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Jean Veneuse geht im Bordeaux der 1920er Jahre an Bord eines Passagierdampfers nach Afrika, wo ihn eine Stelle als Kolonialbeamter im Tschad erwartet. Der junge Mann reist schweren Herzens, verfolgt von der Erinnerung an die Frau, die ihn liebt und vor der er doch flieht: Denn Andrée Marielle ist weiß und er Schwarz. Unentwegt auf seine Hautfarbe zurückgeworfen und von den Verheerungen des Rassismus zerfressen, läuft Jean Gefahr, alles zu zerstören: seine Karriere, sein Leben und seine Liebe. Denn um zu lieben, müsste er sich selbst annehmen können. In seinem persönlichsten Roman geht der…mehr

Produktbeschreibung
Jean Veneuse geht im Bordeaux der 1920er Jahre an Bord eines Passagierdampfers nach Afrika, wo ihn eine Stelle als Kolonialbeamter im Tschad erwartet. Der junge Mann reist schweren Herzens, verfolgt von der Erinnerung an die Frau, die ihn liebt und vor der er doch flieht: Denn Andrée Marielle ist weiß und er Schwarz. Unentwegt auf seine Hautfarbe zurückgeworfen und von den Verheerungen des Rassismus zerfressen, läuft Jean Gefahr, alles zu zerstören: seine Karriere, sein Leben und seine Liebe. Denn um zu lieben, müsste er sich selbst annehmen können. In seinem persönlichsten Roman geht der preisgekrönte französische Autor René Maran von einem blinden Fleck im Denken aus: dem des umgekehrten Rassismus, bei dem der erduldete Hass in Selbsthass umschlägt. Die Geschichte umspannt zwei Kontinente, verbindet Abenteuererzählung mit Introspektion, erkundet die Verwüstungen des Kolonialismus ebenso wie die Blindheit des Herzens und löst Schockwellen aus, die Wege zur Emanzipation öffnen.
Autorenporträt
1887 auf Martinique geboren, aufgewachsen in Bordeaux, revolutionierte René Maran die literarische Landschaft seiner Zeit, in dem er seinen Romanen Schwarze Protagonisten gab. 1921 gewann er als erster Schriftsteller schwarzer Hautfarbe für "Batouala" den Prix Goncourt. Von den Begründer:innen der Negritude als Vorleufer betrachtet, reklamierte er diese jedoch nicht für sich selbst. "Ein Mann wie jeder andere" gilt als bedeutenstder Roman Marans und lag dem Autor besonders am Herzen. Er starb 1960 in Paris.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.10.2023

Grenzen der Liebe
René Marans Roman "Ein Mensch wie jeder andere"

Von Melanie Mühl

Von Melanie Mühl

Was nützt die Liebe in Gedanken? Viel? Wenig? Oder gar nichts? Jean Veneuse, der Protagonist in René Marans Roman "Ein Mensch wie jeder andere", liebt Andrée, und Andrée liebt Jean. Dies allein wäre noch keine Geschichte, jedenfalls keine, die es sich unbedingt zu lesen lohnte. Aber Marans Roman spielt in den Zwanzigerjahren, und Jean ist schwarz, ein "Neger", wie er selbst sagt, der nicht das Recht habe, seiner Rasse zu entfliehen. Und Andrée? Die junge Pariserin ist eine Weiße. Was beide neben der Liebe zueinander verbindet, ist ihre Bildung, ihre Belesenheit, ihre geschliffenen Umgangsformen. Jean aber, der Erzähler dieser Geschichte, ist derart von Selbstverachtung zerfleischt, dass er das Feuer seines Herzens löschen möchte. Er, der Kolonialbeamte, reist also von Liebesweh zerrüttet an Bord der Europe in den Tschad, wo er eine neue Stelle antreten soll. Und wo er zu vergessen hofft.

René Maran wurde 1887 auf Martinique geboren, er studierte Jura in Bordeaux, arbeitete wie sein Vater für die französische Kolonialverwaltung und verbrachte einige Zeit in Französisch-Äquatorialafrika. Er kannte also die koloniale Entmenschlichungsmaschinerie aus eigener Anschauung. Als erster Schriftsteller schwarzer Hautfarbe wurde Maran für seinen Roman "Batouala" 1921 mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet. "Batouala", ein antikolonialistisches Werk, löste einen Skandal aus, und Maran verlor seinen Posten in der Kolonialverwaltung. Dabei betrachtete der Autor selbst "Batouala" als sein schlechtestes Buch, und es deprimierte ihn zeitlebens, dass ausgerechnet diese im afrikanischen Busch spielende Geschichte sein restliches Werk überstrahlte.

