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In seinen "Tierischen Geschichten" steckt Midas Dekkers die gute alte Fabel in ein neues Kleid. Mit viel Hintersinn und wenig Respekt, mit fundiertem Fachwissen und rabenschwarzer Ironie erbaut und amüsiert er uns - erzählt uns Dinge von Tieren und Menschen, die wir bei Brehm und Grzimek vergeblich suchen würden.

Produktbeschreibung
In seinen "Tierischen Geschichten" steckt Midas Dekkers die gute alte Fabel in ein neues Kleid. Mit viel Hintersinn und wenig Respekt, mit fundiertem Fachwissen und rabenschwarzer Ironie erbaut und amüsiert er uns - erzählt uns Dinge von Tieren und Menschen, die wir bei Brehm und Grzimek vergeblich suchen würden.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.04.2002

Lieber Kater Arie
Midas Dekkers erzählt
von Mensch und Tier
Genüsslich macht sich das Katzentier auf der Zeitung breit. Der Länge nach ausgestreckt, das Blatt fest im Griff, lugt es über die Schulter zum Leser hin. Was bleibt einem rücksichtsvollen Zeitgenossen da anderes übrig, als mit der Lektüre noch ein Weilchen zu warten.
Diese Szene, von Lucia Obi mit zarten Strichen festgehalten, ist dem Autor wohlvertraut. Sein Kater Arie zeigte eine Vorliebe für Gedrucktes: „Eine Katze kann von Natur aus lesen, und das auch noch auf sehr bewundernswerte Weise. Die Katze liest nämlich mit dem Hinterteil. Will sie eine Zeitung lesen, setzt sie sich einfach mit dem Hintern drauf. Bei Büchern genauso. Nur Taschenbücher mag mein Arie nicht so gern, weil er da immer wieder runterrutscht. Aber sobald eine Zeitung auf dem Tisch liegt, breitet er neugierig seinen dicken Hintern darauf aus und legt den Schwanz quer über den Rest der Zeitung. Ich muss dann warten, bis er sich für einen Moment erhebt, damit ich für ihn umblättern kann.”
Auf der Kriechspur
Für Katzen hegt Midas Dekkers besondere Sympathie. Mit Hunden kann sich der niederländische Biologe nicht so sehr anfreunden, mit kleinen Krabbeltieren noch weniger, und schleimiges Getier ist ihm vollends ein Graus. Mitunter ist das schade. Denn dadurch entgeht dem Leser manch originelles Detail: Man mag Weinbergschnecken unappetitlich finden und ihr Liebesleben erst recht – bemerkenswert ist doch, wie diese Weichtiere die Allegorie des bogenbewehrten Amor in die Praxis umsetzen. Paarungslustige Weinbergschnecken schießen mit wohlgeformten Pfeilen aus Kalk. An der Pfeilspitze haftet eine chemische Substanz, die das getroffene Tier für die Spermagaben des Schützen empfänglich macht. Und da Weinbergschnecken Zwitter sind, beschießen die Partner einander gegenseitig. Davon abgesehen – ist es nicht faszinierend, wenngleich für den Gärtner frustrierend, wie mühelos Schnecken jedes Hindernis überwinden, um an die zartesten Pflänzchen zu gelangen? Auf der Kriechspur zu bleiben kann offensichtlich eine Erfolg versprechende Strategie sein.
Wenn der Autor doch einmal biologische Fakten ausbreitet, nimmt er es nicht immer so genau. Mit „Eibenbeeren” wird man sich zum Beispiel schwerlich vergiften. Denn die roten Becher, in denen die Eibensamen sitzen, sind das Einzige an diesem Nadelbaum, was man ungestraft verzehren kann. Süßlich fade und klebrig bieten sie allerdings keinen sonderlichen Genuss.
An anderer Stelle heißt es über die Pelikane: „Es gab sie schon vor hundertfünfzig Millionen Jahren, und das sieht man ihnen auch an.” Ihr Körperbau mag archaisch anmuten. Doch als der Urvogel Archaeopteryx am Ufer des Jurameeres umherflatterte, schwamm gewiss noch kein Pelikan auf den Wellen. Molekulargenetische Analysen deuten sogar darauf hin, dass Pelikane alles andere als „primitiv” sind. Anscheinend stammen sie von denselben Urahnen ab wie Ibis und Schuhschnabel, haben dann aber mit den Traditionen ihrer langbeinigen Verwandtschaft gebrochen und sich aufs Schwimmen und Tauchen verlegt.
