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Heute haben die über Fünfzigjährigen Konjunktur. Frauen wie Hannelore Elsner, Senta Berger, Christiane Hörbiger oder Iris Berben sind beim Fernsehen gefragt wie nie zuvor. Und bei den Herren trug man ja schon immer stolz das Etikett des Mannes "im besten Alter". Die Münchner Fotografin Hilde Zemann hat Prominente aus Film, Theater und Literatur über einen Zeitraum von vielen Jahren hinweg porträtiert und dabei spannende und teilweise überraschende Entwicklungen aufgezeigt. Im Vergleich von jungen und reifen Porträts zeigt sich, dass es mit den Jahren nicht nur Verluste gibt, sondern dass ein…mehr

Produktbeschreibung
Heute haben die über Fünfzigjährigen Konjunktur. Frauen wie Hannelore Elsner, Senta Berger, Christiane Hörbiger oder Iris Berben sind beim Fernsehen gefragt wie nie zuvor. Und bei den Herren trug man ja schon immer stolz das Etikett des Mannes "im besten Alter".
Die Münchner Fotografin Hilde Zemann hat Prominente aus Film, Theater und Literatur über einen Zeitraum von vielen Jahren hinweg porträtiert und dabei spannende und teilweise überraschende Entwicklungen aufgezeigt. Im Vergleich von jungen und reifen Porträts zeigt sich, dass es mit den Jahren nicht nur Verluste gibt, sondern dass ein Gesicht durchaus auch gewinnt.
Die Lebensspuren in den Gesichtern erzählen allesamt interessante Geschichten.
Das Buch erscheint als Begleitband zu Ausstellungen im Literaturhaus München, im Literaturhaus Hamburg und im Theatermuseum Hannover.
Autorenporträt
Hilde Zemann wurde in Mährisch-Ostrau geboren. Nach dem Abitur und ihrer Fotoausbildung wurde sie 1946 nach Deutschland ausgewiesen. In Heidelberg eröffnete sie ein Atelier für Porträt- und Theaterfotografie. Seit sie erstmals 1954 ihre Fotos auf der Photokina präsentierte, folgten viele weitere Ausstellungen in Deutschland, aber auch in Italien, der Schweiz und Frankreich. Bei Otto Steinert besuchte sie 1960 einen Lehrgang der Werkkunstschule. Seit 1962 lebt sie in München. Ihre Arbeiten sind in verschiedenen Monografien und Sammelbänden veröffentlicht.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.03.2001

Furcht vor Furchen
Welchen Spiegel hätten Sie denn gern? - Hilde Zemanns Einst- und Jetzt-Schauspieler / Von Dieter Bartetzko

Weshalb notieren so viele Zeitungen hinter dem Namen Prominenter deren Alter? Und warum nimmt man, insbesondere bei Schauspielern, Notiz davon? Der Jugendfetischismus unserer Tage hat diesen Voyeurismus, der sich als Sachlichkeit tarnt, selbstverständlich gemacht. Älter als er, so alt wie Homers Erzählung vom verjüngten Odysseus, ist das Machtgefühl, die oder den dabei ertappt zu haben, daß sie oder er auch schon dieses oder jenes Lebensjahrzehnt erreicht hat.

Für viele Darsteller ist die öffentliche Altersangabe eine Folter, denn die Furcht des Schauspielers vor sichtbaren Lebenslinien ist seine zweite Natur. Sie trat mit dem theatralischen Wirklichkeitsbegriff des achtzehnten Jahrhunderts auf die Bühne, der darstellende und dargestellte Person identisch sieht und nur junge Heroinen und Heroen kennt. Das Aufkommen des Films, der die unauffälligste Falte in den Gesichtern seiner Protagonisten aufspürt, verschärfte die Situation. So wurde die Tragödie alternder Schauspieler, die nicht altern wollen, ein Topos der Klatschspalten und der Kunst. Ungeschminkt - was nicht heißen muß: ohne Make-up - treten Schauspieler nicht vor die Linse. Sie sind angewiesen auf die Gnade der Kameras, müssen deren Zudringlichkeit überlisten, um ihrem Selbstbild und dem Bild, das die Öffentlichkeit von ihnen hat, gerecht zu werden.

Deshalb wird eine fromme Lüge prolongiert, wenn der Werbetext für Hilde Zemanns "Lebenslinien" Schauspielerinnen wie Hannelore Elsner, Christiane Hörbiger und Senta Berger zu Kronzeuginnen eines gewandelten allgemeinen Verständnisses vom Altern aufruft. Wenn es heißt, sie würden in ihrem sechsten Lebensjahrzehnt als so begehrenswert wie einst wahrgenommen, wenn Mario Adorf, Michael Degen oder Manfred Zapatka mit jeder Furche ein Mehr an Anziehungskraft zugeschrieben wird, so ist das die halbe Wahrheit. Denn die Bewunderung des Publikums gilt der Kunst und der Erscheinung, was immer auch heißt: dem Wettlauf mit der Zeit.

