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Hundert Milliarden Zellen, die sich langsam, aber lebenslänglich erneuern, bilden die zwei Quadratmeter grosse, zehn Kilogramm schwere, mit hundertzwanzig Schweißdrüsen und fünfzehn Talgdrüsen pro Quadratzentimeter bestückte und durch zweihundertvierzig Kilometer feinste Blutgefäße versorgte Hülle unseres Körpers. Dieses größte aller Organe ist ein Grenz- und zugleich Kontaktorgan zur Umwelt, die es nicht immer gut mit ihm meint. Die Haut ist Spiegel der Seele, der Gefühle, von Freud und Leid. Ihre Beschaffenheit wird geprägt von vermeidbaren oder von schicksalhaften äußeren und inneren…mehr

Produktbeschreibung
Hundert Milliarden Zellen, die sich langsam, aber lebenslänglich erneuern, bilden die zwei Quadratmeter grosse, zehn Kilogramm schwere, mit hundertzwanzig Schweißdrüsen und fünfzehn Talgdrüsen pro Quadratzentimeter bestückte und durch zweihundertvierzig Kilometer feinste Blutgefäße versorgte Hülle unseres Körpers. Dieses größte aller Organe ist ein Grenz- und zugleich Kontaktorgan zur Umwelt, die es nicht immer gut mit ihm meint. Die Haut ist Spiegel der Seele, der Gefühle, von Freud und Leid. Ihre Beschaffenheit wird geprägt von vermeidbaren oder von schicksalhaften äußeren und inneren Einflüssen. Sonne, Wind und Kälte hinterlassen Spuren ebenso wie das natürliche Altern oder wie Krankheiten innerer Organe, die sich an der Haut zeigen können.Vor dem Hintergrund der geschichtlichen Entwicklung der Dermatologie zeichnen die Autoren von 'Die Haut, in der wir leben' in spannenden Beiträgen, neben interessanten Phänomenen, Krankheitsbildern und Anekdoten, das Leistungsspektrum moderner diagnostischer und therapeutischer Methoden.Faszinierende Nahaufnahmen der Haut in diversen Lebensaltern und unterschiedlichen Lokalisationen erzählen bildhaft, was unsere Haut Tag für Tag leistet, damit wir uns in ihr wohlfühlen können.
Autorenporträt
Prof. Dr. Dr. h. c. Günter Burg, 1941, ist ehemaliger Direktor der Hautklinik am UniversitätsSpital Zürich. Neben der allgemeinen Dermatologie sind Tumoren der Haut Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Arbeit. Zur Diagnostik und Therapie hat er mit seinem Team Wesentliches beigetragen.Dr. Michael L. Geiges, 1964, ist Arzt an der Dermatologischen Klinik des UniversitätsSpitals Zürich, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Medizinhistorischen Institut und Museum der Universität Zürich und seit 1999 Konservator des Moulagenmuseums des UniversitätsSpitals und der Universität Zürich.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.09.2001

