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Fünfziger Jahre. Mitten im Aufbruch der frühen Bundesrepublik wächst der junge Erzähler heran. Voller Neugier und kindlicher Unvoreingenommenheit durchstreift er sein Revier: den heimischen Garten, das mit abstrakten Bildern gefüllte Atelier des Vaters und den Foto- und Radioladen der Mutter und des Onkels. Dabei entdeckt er auf seine ganz eigene Weise die Welt: Mit dem Bilder-Brockhaus bringt er sich das Klavierspielen bei, findet heraus, daß andere Leute Halma sogar alleine spielen mögen, und wofür eine Lupe sonst noch zu gebrauchen ist. Doch überall lauern auch die Spuren einer tabuisierten…mehr

Produktbeschreibung
Fünfziger Jahre. Mitten im Aufbruch der frühen Bundesrepublik wächst der junge Erzähler heran. Voller Neugier und kindlicher Unvoreingenommenheit durchstreift er sein Revier: den heimischen Garten, das mit abstrakten Bildern gefüllte Atelier des Vaters und den Foto- und Radioladen der Mutter und des Onkels. Dabei entdeckt er auf seine ganz eigene Weise die Welt: Mit dem Bilder-Brockhaus bringt er sich das Klavierspielen bei, findet heraus, daß andere Leute Halma sogar alleine spielen mögen, und wofür eine Lupe sonst noch zu gebrauchen ist. Doch überall lauern auch die Spuren einer tabuisierten Vergangenheit, über die wenig gesprochen wird, die aber viel existenter ist, als es scheint.'Und dann habe ich mal einen Locher ausgegraben.''Ist ja toll. ein Locher in einem Loch!''. und im letzten Sommer eine Bombe. Da drüben, neben dem Apfelbaum!'Mit Humor und großer Beobachtungsgabe erzählt Reinhard Kaiser in »Kindskopf« von den Erlebnissen eines Heranwachsenden und läßt so Stück für Stück ein amüsantes und exemplarisches Bild der Zeit nach dem Krieg entstehen.
Autorenporträt
Kaiser, ReinhardReinhard Kaiser wurde 1950 in Viersen am Niederrhein geboren und lebt heute in Frankfurt am Main. Sein Werk wurde vielfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Niederrheinischen Literaturpreis der Stadt Krefeld (2003). Für sein Buch »Königskinder« erhielt er 1997 den Deutschen Jugendliteraturpreis, für »Dies Kind soll leben« den Geschwister-Scholl-Preis (2000).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.05.2007

Hamster und Handgranate
Aufwachsen in den Fünfzigern: Reinhard Kaisers „Kindskopf”
Nachdem die Versuche der Generation Golf, durch die Beschwörung von Produkt- und Markennamen aus der Jugendzeit sich selbst historisch zu werden, wohl fürs Erste ihren Zweck erfüllt haben, geht es nun wieder ein Stück zurück. Die fünfziger Jahre nämlich sind noch lange nicht zu Ende erzählt, und respektabel ist die Riege derer, die damals Kinder waren und heute als erfolgreiche Schriftsteller unter uns leben. Zu ihnen gehört Reinhard Kaiser, 1950 in Viersen am Niederrhein geboren und in einem ebenso anregenden wie idyllischen Umfeld aufgewachsen: Der Vater war Maler, die Mutter, als Fotografin ausgebildet, führte gemeinsam mit ihrem Bruder ein ererbtes Foto- und Radiogeschäft.
Man spielte Klavier, man führte ein geselliges Haus, das Familienleben verlief offenbar harmonisch, und für das tägliche Brot war gesorgt. Aus einer solchen Kindheit erzählt es sich gut, auch wenn es nichts Spektakuläres zu berichten gibt. Und damit die Welt im bildungsbürgerlichen Nachkriegs-Viersen nicht gar zu heil erscheint, kommen auch die Schatten nicht zu kurz, die eine damals noch sehr gegenwärtige, doch hartnäckig totgeschwiegene Vergangenheit auf den Alltag warf: Trümmer, Schutt und Scherben liegen unter dem Gartenhumus, und gelegentlich findet man beim Buddeln eine Bombe.