"Ein Mensch wie jeder andere" erschien 1947 und liegt nun erstmals in deutscher Übersetzung vor - spät, aber zu unserem Glück! Und just in jenem Moment, da sich die politische Situation zwischen Frankreich und seinen ehemaligen Kolonien weiter zuspitzt. "Nieder mit Frankreich!" und "Frankreich, hau ab!" skandierten junge Demonstranten in Burkina Faso, Mali, Niger, Senegal oder der Elfenbeinküste. Die gefühlten Fesseln der einstigen und von einigen noch immer als übermächtig empfundenen Herrscher sollen endlich durchtrennt werden.

Doch zurück zu Jean Veneuse, der auf dem Schiff in die afrikanische Ferne zufällig einen alten Freund wiedertrifft: Pierre Coulonges, einen weißen Kolonialbeamten, der in Begleitung seiner Frau reist und angesichts des unverhofften Wiedersehens mit Veneuse ganz aus dem Häuschen ist. Schulterklopfen, Jubel, vermeintliche Ehrerbietung. Veneuse, sagt der alte Freund einmal, du bist ein Phänomen: "Wer hat denn eine Vorstellung davon, was es bedeutet, ein Neger zu sein? Das allein ist schon etwas Besonderes in einer Zeit, in der die Weißen in alle Teile der Welt hineindrängen. Aber ein Neger, der Kolonialbeamter ist und obendrein noch so gebildet, das ist erstaunlich, umwerfend, wunderbar!" An anderer Stelle heißt es: "Im Übrigen sind Sie gar kein richtiger Schwarzer. Weder von Ihrer Hautfarbe her noch was Ihre Intelligenz oder Bildung angeht. Eigentlich sind Sie einer von uns."

Maran entlarvt in Szenen wie diesen die tief sitzenden Vorurteile und den Rassismus selbst jener Schiffsreisenden, die man heute wohl als woke bezeichnen würde und die sich selbst aufgrund ihrer vermeintlichen Fortschrittlichkeit unentwegt auf die eigene Schulter klopfen. Auch Clarisse, die Jean Veneuse beinahe in Stalkermanier bedrängt und schließlich verführt, verkörpert eine vergiftete Zuneigung. Denn als Veneuse ihre Hoffnungen auf eine gemeinsame Zukunft zunichtemacht, nennt sie ihn einen "dreckigen Neger". Es ist nur folgerichtig, dass Jeans Liebeskummer bei seinen Mitreisenden auf Unverständnis stößt. In den Augen der Weißen, unter denen sich eben selbst die größten Empathiker nicht einmal annähernd vorstellen können, wie es ist, schwarz zu sein, bedarf es zum Liebesglück nur ein bisschen Mut. Als wäre Veneuse ein Hasenfuß.

Maran schickt seinen unglücklichen Protagonisten auf eine Art psychotherapeutische Überfahrt. Es sind Wochen des Zauderns, der Selbstgeißelung und Selbstbefragung. Und ganz nebenbei zeigt Maran sein großes poetisches Können in der Beschreibung der afrikanischen Landschaft. Es sind zauberhafte Bilder, die nachhallen. Zu den schönsten und bittersten Passagen dieses Romans gehören die zwischen Jean und seiner Andrée geschriebenen Briefe, in denen die Verzweiflung des innerlich Zerrissenen auf die sanften, beschwörenden Zeilen der Angebeteten treffen. Was nützt die Liebe in Gedanken? Im Falle von Jean und Andrée ungemein viel.

René Maran: "Ein Mensch wie jeder andere". Roman.

Aus dem Französischen von Claudia Marquardt. Nachwort von Mohamed Mbougar Sarr. Elster & Salis, Zürich 2023. 208 S., geb., 25,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension

Ein "ungeheuer mutiges" Buch ist dieser Roman von René Maran, der bereits 1947 erschien, versichert Rezensent Marko Martin. Er erzählt von der Liebe eines schwarzen Mannes, Jean, zu einer weißen Frau, Andrée. Weil die französische Gesellschaft der Vierzigerjahre das nicht zulässt, flüchtet Jean, der Kolonialbeamter ist, vor dem Liebeskummer in den Tschad, resümiert Martin. Dort fühlt er sich allerdings in seiner Position als "schwarzer Repräsentant" einer weißen Kolonialmacht fremd und zwiegespalten, so der Rezensent, der begeistert ist von Marans kunstvollen Landschaftsbeschreibungen und den "luzid-präzisen" Selbstbeobachtungen des Protagonisten. In seiner reflektierten und vielschichtigen Verhandlung des Themas Rassismus ist der Text zudem hochaktuell, schließt der Kritiker.

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