Ausschlag ist ein Design
„Die Haut, in der wir leben” – ein Band zu einem immer noch wenig beachteten menschlichen Organ
Gottfried Benn wusste, wie man Warzen los wird: mit Salpetersäure oder mit eindringlichen Worten: „Ein Anruf, und die Warzen fallen ab”, überlegt Rönne, Benns Alter ego, „also Warzen, pathologisch festumrissene Gebilde hundertfach mikroskopisch untersucht, verschwinden auf Zureden ... Ganz offenbar ist der Mensch etwas völlig anderes .. ., als meine Wissenschaft es mich lehrte, nichts so Herabgesetztes, nichts so Dickflüssiges, nichts dessen Kadaver man mit Gasschläuchen und Gummidrains bearbeiten müßte, um es zu heilen und sein Wesen zu erspähen.”
In Benns Praxis für Haut- und Geschlechtskrankheiten waren Warzen zweifellos ebenso häufige wie harmlose Beschwerden. Er konnte noch ganz andre Lieder singen von Gürtelrose, Melanomen, von Tripper und von Syphilis, von Krätze und Psoriasis. Treibt die kranke Haut auch wundersame Blüten, bleibt ein Trost: „Unter Nudisten ist Ausschlag keine Krankheit, sondern ein Design.” (Roberto Benigni)
Betroffenen schwillt freilich leicht der Kamm, wird ihr Leiden als bloß psychosomatisch oder dekorativ verspottet, doch so destruktiv, wie wir mit unserer Haut umgehen, kann Spott nicht schaden. Wir wissen offenbar immer noch zu wenig über unser größtes und schönstes Organ, schätzen es viel zu gering, und vielen (zumal männlichen Wesen) wird es erst zu spät bewusst. Denn bis sie sich wehrt und ausschlägt, leidet unsere äußere Hülle lange Zeit klaglos unter Wasch-, Wetter- und Wirkstoff-Einflüssen, die Günter Burg treffend als „skin terror” klassifiziert. Sein drastisch-komischer Beitrag ist ein Glanzpunkt des Buches „Die Haut, in der wir leben. Zu Markte getragen und zur Schau gestellt”, das er zusammen mit Michael L. Geiges geschrieben hat.
Gegen Küssen, Sperma, Latex
Bunt wie die Palette unserer Pelle ist die Themenauswahl der beiden Zürcher Dermatologen, und bunt sind die nahezu 200 Abbildungen von der Haut in allen Lebensaltern, gesund oder krank. In kurzen Beiträgen liest man Kurioses über die Geschichte der Dermatologie, über Behandlungsarten und Verhaltensmaßregeln aus alter und neuer Zeit, beispielsweise für Pestkranke im 14. Jahrhundert. Sie sollten die fünf „f” meiden: fatigua, fames, fructus, femina, flatus (Ermüdung, Hunger, Früchte, Beischlaf, Blähungen).
Wären die Regeln für Allergiker doch ebenso einfach! Sie treiben stattdessen oft hilflos in der „Allergäis” (wie Brunello Wüthrich formuliert), um Linderung ihrer Überempfindlichkeit zu finden gegen Campari (Conchillin), gegen Wildseiden-Decken (Allergene eines Insekts), gegen Aquarien (vor allem das Futter: pulverisierte Tubifex, rote Mückenlarven und Daphnien) oder gar gegen Küssen, Sperma, Latex.
Ob Dr. Benito Mussolini (h.c., Universität Lausanne, 1937) so eine Gummi-Allergie hatte, steht nicht fest. Mit Verhüterli hätte er jedenfalls seine Tripper-Behandlung im Jahre 1903, der ebenfalls ein Abschnitt gewidmet ist, sicher vermieden.
Dass hier wie in vielen anderen Beiträgen die Schweiz oder die Züricher Dermatologie über Gebühr im Mittelpunkt des Interesses steht, kann als Vorteil gelten, weil dort seit fast 170 Jahren auf höchstem Niveau geforscht und behandelt wird. Schon 1833 hatte in Zürich der gebürtige Bamberger Johann Lucas Schönlein (1793–1864) zum ersten Mal eine mikrobiologische Ursache für eine menschliche Krankheit entdeckt: den Pilz Achorion schoenleinii, der Porrigo lupinosa, den Kopfgrind, auslöste. Und noch heute gilt Zürich als eine der besten Adressen für Diagnostik und Therapie von Hautkrebs.
Sogar ein Cabinet des Dr. Geiges gibt es dort, eine Sammlung mit 1800 Moulagen. Diese täuschend echt wirkenden Wachsmodelle von Körperteilen mit krankhaften Haut-Veränderungen dienten – vor Erfindung der Farbfotografie – der Ausbildung und Dokumentation. Viel stärker als Madame Tussauds Wachsfiguren in London wecken diese Moulagen selbst als Abbildung im Buch Faszination, Grauen und ästhetischer Empfindung.
Natürlich geht dieses Buch mit seiner Fülle von Beiträgen zu Krankheiten, Therapien, Geschichten uns unter die Epidermis; hauptsächlich aber weckt und verstärkt es den Respekt vor dieser einmalig vielgestaltigen, gewöhnlich unsichtbaren Landschaft, die zu erforschen der Mensch nicht müde wird.
Wer den Blick enorm erweitern und an der „Oberfläche die Tiefe” (Hofmannsthal) finden will, dem sei zur Ergänzung Claudia Benthiens kulturwissenschaftliches Haut-Buch wärmstens empfohlen (Haut. Literaturgeschichte – Körperbilder – Grenzdiskurse. Rowohlt Verlag, Reinbek 2000, 320 Seiten, Abbildungen, 24,90 Mark)
ROLF-BERNHARD ESSIG
GÜNTER BURG, MICHAEL L. GEIGES: Die Haut, in der wir leben. Zu Markte getragen und zur Schau gestellt. R & R Sachbuchverlag. 270 Seiten, Abbildungen, 34,80 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Die Autoren des Bandes sind zwei Züricher Dermatologen, die Palette der Beiträge zum Thema Haut ist, so Rolf-Bernhard Essig, so breit wie bunt. Es gibt Kurioses, Historisches, Fachliches. Am besten gefallen hat dem Rezensenten ein Beitrag von Günter Burg, der sich mit dem "skin terror" befasst, den Belastungen also, denen wir unsere Haut tagtäglich aussetzen (müssen). Was Burg dazu schreibt, findet Essig "drastisch-komisch". Aber auch über die anderen Texte verliert er kein kritisches Wort, als Ergebnis hält er fest: dass wir unserer Haut nach der Lektüre mehr Respekt entgegenbringen werden, "dieser einmalig vielgestaltigen, gewöhnlich unsichtbaren Landschaft".

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