Produktdetails
  • Verlag: Jung und Jung
  • Seitenzahl: 187
  • Deutsch
  • Abmessung: 19mm x 122mm x 192mm
  • Gewicht: 258g
  • ISBN-13: 9783902144126
  • ISBN-10: 3902144122
  • Artikelnr.: 09795888
Autorenporträt
Xaver Bayer, geb. 1977 in Wien, wo er auch lebt. Studium der Philosophie und Germanistik, erhielt 2002 das Hermann-Lenz-Stipendium, 2008 den Hermann-Lenz-Preis.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.02.2004

An der grauen Donau
Xaver Bayer schwelgt in Monotonie und Unerheblichkeit
„Wien, nur Wien, du kennst mich up, kennst mich down” – dieses Zitat des unglaublichen und einzigen österreichischen Popstars von Weltwirkung, Falco, ist dem Roman „Heute könnte ein glücklicher Tag sein” des 1977 in Wien geborenen und nach wie vor dort ansässigen Xaver Bayer vorangestellt. Bayers jungen Helden aber kennt Wien vor allem down. Seine Tage verlaufen gleichartig, gelangweilt, allein, werden kaum aufgelockert von abendlichen Besäufnissen und dem Gekokse, das er mit Leuten betreibt, die ihn eigentlich nerven. Was ihn eigentlich interessiert, weiß er nicht. Er beklagt seine eigene Ziellosigkeit, aber danach passiert nichts.
Unter den Zwischentiteln „Spätsommer/Herbst”, „Winter”, „Frühjahr” und „Sommer” berichtet der erzählende Held in Abschnitten, die kaum je länger als fünf Seiten sind, von seinen täglichen Verrichtungen, beginnend mit Sätzen wie: „Ein weiterer Tag, an dem ich nichts zu tun habe.” Meistens steht er auf, trinkt in der Küche Wasser und weiß dann nicht, was er mit dem Tag anfangen soll. Vielleicht geht er zur Universität, vielleicht auch nicht. Alles, was er anfängt, beginnt ihn bald zu nerven. Der Alltag gefällt sich in seiner Monotonie und Unerheblichkeit. Die Abweichungen vom Alltag bestätigen ihre eigene Nutzlosigkeit. Als der Held mit einer Freundin für ein paar Tage nach Amsterdam fährt, passiert weniger als zu Hause, und als beide im Flugzeug zurück nach Wien sitzen, sind sie sich einig darüber, dass sie „nichts dagegen hätten, wenn die Maschine abstürzen würde”.
Zu anarchischen Ausbrüchen reicht es nicht. Es sind oft die bildungsbürgerlichen Momente, die dem Helden Kicks verschaffen. Eine Gedichtzeile von Lichtenstein wirkt auf ihn recht stark. Ein Besuch im Konzentrationslager Mauthausen enthebt ihn gar für ganze Tage seinen Depressionen, nachdem er Schuld gefühlt hat. Popsongs sind auch gut, aber sie dauern zu kurz.
Offenbar geht es dem Helden darum, seine Empfindsamkeit nicht sterben zu lassen, und Schmerz ist dabei willkommen. Das gezielte Aufsuchen des Tragischen folgt dem Wunsch, der eigenen diffusen Niedergeschlagenheit einen Sinn zu geben. Vielleicht ist der Held auch deshalb manchmal betroffen, damit sein Ekel nicht so arrogant wirkt. Die empfindsamen Momente funktionieren dann als Coolnessblocker. Die Freiheit, die in diesen Momenten aufscheint, ist die Freiheit von Ironie.
Was bleibt, ist Wien. Und Wien ist grau. Ganz, ganz grau. Hunde, die sich in Rolltreppen jaulend die Pfoten einquetschen und die Welt der Alkoholiker bilden die Hintergrundkulisse dieses Molochromanversuchs. Ästhetisch gesehen gibt es allerdings einige Lichtblicke. Während die Dialoge weniger gelungen sind, findet sich manches treffende Bild, das der Held bei seinen Streifzügen durch die Stadt aufliest. Ansonsten ist das Buch, was es sein will: fad. Der protokollierte Weltverdruss kann als soziologisches Anschauungsmaterial gelesen werden, für einen Roman ist er alleine ein bisschen wenig.
KAI MARTIN WIEGANDT
XAVER BAYER: Heute könnte ein glücklicher Tag sein. Roman. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2003. 188 Seiten, 7,50 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Dieses Buch mag als "soziologisches Anschauungsmaterial" von Interesse sein, meint Kai Martin Wiegandt, doch als Roman reicht es ihm nicht. Es geht um einen in Wien lebenden Ich-Erzähler, der die "Monotonie und Unerheblichkeit" seines Alltags beschreibt und sich seinem Weltschmerz ergibt, fasst der Rezensent das handlungsarme Buch zusammen. Dabei liest es sich so, wie "es sein will", meint Wiegandt, nämlich "fad". Er bemängelt die Dialoge als "weniger gelungen", lobt aber immerhin "so manches treffende Bild", dass der Erzähler bei seinen Wanderungen durch das graue Wien findet. Alles in allem aber handelt es sich um einen "Molochromanversuch", der nicht zufrieden stellt, bemerkt der Rezensent unbeeindruckt.

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