN-13: 9783933696014
  • ISBN-10: 3933696011
  • Artikelnr.: 24614607
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Den Bibliographen beschreibt uns Karl-Markus Gauss als einen Menschen, der sich freut, "dass jede noch so kühne Forscherarbeit bei ihm beginnt und mit der Eintragung in seinem Verzeichnis endet". Einer der imposantesten Vertreter dieser Spezies nun hat das Buch herausgegeben, das der Rezensent über den grünen Klee lobt. Nicht nur die Fülle an Informationen (745 ungarische Autoren sind verzeichnet, 398 Abbildungen von Buchumschlägen erfreuen das Herz) und ihre übersichtliche Darbietung machen Gauss staunen, sondern vor allem die Geschichten hinter den mannigfaltigen Informationen des Bandes. So wird, meint Gauss, wer durch die Seiten dieser Bibliographie blättere, unter anderem gewahr, "wie verheerend die ungarische Kultur des zwanzigsten Jahrhunderts von Verfolgung, Emigration und Flucht bestimmt worden sei.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.03.2001

Der Bibliograph des Übersetzten
Werner Schweikerts Verzeichnis ungarischer Literatur auf deutsch

Die Tugend des Bibliographen ist Hingabe, sein Ehrgeiz strebt nach Vollständigkeit, doch die Leidenschaft, die ihn antreibt, heißt nicht Pedanterie, sondern Hochmut. Alle Bücher, die zu seinem Thema verfaßt wurden, möchte er entdecken, überprüfen und für die Ewigkeit in sein Verzeichnis aufnehmen. Ohne ihn gäbe es keinen wissenschaftlichen Fortschritt, weil jeder in seinem Fachgebiet wieder bei der Erfindung des Rades beginnen müßte. Das weiß der Bibliograph, der sich gerne bescheiden gibt, zuweilen hinter einer weltfremden Verschrobenheit verbirgt und sich doch sicher ist, daß jede noch so kühne Forscherarbeit bei ihm beginnt und mit der Eintragung in seinem Verzeichnis endet.

Unter den Bibliographen gibt es legendäre Gestalten, und eine der imposantesten ist gewiß der in Flein bei Heilbronn lebende Werner Schweikert. Seit früher Jugend ist dieser Mann, der sich seine Bibliomanie stets mit Arbeit in sogenannten Brotberufen finanzieren mußte, auf der Spur jener Bücher, die aus fremden Sprachen ins Deutsche übersetzt wurden. Viele Zehntausende Werke, die aus dem Norwegischen, Persischen oder Mongolischen ins Deutsche gebracht wurden, hat er zusammengetragen, und wer gerne wissen möchte, ob man kasachische Lyrik auf deutsch kennenlernen kann, der muß sich an ihn wenden. Dieser Büchermensch hat den Grundstock seiner Sammlung nur aufbauen können, weil er das Geld dafür als Installateur verdiente. 1968 verlor er, dessen Liebe den Büchern gilt und dessen Beruf das Reparieren von Leitungen war, sein erstes Archiv, als der Keller überflutet wurde. Daraufhin hat er sich beruflich verändert, eine bald florierende Firma für Kachelöfen und Luftheizungsbau gegründet und ein zweites, hochwassersicheres Archiv angelegt.

Jetzt hat er, als schönes Stück aus einer stetig wachsenden Bibliothek, die monumentale "Bibliographie der ungarischen Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts in deutscher Sprache" herausgegeben, ein staunenswertes Buch, das nicht nur durch die Fülle an Informationen besticht, die darin übersichtlich dargeboten wird, sondern auch mit 398 Abbildungen von Buchumschlägen und vielerlei Überraschungen erfreut, die sie selbst dem Kenner der Materie bietet. Von A wie Abaffy, László, bis Z wie Zsolt, Béla, sind es 745 ungarische Autoren, von denen Schweikert Bücher in deutscher Sprache ausfindig gemacht hat. Jener László Abaffy war ein ungarischer Emigrant, der als einfacher Arbeiter in Deutschland lebte und im Selbstverlag zwei Broschüren über den Dichter Attilla József herausgab; Béla Zsolt wiederum, vielleicht der angesehenste ungarische Publizist der Zwischenkriegszeit, 1949 an den Folgen der Internierung in verschiedenen Konzentrationslagern verstorben und in der volksdemokratischen Ära totgeschwiegen, ist im deutschen Sprachraum erst 1999 mit seinem erschütternden Bericht "Neun Koffer" bekannt geworden.

Zwischen Abaffy und Zsolt führt Schweikert berühmte, bekannte, nicht ganz unbekannte und völlig vergessene Autoren an. Mit den meisten Titeln präsent ist ein Philosoph, Georg Lukács, von dem das erste Buch, "Die Seele und die Formen", schon 1911 auf deutsch erschien; Lukács bringt es auf 104 Einzelbände, wobei bloße Neuauflagen gar nicht mitgerechnet sind. Ihm am nächsten kommt der Mythenforscher, Theologe und Kunsthistoriker Károly Kerényi, von dem immerhin sechzig verschiedene Titel auf deutsch erschienen. Dann folgen populäre Autoren wie der Dramatiker und Erzähler Ferenc Molnár, der Reiseautor und Humorist György Mikes oder der politische Publizist Arthur Koestler. Kerényi arbeitete und lebte zuletzt in der Schweiz, Molnár wanderte in die Vereinigten Staaten aus und starb 1953 in New York, Mikes flüchtete vor dem Faschismus nach England, kehrte in das kommunistisch gewordene Ungarn nicht zurück und starb 1987 in London; Arthur Koestler, in Budapest geboren, verließ seine Heimat früh, wechselte die Sprache und schrieb Bücher zuerst auf deutsch, später auf englisch. Wer durch Schweikerts Bibliographie blättert, wird gewahr, wie verheerend die ungarische Kultur des zwanzigsten Jahrhunderts von Verfolgung, Emigration, Flucht bestimmt wurde.

Auch Sándor Marai schrieb einen beträchtlichen Teil seines Werkes im Exil. Von ihm, der in den letzten Jahren wiederentdeckt wurde, weiß die Bibliographie den wenig bekannten Sachverhalt zu melden, daß er bereits in den dreißiger Jahren ins Deutsche übersetzt wurde, Romane und Schauspiele von ihm auch im nationalsozialistischen Deutschland verlegt wurden und nach 1945 etliche Bücher sogar in mehreren Auflagen und verschiedenen Lizenzausgaben erschienen (unter dem Titel "Die Kerzen brennen ab" auch sein 1999 zum Bestseller gewordener Roman "Die Glut").

Ab Seite 900 von Schweikerts Bibliographie folgen noch einmal hundert Seiten mit Registern, die wieder nicht bloß informativ sind, sondern ihre eigenen Geschichten erzählen, indem sie alle Umschlaggestalter, Herausgeber, Übersetzer, Verlage anführen, denen es schließlich auch zu verdanken ist, daß es ungarische Literatur auf deutsch zu lesen gibt.  

KARL-MARKUS GAUSS

Werner Schweikert: "Bibliographie der ungarischen Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts in deutscher Sprache". Verlag Werner Schweikert, Flein bei Heilbronn 2000. 1019 S., geb., 118,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr