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Produktdetails
  • Verlag: Metropolis
  • ISBN-13: 9783895188619
  • ISBN-10: 3895188611
  • Artikelnr.: 33574236
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.09.2011

Wirtschaftsbücher
Autistische
Ökonomie
Zur Finanzkrise sind bereits viele Publikationen erschienen: Von jenen, die es ja schon immer wussten und von jenen, die mit ökonometrischen Ableitungen versuchten, die Krise nachzuzeichnen. Helge Peukert, Professor für Finanzwissenschaft an der Universität Erfurt, beleuchtet die Finanzkrise nun von verschiedenen Standpunkten aus und liefert – wie der Untertitel zeigt – eine kritisch-heterodoxe Untersuchung der Ereignisse. Ein Fazit: Die Ökonomie sollte raus aus dem Elfenbeinturm, um Krisen zuverlässig früh erkennen und Lösungen anbieten zu können.
Das Buch ist eine Bestandsaufnahme, wie das umfangreiche Quellenverzeichnis zeigt. Das Phänomen Finanzmarktkrise wird verständlich nachgezeichnet, um zu verstehen, wie es zu einer solchen Krise kommt, aber auch, was sich dagegen vorbeugend tun lässt. Peukert diskutiert die von ihm herangezogenen Autoren und lässt den Leser somit nicht allein interpretieren. In einer Zeit, in der die USA und der Euro-Raum gegen den Ruin kämpfen, ist das Buch ohnehin aktuell.
Fast schießt der Autor ein Eigentor, indem er für den „eiligen Zeitgenossen“ eine sehr gut gelungene Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse seiner vier Hauptkapitel, inklusive Glossar, schreibt. Zum Glück nur fast, denn die Zusammenfassung macht Lust auf mehr. „Es geht um nicht weniger, als dem vorherrschenden Paradigma des Finanzmarktfundamentalismus bzw. der Effizienzmarkthypothese und der sie begleitenden Weltanschauung ein entgegengesetztes Paradigma manisch-depressiver Märkte, das Bären-Bullen-Paradigma, gegenüberzustellen“, schreibt Peukert anfangs.
In der Krise wurde einerseits das Versagen der deregulierten Märkte, aber auch das des Staates deutlich. Leider auch ein Versagen der Ökonomen, wie Peukert feststellt. Er kritisiert aber nicht nur die Ökonomen mit falschen Ideen und mathematischen Risikomodellen, die zu keinerlei klaren Ergebnissen führten, sondern bemängelt vor allem das Versagen der Wirtschaftspolitik des Staates. Zudem spricht er gesellschaftliche Ursachen wie beispielsweise das Eigeninteresse aller Akteure an.
Nach dieser Art „Abrechnung“ mit gemachten Fehlern folgt die detailgenaue Erklärung der Finanzmarktkrise. Dabei bietet Peukert in seiner Erläuterung einen dogmengeschichtlichen und zugleich theoretischen Überblick, sodass der Leser unter anderem mit den Wirtschaftstheorien von Gsell, Galbraith, Keynes und Minsky vertraut gemacht wird. Zuweilen geht der Verfasser so ins Detail, dass es dem „eiligen Leser“ vielleicht doch zu viel werden könnte. Wer aber wirklich etwas über Krisen lernen will, erhält hier die Chance. Peukert folgert, dass die Notwendigkeit einer „postautistischen Ökonomie“ besteht: eine Ökonomie, die nicht weiter im mathematischen Elfenbeinturm lebt, sondern anstatt abstrakter Modelle mehr Geschichte, Psychologie oder auch Soziologie in die Lehre einbezieht.
Dass sich Peukert nicht davor drückt, auch Lösungsvorschläge anzubieten, ist angesichts der Kritik, die er an seinem Fach äußert, folgerichtig. Die vom Verfasser diskutierten Reformvorschläge zur Regulierung der Finanzmärkte reichen von einer neuen Geldordnung bis zu Restriktionen für riskante Finanzmarktinstrumente. Dabei vergisst er auch nicht, auf ökologische Probleme und Grenzen einer wachstumsabhängigen Ökonomie hinzuweisen. Das Buch hält, was es verspricht. Nämlich eine konsequente Aufarbeitung der Finanzmarktkrise: Ursache, Wirkung und Lösungsansätze. Was fehlt, ist nur noch ein Stichwortverzeichnis.
Indira Gurbaxani
Helge Peukert: Die große Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise. Eine kritisch-heterodoxe Untersuchung. Metropolis Verlag, Marburg 2011. 617 Seiten. 29,80 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rundum gelungen findet Indira Gurbaxani diese Aufarbeitung der Finanzkrise aus verschiedenen Perspektiven von Helge Peukert. Sie schätzt das Buch als kritische Bestandsaufnahme, die das Versagen der Märkte und der Ökonomen wie auch das des Staates und der Wirtschaftspolitik deutlich macht. Zudem lobt Gurbaxani die Verständlichkeit, mit der Ursachen und Folgen der Krise sowie Lösungsansätze erläutert werden. Außerdem bietet das Buch in ihren Augen einen ausgezeichneten theoretischen Überblick und damit eine gute Gelegenheit für den Leser, sich mit den Wirtschaftstheorien von Gsell, Galbraith, Keynes, Minsky u.a. auseinanderzusetzen. Vermisst hat die Rezensentin lediglich ein Stichwortverzeichnis.

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