Vielleicht sollte man über solche Kleinigkeiten einfach hinwegsehen. Schließlich geht es hier weniger um naturkundliche Belehrungen als um die nicht selten skurrilen Beziehungen zwischen Mensch und Tier, mitsamt ihren Nebenwirkungen auf zwischenmenschlicher Ebene. Ob Gnu oder Kuh, Silberfischchen oder Prozessionsspinner – während der Autor eine vielgestaltige Menagerie aufmarschieren lässt, hat er stets seinesgleichen im Blick. Sich selbst beobachtet er nicht weniger amüsiert als seine Mitmenschen.
Mit spitzer Feder nimmt er die Biologen-Zunft ebenso aufs Korn wie Tier- und Naturfreunde jeder Couleur, befasst sich mit gutem Essen und schlechtem Geschmack und zuweilen auch mit dem, was die Verdauung übrig lässt. Dabei zeigt er ein sicheres Gespür für die komischen Aspekte des Alltäglichen und überrascht immer wieder mit fantasievollen Assoziationen. Seinen eigenwilligen Humor ins Deutsche hinüberzuretten ist der Übersetzerin zweifelsohne gelungen.
Unter Brennnesseln
Oft herrlich respektlos, bringt der Autor seine Gedanken ohne Umschweife auf den Punkt. Ob man seine Ansichten über Gott und die Welt jeweils teilen mag, steht freilich auf einem anderen Blatt. So pfiffig und unterhaltsam seine 98 Geschichten daherkommen, es wird wohl nicht jede jedermann zusagen. Katzenfreunde treffen jedoch auf eine verwandte Seele. Obwohl der Autor seinem schnörkellosen Stil stets treu bleibt, wird er bisweilen geradezu poetisch, wenn es um seine schnurrenden Lieblinge geht. So etwa in seinem Plädoyer für Brennnesseln im Garten: „Das hübscheste Brennnesselbüschel wächst auf dem Grab meiner Katze. Der Stickstoffgehalt der Erde ist dort besonders hoch. Brennnesseln mögen so was. Sie wachsen dort noch schneller als die Raupen, die sich zweimal im Jahr zu Schmetterlingen entpuppen. Auf zarten Flügeln flattert dann der Geist meiner Katze in den Himmel hinauf. Voller Bewunderung betrachte ich die Brennnesseln in meinem Garten. Sie haben meine Katze fliegen gelehrt.”
DIEMUT KLÄRNER
MIDAS DEKKERS: Das Gnu und du. Tierische Geschichten. Mit fünf Zeichnungen von Lucia Obi. Aus dem Niederländischen von Ira Wilhelm. Blessing Verlag, München 2002. 287 Seiten, 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Mit großen Vergnügen hat Rezensentin Diemut Klärner die achtundneunzig "pfiffigen und unterhaltsamen" Geschichten des niederländischen Biologen Midas Dekkers über die oft skurrilen Beziehungen zwischen Mensch und Tier gelesen. Gnu, Katze, Kuh, Silberfisch und Prozessionsspinner haben darin ebenso ihren mehr oder weniger glanzvollen Auftritt wie Biologen, Tier- und Naturfreunde. Dass es der Autor, wenn er biologische Fakten ausbreitet, nicht immer ganz genau nimmt, verzeiht ihm Klärner gerne. Etwas schade findet sie nur, dass Dekkers nicht für alle Tiere soviel Sympathie aufbringt wie für seine heißgeliebten Katzen - Hunde, Krabbeltiere und schleimiges Getier haben bei ihm eher schlechte Karten. So bleiben dem Leser interessante Details über das Sexualleben der Weinbergschnecken vorenthalten, bedauert die Rezensentin. Umso größer ist Klärners Freude über Dekkers "spitze Feder", sein Gespür für die "komischen Aspekte des Alltäglichen", seine überraschenden "fantasievollen Assoziationen" und die respektlose Art, mit der er seine Gedanken auf den Punkt bringt. Ein dickes Lob bekommt dabei auch die Übersetzerin Ira Wilhelm, der es nach Ansicht der Rezensentin "zweifellos" gelungen ist, Dekkers "eigenwilligen Humor" ins Deutsche "hinüberzuretten".

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