Produktdetails
  • Verlag: Jung und Jung
  • Seitenzahl: 200
  • Abmessung: 20mm x 122mm x 190mm
  • Gewicht: 272g
  • ISBN-13: 9783902144041
  • ISBN-10: 3902144041
  • Artikelnr.: 08547788
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.11.2001

Das Haus dreht sich um den Apfel
Winkelglück: Peter Waterhouse erkundet das Land der Regression

Im Jahr 1689 brach der Dichter Basho zu einer Reise in den Norden Japans auf, die ihren Niederschlag in dem Buch "Auf Pfaden durch das Hinterland" fand. Beschreibungen wechseln mit Haiku-Gedichten, und auch noch in der Übersetzung schimmert die durchwanderte Landschaft in momentanen Details, als zeige sich alles gerade zum erstenmal. Menschen, Dinge, Tempel, Bäume, Wörter, Berge, Wetter - alles ist gleich gegenwärtig im Bild der literarisch perspektivierten Landschaft.

Peter Waterhouse hat in seinen 1996 erschienenen Essays "Von der Geheimnislosigkeit" auf Bashos geglückten "Nachweis der Zartheit einer Landschaft" verwiesen und daraus seine eigene Poetik der Kopräsenz aller Dinge und Wörter in einer Textlandschaft entwickelt: Wörter spiegeln sich in Wörtern und Dingen, Dinge in Dingen und Namen. Der Dichter wacht über diesen steten Transformationsprozeß, in den er bloß katalytisch als Übersetzer eingreift. Mit "Prosperos Land" liegt nun der Versuch vor, dieses Programm poetisch einzulösen. Fünf Reisen durch das adriatisch-österreichische Hinterland von Kärnten, Friaul und Slowenien werden in Sequenzen von zwei- und dreizeiligen Gedichten gefaßt, deren Gesamtheit den Grundton der jeweiligen Landschaft wiederzugeben sucht.

Dies gelingt überraschend gut, sofern man sich dem langsamen Duktus des weiträumigen Druckbildes anpaßt. Dann hört man etwa, was sich in folgendem Dorf-Stilleben versteckt: "Fahrräder / gelehnt an den Bahnhof - / so, ohne Explosion, beginnt die Welt." Es ist das Staunen über den möglichen Frieden, das im Leser wie im Autor angesichts des belanglosen Winkels aufgeht, nicht mehr, nicht weniger.

Mit ähnlich beiläufiger Kunst stellt Waterhouse die komplexe Reziprozität von Wahrnehmung dar: "Ich schaue hinüber / der Berg / ist wieder da." Die Verknüpfung des Adverbs "wieder" mit einem zeitlos-unverrückbaren Objekt verlegt die Subjektivität in den Berg und macht so die projektive Kraft des wandelbaren Beobachters in einer verbalen Geste sichtbar. Ganz ähnlich wirkt der folgende Dreizeiler: "Der Apfel dreht sich / es ist ihm schwindlig / und dem Bach und den Wiesen." Die Syntax erzeugt genau jenen Effekt, den der Satz beschreibt, die Durchsichtigkeit des Verfahrens trägt noch zum Zauber bei.

An die sprachliche Grenze der Kunst führt indes folgender Satz: "Hab wollen werden / behutsam und / bin Mensch." Das ist eine ganze Anthropologie in einem Satz, formuliert als persönliche Reminiszenz, doch die künstliche Kindersprache gibt jenen regressiven Zug zu erkennen, der große Teile des Textes ungenießbar macht. Die Poetik des Alles-ist-alles ist leider nicht gefeit gegen Entgleisungen. "Und das / Haus dreht sich um den Apfel / und Atmosphäre ist da" wirkt ebenso phrasenhaft wie "Dorfname / dahinter Name Gottes". Keine sprachliche Form deckt das Behauptete, das wirkungslos bleibt wie die Zauberformel im Mund eines Kindes oder im Mund eines Kind spielenden Erwachsenen.

Sowohl Shakespeares Prospero als auch Basho oder Guillevics knappe Evokationen der Bretagne meiden gerade diese Selbstblendung: Ihre Sprachmagie vergißt nie die Reflexion. Dennoch seien die verbleibenden Dreiviertel von "Prosperos Land" empfohlen, weil das Mißglückte auch Indiz des Risikos ist, sich den Dingen wie den Lesern rückhaltlos preiszugeben. Bisweilen muß man dann eben "die Sprache verlernen, um das Gedicht zu hören". Drum nicht gesäumt: "Hinauf / in die / Tauern-Türkei!"

THOMAS POISS

Peter Waterhouse: "Prosperos Land". Jung und Jung Verlag, Salzburg 2001. 204 S., geb., 39,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Das Programm, als dessen Umsetzung der Gedichtband zu begreifen ist, hat Waterhouse in einem Essayband von 1996 über den japanischen Dichter Basho verfasst, nämlich, so der Rezensent Thomas Poiss, das der "Kopräsenz aller Dinge und Wörter in einer Textlandschaft". Der Dichter versteht sich dabei nur als "Übersetzer" und Katalysator, der die Landschaften Text werden lässt. Einzelne Beispiele geht Poiss durch, bei denen ihm das durchaus gelungen scheint, von "beiläufiger Kunst" ist die Rede, jedoch: beträchtliche Teile des Textes findet er dann ziemlich "ungenießbar", es zeige sich da ein "regressiver Zug", eine "Poetik des Alles-ist-alles", die der Autor sprachlich nicht mehr einholen kann. Ganz abraten vom Buch will Poiss dennoch überhaupt nicht, da er noch das Missratene "als Indiz des Risikos" zu begreifen versteht.

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