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Produktdetails
  • Kritische Schriften in Einzelausgaben
  • Verlag: VDG Verlag im Jonas Verlag
  • Seitenzahl: 279
  • Abmessung: 205mm
  • Gewicht: 340g
  • ISBN-13: 9783897394360
  • ISBN-10: 3897394367
  • Artikelnr.: 12673598
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Endlich kann man die Texte des Literaturtheoretikers und Dichters Hermann Bahr wieder richtig lesen, freut sich Rezensent Helmuth Kiesel über diese zuverlässige und hilfreich erweiterte Neuausgabe. Die letzte Anthologie mit den wichtigsten theoretischen und kritischen Schriften Bahrs ist Kiesels Informationen zufolge 1968 erschienen und seit langem vergriffen. Bahr zu lesen, findet der Rezensent noch immer überaus lohnend, da er sich stets in großer Nähe zu den "behandelten Gegenständen" befunden habe, sprich Dichtern wie dem jungen Rilke oder den neuesten Tendenzen seiner Zeit zu deren folgenreichster die beginnende Moderne zählte. Die große Dichte der detail- und zitatenreichen Beschreibungen und Charakterisierungen sorgen auch siebzig Jahre nach dem Tod des Autors beim Rezensenten noch immer für erheblichen Lesegenuss. Auch hat Bahr aus der Sicht des Rezensenten einiges "so richtig gesehen und so treffend benannt", dass die Namen und Formeln, die er geprägt habe, späteren Literaturhistorikern das Verständnis der Lirteratur jener Zeit erheblich erleichterte.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.03.2005

Namenloses, glänzend benannt
Endlich kann man Hermann Bahr wieder richtig lesen

Der Dichter und Literaturtheoretiker Hermann Bahr (1863 bis 1934) gehört zu den Autoren, die viel zitiert, aber wenig gelesen werden. Für beides gibt es Gründe. Zum einen: Nach eigenem Bekunden war Bahr ein "gieriger Horcher nach den Trieben der gegenwärtigen und nach den Zeichen der zukünftigen Kultur". Vorzugsweise lauschte er in den Metropolen der beginnenden Moderne: in Wien, wo er ab 1881 Altphilologie studierte; in Berlin, wo er von 1884 bis 1887 neben Literatur und Geschichte auch Nationalökonomie studierte und wo er mit den jungen deutschen Naturalisten ins Gespräch kam; in Paris, wo er sich 1888/89 aufhielt und sich für das nach-naturalistische Schaffen von Bourget und Maeterlinck begeisterte; dann in Wien, wo er sich 1891 niederließ und gewissermaßen zum Schriftführer des "Jungen Wien" wurde. Und überall schnappte Bahr die "Merkworte" der je neuesten Tendenzen auf oder stiftete sie, wenn er sie nicht vorfand, selbst.

Der junge Rilke, der Bahr nicht gerade mochte, sagte 1898 in seinem Vortrag "Moderne Lyrik" über ihn: "Er ist nur eine Art Widerhall der jungen Wiener. (. . .) Er weiß gar nicht viel von ihrer Kunst, aber für manches Unausgesprochene, Namenlose darin erfindet er einen glatten glänzenden Namen und schleudert den mit ,schöner Güte' in die staunende Menge." Wieviel Bahr von der Kunst seiner Zeit tatsächlich verstand, sei dahingestellt; Dichter beurteilen das verständlicherweise meist anders als Theoretiker und Kritiker. Einiges hat er jedenfalls richtig gesehen und so treffend benannt, daß die Namen und Formeln, die er prägte, Zeitgenossen und späteren Literaturhistorikern die Augen öffneten und ihnen die Verständigung über die Literatur jener Zeit wesentlich erleichterte. Zu Recht stellt der Herausgeber der hier anzuzeigenden Bände fest: Für die verschiedenen "Bewegungen einer europäischen ,Stilkunst um 1900' bilden Bahrs Aufzeichnungen ein kulturhistorisches Archiv ersten Ranges".

Zum andern: Dieses erstrangige Archiv war in den letzten Dekaden nicht eben leicht zugänglich. Die Originalausgaben der berühmten und wegweisenden Essaysammlungen "Die Überwindung des Naturalismus" (1891) und "Zur Kritik der Moderne" (1891) sind Raritäten, die auch in größeren und gut bestückten Bibliotheken selten zu finden sind. Eine letzte Anthologie der wichtigsten theoretischen und kritischen Schriften erschien 1968 und ist seit langer Zeit vergriffen. Aber mit dem Wegfall des Urheberrechts siebzig Jahre nach Bahrs Tod ist es möglich, sein Werk wieder präsent zu machen, und die beiden obengenannten Bände liegen nun in einer eleganten, zuverlässigen und hilfreich erweiterten Ausgabe vor: Die Texte sind neu gesetzt, doch ist die originale Seitenzählung mitgeführt. Offensichtliche Druckfehler sind korrigiert, aber in einer Liste registriert. Fremdsprachige Zitate sind im Anhang übersetzt, im Anhang findet sich ein Namensregister.

Nun kann man Bahr also nicht mehr nur aus zweiter Hand zitieren, sondern wieder richtig lesen. Aber lohnt sich das auch? Jawohl, es lohnt sich! Und zwar nicht nur wegen der "glänzenden" Namen, die Bahr den noch kaum manifesten literarischen Bestrebungen seiner Zeit zu geben vermochte, sondern auch wegen der großen Nähe zu den verhandelten Gegenständen und wegen der großen Dichte der detail- und zitatenreichen Beschreibungen und Charakterisierungen. Bahr war nicht nur ein Meister der Beobachtung; er war auch ein Meister der Profilierung und Pointierung. Und er schrieb einen Stil, der weder etwas Biedermeierliches noch etwas Pedantisches hat, sondern ganz und gar modern wirkt und von federnder Dynamik ist, den Leser anspricht und nicht nur bei Interesse, sondern auch bei Laune hält.

HELMUTH KIESEL.

Hermann Bahr: "Zur Kritik der Moderne"; "Die Überwindung des Naturalismus". Kritische Schriften in Einzelausgaben, Bd. 1 und 2. Hrsg. von Claus Pias. Verlag und Datenbank für Geisteswissenschaften, Weimar 2004. 300 und 279 S., br., je Band 26,- [Euro].

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