Mumps und abstrakte Malerei
Natürlich ist es hübsch, aus einer Zeit, in der es viel Not und Elend gab – vom reaktionären Fünfziger-Mief gar nicht zu reden –, einmal etwas richtig Positives zu hören und zu lesen. Das beginnt schon mit der rührend akribischen Buchführung der Künstlereltern über Wachstum und Fortschritte ihres Sprösslings, in einem Heft aus Genfer Fabrikation, das eigentlich für Kriegserinnerungen gedacht war: Jede Lebensäußerung des Knaben in den ersten zehn Jahren seines Erdendaseins ist einem an ihn gerichteten Endlos-Brief verzeichnet. Und dabei waren diese Eltern nicht nur gefühlvoll, sondern auch fortschrittlich: Entschieden schlugen sie sich beispielsweise auf die Seite der abstrakten Malerei, die in der Ära von Nierentisch und Tütenlampe noch als mittleres Skandalon galt. Kein Wunder, dass der Sohn sich gern an das „Gefühl empörter Einmütigkeit” erinnert, das die Familie gegenüber Spießbürgern und ihren ignoranten Kommentaren empfand. Wer so aufwächst, aus dem muss einmal etwas werden. Der kleine Reinhard und sein jüngerer Bruder werden, als sie Mumps haben, ins Atelier des Vaters geschoben und können sich in aller Ruhe ein Bild davon machen, was Kunst ist. Zwischen den Requisiten des Fotoladens, für den der Vater auch mal einen Firmenstempel entwirft, lernen sie, dass Kunst an das Leben grenzt und sich zuweilen in den Alltag begibt. Bei derart günstigen Voraussetzungen für die ästhetische Erziehung erstaunt freilich das Bekenntnis des Erzählers, er habe sich bis zu seinem vierzehnten oder fünfzehnten Lebensjahr, also bis in die Mitte der sechziger Jahre, ahnungslos von einem Kriegsbilderbuch faszinieren lassen, das den Titel „Mit Hitler im Westen” trug. Aber Memoiren schließen immer auch eine Art Beichte ein, und so erfahren wir außerdem, dass der kleine Kaiser kaltblütig Ameisen und Regenwürmer mit einer Lupe versengte, religiösen Verwirrungen anheimfiel und, trotz früher eifriger Betätigung der Klaviertasten, noch als Erstklässler den Unterschied zwischen Buchstaben- und Notenschrift nicht kannte.
Über den literarischen Ertrag derartiger Retrospektiven, die zwar charmant sind, doch in den Grenzen des Persönlichen bleiben, lässt sich streiten. Ihr unbezweifelbarer Wert liegt allerdings im Dokumentarischen, im Festhalten von Randphänomenen einer Epoche und in den Rückschlüssen, die ein geschichtsbewusster Autor daraus zu ziehen vermag. So führten die „lexiko-magischen Höhenflüge”, die er als Kind mit dem „Bilderbrockhaus” erlebte, Kaiser später zu der Entdeckung, dass es kurzzeitig eine bereinigte, radikal entnazifizierte Nachkriegsauflage des Nachschlagewerks gab, die durch das Verbannen gewisser Wörter auch die unguten Dinge, die sie bezeichneten, aus der Welt zu schaffen suchte: „Oktaven ersetzten Organisationen. Ein Hamster verdrängte die Handgranate. Die HJ fiel einer ausführlicheren Definition von ,Hitzschlag’ zum Opfer.” Schon wegen dieser so amüsanten wie erhellenden Episode lohnt es sich, das Büchlein zu lesen. Und wegen des wunderbaren Viersener Foto-Radio-Ladens, der die Jahrzehnte des großen Aufräumens wohl nur in Kaisers Beschreibung überlebt haben dürfte. KRISTINA MAIDT-ZINKE
REINHARD KAISER: Kindskopf. Verlag Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2007. 160 Seiten, 17,90 Euro.
Als Bücher wie „Mit Hitler im Westen” außer Kurs gerieten: Viersen am Niederrhein im Februar 1945. Foto: Ullstein-LEONE
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Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Solche rundherum idyllischen Kindheitserinnerungen an die fünfziger Jahre hat Rezensentin Kristina Maidt-Zinke noch selten zu Gesicht bekommen. Sehr "charmant" sei dies, meint sie und fragt zugleich nach dem literarischen "Ertrag". Mit Sicherheit wertvoll seien jedenfalls die dokumentarischen Erkenntnisse, wenn sich der Autor beispielsweise an die Veränderungen im entnazifizierten Bilderbrockhaus erinnere. Das Elternhaus des kleinen Reinhard, berichtet die Rezensentin, sei zwar typisch bildungsbürgerlich gewesen, aber auch untypisch weltoffen und aufgeschlossen der modernen Malerei gegenüber. Schließlich sei der Vater Maler und Künstler, die Mutter Fotografin gewesen. Mit ihrem Bruder habe sie ein ererbtes Foto- und Radiogeschäft in der Kleinstadt betrieben, und dieses "wunderbare" Geschäft als requisitenreicher Mikrokosmos der fünfziger Jahre ist für die Rezensentin allein schon eine Lesereise in Reinhard Kaisers Kindheit wert.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Reinhard Kaiser besitzt den in Deutschland geradezu tollkühnen Mut, seine Leser unterhalten zu wollen.« Frankfurter Allgemeine Zeitung »Der unbezweifelbare Wert liegt im Dokumentarischen, im Festhalten von Randphänomenen einer Epoche und in den Rückschlüssen die ein geschichtsbewußter Autor daraus zu ziehen vermag.« Kristina Maidt-Zinke, Süddeutsche Zeitung »Mit seinen Erzählungen aus der Nachkriegskindheit im rheinischen Viersen kehrt der Schriftsteller, Übersetzer und Lektor zu den Wurzeln seines Schreibens zurück.« Florian Balke, Frankfurter Allgemeine Zeitung »Kaiser überzeugt durch seinen leisen Witz und die Fülle dokumentarischer Details.« Antje Weger, Märkische Allgemeine »Ohne Zorn blickt er zurück und erzählt mal komisch, mal anrührend vom Leben und seinen oft wundersamen Anfängen.« Shirin Sojitrawalla, Aargauer Zeitung »Kaiser verbindet persönliche Erinnerungen und Zeitgeschichte, er komponiert Geschichten mit Leichtigkeit im Schweren und Tiefe in der Oberfläche.«