Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 19,60 €
  • Gebundenes Buch

Wenn von der Ostfront die Rede ist, lässt das gewöhnlich an Begriffe, Bilder und Namen denken, die sich auf den Zweiten Weltkrieg beziehen. Vergessen wird häufig, dass auch der Erste Weltkrieg im Osten geführt wurde. Weite Teile der heutigen baltischen Staaten, Weißrusslands und der Ukraine sind schon damals von deutschen Soldaten besetzt worden, und die militärischen Erfolge prägten einen Blick auf diese Länder und ihre Bewohner, der nach Kriegsende in besonderem Maße die Entstehung und Akzeptanz weitreichender Eroberungs- und Siedlungspläne begünstigte. Der vorliegenden Band beginnt mit…mehr

Produktbeschreibung
Wenn von der Ostfront die Rede ist, lässt das gewöhnlich an Begriffe, Bilder und Namen denken, die sich auf den Zweiten Weltkrieg beziehen. Vergessen wird häufig, dass auch der Erste Weltkrieg im Osten geführt wurde. Weite Teile der heutigen baltischen Staaten, Weißrusslands und der Ukraine sind schon damals von deutschen Soldaten besetzt worden, und die militärischen Erfolge prägten einen Blick auf diese Länder und ihre Bewohner, der nach Kriegsende in besonderem Maße die Entstehung und Akzeptanz weitreichender Eroberungs- und Siedlungspläne begünstigte.
Der vorliegenden Band beginnt mit einer Beschreibung der Eindrücke und Gefühle, die der erste Kontakt mit dem Osten für das Gros der deutschen Soldaten hervorrief. Das abweisende Klima, die Vielzahl und Verschiedenartigkeit der einheimischen Völker und deren überall konstatierte Rückständigkeit hatten einen doppelten Effekt, der während des Krieges in unterschiedlicher Intensität präsent bleiben sollte: Zum einen wurde die Krie gführung den geänderten Umständen angepasst, denn einem angeblich regellos kämpfenden Feind gegenüber sah man sich selbst nicht mehr an die Kriegsregeln gebunden. Zum andern - und darauf legt Vejas Liulevicius in seiner Darstellung das Hauptgewicht - wurde mit dem Krieg eine Kulturmission verbunden, die den Menschen in den besetzten Gebieten die Überlegenheit deutscher Ordnung, Disziplin und Arbeit demonstrieren sollte. Den äußeren Rahmen dieser Mission und zugleich ein Garant für ihren Erfolg sollte ein Militärstaat nach den Vorstellungen Ludendorffs sein, ein Staat der totalen Erfassung und Kontrolle seiner Bewohner, in dem das als bedrohlich empfundene Fremde durch infrastrukturelle Maßnahmen und Kulturprogramme gemildert und zugleich beherrschbar gemacht werden sollte.
Das Projekt scheiterte. Wie der Autor an vielen Beispielen zeigt, stärkten die deutschen Bemühungen zur Festigung ihrer Dominanz lediglich den Widerstand im Besatzungsgebiet und förderten dort den Prozess der natürlichen Identitätsfindung. Entscheidend aber war, dass gut sechs Monate nach dem Sieg an der Ostfront der Krieg im Westen verloren ging. Damit wurde auch der Friedensvertrag von Brest-Litowsk, Symbol für die deutsche Herrschaft über riesige Teile des Ostens, hinfällig.
Die Idee einer Ausweitung des deutschen Machtbereichs nach Osten blieb indes lebendig. Ihr sichtbarstes Zeichen war das von offiziellen Stellen halb geduldete, halb geförderte Wüten der Freikorps im Baltikum, in dem sich wie unter einem Brennglas die mythisch und mystisch aufgeladene Wahrnehmung des Ostens äußerte. Es markierte den deutlich sichtbaren Anfang eines Radikalisierungsprozesses, in dessen Verlauf aus einem ursprünglich ethnologisch-folkloristischen Interesse ein pseudo-wissenschaftliches Konzept von Raum und Rasse wurde. Was als angeblich historisch begründbare Kulturmission begonnen hatte, machte nun Vorstellungen von einem "Ostland" Platz, für dessen Bevölkerung nurmehr ein Helotendasein unter germani scher Herrschaft vorgesehen war.
Autorenporträt
Vejas Gabriel Liulevicius wurde 1966 in Chicago geboren. Er war 1991/92 DAAD-Stipendiat und erhielt 1994 seinen Ph. D. von der University of Pennsylvania. Gegenwärtig ist er Associate Professor für Geschichte an der University of Tennessee. Zur Zeit untersucht Vejas Gabriel Liulevicius im Rahmen einer unfangreichen Studie positive und negative deutsche Stereotypen von Osteuropa und den osteuropäischen Völkern im Zeitraum 1800 bis 2000 sowie die Evolution von Konzepten einer deutschen Kulturmission im Osten.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Für Volker Ullrich leistet die Untersuchung von Vejas Liulevicius über die deutsche Militärverwaltung an der Ostfront 1915-1918 einen wichtigen Beitrag zu einem noch bemerkenswert unbekannten Kapitel des Ersten Weltkriegs. Gestützt auf einer breiten Quellenbasis beschreibe die Studie die Praxis deutscher Besatzungspolitik in Teilen Polens und dem Baltikum. Die Arbeit untersuche aufschlussreich das Verhältnis und die gegenseitige Wahrnehmung von Besatzern und einheimischer Bevölkerung und unterstreiche die "verhängnisvollen langfristigen Folgen dieser Kolonialpolitik". Insbesondere Stereotype über den unterentwickelten Osten stellten, so Ullrich, das "verborgene Vermächtnis" für die nationalsozialistische Politik nach 1933 dar. So unterstreiche die Studie überzeugend die Kontinuität zwischen der Besatzungspolitik deutscher Militärs im Ersten Weltkrieg und Hitlers späterer "Lebensraum"-Politik. Verdienstvoll sei die Studie nicht zuletzt, weil sie diese Kontinuität zwischen Kaiserreich und "Drittem Reich" hervorhebt, "die deutsche Historiker in den letzten Jahren zunehmend aus dem Auge verloren haben" (Ullrich).

© Perlentaucher Medien GmbH