Produktdetails
  • Verlag: Luftschacht
  • Seitenzahl: 109
  • Erscheinungstermin: 13. Oktober 2010
  • Deutsch
  • Abmessung: 210mm
  • Gewicht: 220g
  • ISBN-13: 9783902373526
  • ISBN-10: 3902373520
  • Artikelnr.: 28041746
Autorenporträt
Bjarte Breiteig, 1974 in Kristiansand/Norwegen; lebt in Oslo. Studierte nach einem abgebrochenen Physikstudium Literatur in Trondheim, an der Skrivekunstakademiet und an der Universität von Bergen. Für seine Erzählungen wurden ihm zahlreiche nationale Preise verliehen. Auf Norwegisch sind bisher erschienen: Fantomsmerter (1998), Surrogater (2000), Folk har begynt å banke på (2006).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Den dritten Band mit Erzählungen des Norwegers Bjarte Breiteig liest Peter Urban-Halle mit wachsendem Unbehagen und einigermaßen orientierungslos. Aber so sind diese Texte, das ist ihr Dreh, so soll es sein. Urban-Halle erklärt sich die kalkulierte Unsicherheit, die die Texte vermitteln, mit der Vorstellung von einer grundsätzlichen Krankheit als Voraussetzung menschlichen Seins, die den Autor umtreibe. Dass die Texte den Leser derart in der Luft hängen lassen und sprachlich spröde zurückweisen, lässt den Rezensenten zwischen den Zeilen lesen, wie bei Carver. Und das wieder ist doch ein Gewinn.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.10.2010

Bei Anruf Sinnkrise
Bjarte Breiteigs grundlos abgründige Geschichten

Bjarte Breiteig, 1974 in Kristiansand an der Südküste Norwegens geboren, debütierte im jungen Alter von vierundzwanzig Jahren, mittlerweile legte er seinen dritten Band mit Erzählungen vor. Sie sind selbstbewusst, aber nicht eitel, ehrlich, aber nicht indiskret. Sein erstes Buch hieß "Phantomschmerzen", zwei Jahre später, 2000, dann sein zweites Buch: "Surrogate" - knapper geht's nicht. Die Titel zeigen schon, wie wortkarg er die Welt beschreibt und wovon diese Welt bestimmt ist, nämlich von eingebildeten Gefühlen und von Ersatzstoffen; das Scheinbare, Unechte, Simulierte beherrscht die Wirklichkeit.

Auch die jungen Leute in seinem neuen Erzählband "Von nun an" bilden sich ihre Gefühle ein oder sind sich ihrer Gefühle nicht sicher. Ein junger Mann trifft im Zug einen ehemaligen Klassenkameraden, den er aber nicht erkennt und der plötzlich verschwunden ist. Ein Pärchen reist in einen englischen Badeort, das Mädchen geht zum Kiosk runter, da ruft ein Fremder an, der sie gut zu kennen scheint, aber auflegt. Ein todkranker Mann hat ein religiöses Erweckungserlebnis, was den Abgrund zwischen ihm und seiner eher skeptischen Frau nur noch tiefer macht. Und in der Geschichte "Jørgen" taucht ein Jørgen gar nicht auf.

Was ist hier los? War der angebliche Klassenkamerad überhaupt im Zug? Hat der Fremde tatsächlich angerufen? Und ist dieser Jørgen jener Abwesende, der offenbar Selbstmord begangen hat? Solche Rätsel durchziehen alle sieben Texte des Bandes. Breiteigs ernste Kurzgeschichten handeln von der Isoliertheit der Menschen, ihrer Distanz zu andern und zu sich selbst. Und von der Krankheit, aber nicht als Metapher für eine kranke Gesellschaft, das wäre zu schlicht, sondern es ist eine grundsätzliche Krankheit, sie ist quasi eine Grundvoraussetzung menschlichen Seins.

Breiteig erzählt in seinem spröden, realistischen Ton von der Sinnlosigkeit, der Bodenlosigkeit, der ganzen Unerklärbarkeit des Lebens. Unsicherheit und Unbehagen nehmen von Satz zu Satz zu, denn nichts wird erklärt, man weiß nicht, was die Figuren antreibt, sie haben nichts, woran sie sich festhalten können, keinen Menschen und keine Idee. Mehrmals wird der Glaube genannt, aber auch er scheint nicht der Fels zu sein, auf den diese Figuren dauerhaft bauen könnten.

Die Übersetzung lässt sich vollkommen auf das Original ein - stellenweise ist sie ihm sogar etwas zu nah. Kein Wunder, der Übersetzer Bernhard Strobel ist selbst Autor. Im Jahr 2007 erschien "Sackgasse", jetzt folgte "Nichts, nichts". Er schreibt in einem ganz verwandten karg-realistischen Ton, mit Leerstellen, Aussparungen und Ellipsen. Dieser minimalistische Stil ist natürlich nicht typisch norwegisch, eher schon international, zumindest muss Raymond Carver genannt werden, als bekanntester Vertreter dieser Literatur, deren eigentliche Dramen zwischen den Zeilen stattfinden - obwohl Breiteigs großes Vorbild der norwegische Altmeister der Lakonik, der achtzigjährige Kjell Askildsen sein dürfte. Auch Nossack könnte einem einfallen mit seinem Wort "Wer spricht denn von Heimkehr? Ich spreche von Scheitern".

PETER URBAN-HALLE

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