Die Frage "wie lange noch" steht für das Publikum hinter jeder Rolle dieser zeitlos Erfolgreichen. Sie ist eine selbstbezügliche: Gefesselt von Schauspielern, weil sie Fremde vorstellen, die sind, wie wir nie sein könnten oder wollten, beginnen wir zu vergleichen. "Was wäre, wenn?" - das Gedankenspiel gleitet über in die Identifikation. So schaut man im alternden Schauspieler auch auf eigene Lebenslinien, vorweggenommene oder gespiegelte. Sybil Gräfin Schönfeldt hat dies in ihrem Vorwort indirekt beschrieben: "Ein Blick in den Spiegel - und da ist es wieder: Ich sehe mein altes junges und ewiges Ich. Es legt sich über das, was mir der Spiegel zeigt."

Hilde Zemanns Fotografien eröffnen im Vergleich von Jugend- und Altersbildnis beide von der Autorin beschriebenen Möglichkeiten - zu sehen, was man will, oder zu sehen, was ist. Bei Rosemarie Fendel zum Beispiel, die erst als elfenhafte schmalgesichtige Person mit Riesenaugen präsentiert wird, so, wie sie in Johannes Schaafs "Trotta" in Klimt-Kostümen faszinierte, und einen dann, ein Lächeln, ein Lächeln zwischen Entsagungstrotz, Wehmut, Würde und Selbstironie, als ältere Dame anschaut. "Schlimm wird es nur, wenn man sich sträubt", kommentiert sie. "Leider gibt es keine Alternative", bekennt in schöner Offenheit Michael Troger, heute ein Mannsbild mit Runengesicht und Kurzhaarschnitt, dem man Ibsen und Strindberg, Psychiater oder Banker glaubt, und der einst ein Ephebe war mit Goldlocken und offenem Lächeln. Nur die Augen sind gleich geblieben, neugierig und scheu.

Bei den meisten Porträtierten hat der Blick überdauert, leuchten die Augen auf den frühen und den heutigen Fotografien mit derselben Intensität. In den Mündern, den Stirnfurchen und verwischten Konturen glaubt man Furcht hinter Lächeln zu erkennen, Resignation im Ernst, Enttäuschung, Anstrengung. Erst wenn, wie bei der heute neunzigjährigen Ruth Hausmeister, die Jahre endgültig keine Rolle mehr spielen, öffnet sich ein Gesicht vorbehaltlos. So möchte man einmal werden, sagt man sich und liest gleich darauf mit leisem Schrecken Margarethe von Trottas lakonischen Satz: "Alter, das wird ein einsames Geschäft." "Diese Männer und Frauen sind durchgestoßen zu sich selbst", schließt Gräfin Schönfeldt. Sie möchte es so. Wir aber sehen großartige Schauspieler, die, unter Einsatz der Person, Porträt spielen. Sie und Hilde Zemann fingieren Würde und Reife, nehmen, nach eine Wort Siegfried Kracauers "die Wirklichkeit in Dienst", um ein Wirklichkeitsideal vorzuspiegeln. Die "wirkliche Wirklichkeit" dagegen blitzt zuweilen in den Kommentaren auf, mit denen die Schauspieler ihre Bildnisse unterschrieben haben. Bloße Charaktere, reine Wirklichkeit, frei von Verstellung, möchten wir in den wenigen Fotografien von Schriftstellerinnen und Schriftstellern erkennen, die mit ihren vordergründig so gelassenen Gesichtern den Schauspielern beigesellt sind. Aber Literaten haben auch die festeren Rollenvorgaben.

Hilde Zemann: "Lebenslinien - Gesichter durch die Zeit". Mit einem Vorwort von Sybil Gräfin Schönfeldt. Knesebeck Verlag, München 2001. 160 S., 132 Abb., geb., 78,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die Fotografien von Hilde Zemann eröffnen ihrem Betrachter zwei Möglichkeiten der Ansicht, denkt Dieter Bartetzko: "Zu sehen, was man will, oder zu sehen, was ist." Eine fromme Lüge formuliere dagegen der Werbetext zum Fotoband, in dem behauptet werde, Schauspielerinnen und Schauspieler jenseits ihres 60. Lebensjahres seien Kronzeugen eines veränderten Verständnisses von Alter und somit gleichermaßen begehrenswert wie in jungen Jahren, kritisiert der Rezensent. Dass man sie so positiv wahrnehme, liege vielmehr an der Bewunderung für ihre ausgeübte Kunst, nicht für ihr faltenreiches Gesicht, meint Bartetzko. Dennoch hält er die Porträts für großartig, weil er sie so sehen will. Die Fotografin und ihre Objekte fingierten Würde und Reife, wenn auch, schränkt der Rezensent ein, hier lediglich ein Wirklichkeitsideal vorgespiegelt werde.

© Perlentaucher Medien GmbH