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Die Zigaretten- und Tabakindustrie hat seit der Jahrtausendwende eine Süd-Offensive eingeläutet. Die großen Konzerne der Industrieländer fördern den Tabakanbau in der Dritten Welt und schaffen systematisch Abhängigkeiten. Tabakanbau ist keine Entwicklungshilfe, wie es die Unternehmen immer gerne darstellen, sondern schlicht Ausbeutung. Die vielgerühmte Arbeitsteilung sieht so aus, dass das technische Knowhow in den Händen der westlichen Industrie bleibt, dass sie die Preise sowie die Anbaumethoden diktiert. Die Tabakbauern werden in die Rolle von Lieferanten für billige Rohstoffe gedrängt. Und…mehr

Produktbeschreibung
Die Zigaretten- und Tabakindustrie hat seit der Jahrtausendwende eine Süd-Offensive eingeläutet. Die großen Konzerne der Industrieländer fördern den Tabakanbau in der Dritten Welt und schaffen systematisch Abhängigkeiten. Tabakanbau ist keine Entwicklungshilfe, wie es die Unternehmen immer gerne darstellen, sondern schlicht Ausbeutung. Die vielgerühmte Arbeitsteilung sieht so aus, dass das technische Knowhow in den Händen der westlichen Industrie bleibt, dass sie die Preise sowie die Anbaumethoden diktiert. Die Tabakbauern werden in die Rolle von Lieferanten für billige Rohstoffe gedrängt. Und der Tabakanbau ist direkt und indirekt für Bodenerosion und Umweltschäden verantwortlich: Für den Abbau werden ganze Wälder abgeholzt, für die Bewässerung das Grundwasser abgegraben und 160 kg Holz müssen kokeln, um ein Kilogramm marktfähigen Tabak zu erzeugen. Das sind 2,4 kg Holz für eine Zigarettenschachtel. Der deutsche Durchschnittsraucher verpafft also alle drei Monate einen Tropenbaum. Und dann kehrt der Tabak, in den Industrieländern zu Zigaretten verarbeitet, in das Ursprungsland zurück. Mit aggressiven Strategien versucht die Tabakindustrie, nun die Märkte des Südens zu erobern.
Autorenporträt
Peter Heller, geboren 1959, arbeitet als Journalist für das National Public Radio, für Outside Magazine und National Geographic Adventure. Er lebt in Denver, Colorado.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.05.2004

Good bye für den Malboro-Mann
Brüssel subventioniert den Tabakanbau in Europa und bekämpft gleichzeitig das Rauchen
HELMUT GEIST, PETER HELLER, JOHN WALUYE: Rauchopfer. Die tödlichen Strategien der Tabakmultis. Horlemann, Bad Honnef 2004. 176 Seiten, 9,90 Euro.
Am 31. Mai ist Weltnichtrauchertag. Dazu passt die erstaunliche Information, die vom Büro der staatlichen Drogenbeauftragten Marion Caspers-Merk bestätigt wird: Ausgerechnet die Tabakindustrie finanziert eine staatliche Anti-Raucher-Kampagne für Kinder und Jugendliche mit. Das Faksimile der entsprechenden „Vereinbarung” vom März 2004 findet sich auch im hier besprochenen Buch: 11, 8 Millionen Euro, so steht dort geschrieben, zahlt die Zigarettenindustrie im Laufe von fünf Jahren an die Bundesrepublik Deutschland, und „die Zuwendung dient ausschließlich zur Prävention des Rauchens von Kindern und Jugendlichen”. Explizit ausgeschlossen werden „allgemeine Anti-Raucher-Programme”, denn: „Die Maßnahmen dürfen nicht die Zigarettenindustrie, deren Produkte oder den Zigarettenhandel diskriminieren oder den erwachsenen Raucher verunglimpfen.” Die Bundesdrogenbeauftragte ist vermutlich froh, dass überhaupt jemand eine Aufklärungskampagne finanziert. Andererseits ließe sich durchaus ein wenig streiten darüber, dass gerade diejenigen eine Antirauchkampagne finanzieren, die mit Zigaretten ihr Geld verdienen – was ja durchaus einer Art Ablasshandel zwischen Industrie und Politik gleichkommt.
Schandtaten der Multis
Dabei ist der Vertrag nur ein harmloses Skandälchen, verglichen mit den anderen Schandtaten der Tabakmultis, über die das Autorenteam in diesem Buch berichten. Alles, was der belgische Wissenschaftler Helmut Geist, der deutsche Filmemacher Peter Heller und der tansanische Journalist John Waluye hier niedergeschrieben haben, wurde von ihnen allerdings schon einmal für das Fernsehen erzählt. Als bester Dokumentarfilm zum Thema Globalisierung erhielt „Rauchopfer” beim Filmfestival von Parma 2003 den „Prix Leonardo in Gold”.
Das jetzt erschienene Buch kann diese Quelle nicht verleugnen. Es gibt Brüche, die im Film vermutlich Schnitte waren, oft fehlen die Bilder zum Text, Zitate wirken bunt eingestreut – kurz, den Preis für das beste Sachbuch 2004 wird „Rauchopfer” vermutlich nicht gewinnen. Doch dies tut der Sache keinen Abbruch. Im Gegenteil, es macht die Kampfschrift erst so richtig schön bösartig. Ihr fehlt jede Ausgewogenheit, und es fehlt auch ein übergeordneter roter Faden, der die Aussagen einordnet und wertet.
Die meisten Tatsachen allerdings sprechen für sich. 2,4 kg Holz müssen verbrannt werden, um den Tabak für eine Zigarettenschachtel zu trocknen. Kostbare, für das Ökosystem so wichtige Wälder gehen Tag für Tag in Rauch auf. Millionen von Bauern in der dritten Welt, vor allem in Afrika, stellen ihre Anbaumethoden auf die lukrativere Tabakpflanze um und graben sich damit im wahrsten Sinne des Wortes das Wasser ab. Der Anbau der Pflanze ist sehr wasserintensiv, die Versteppung ganzer Landstriche schreitet voran. In 120 Ländern der Welt wird Tabak heute angebaut, damit ist er das führende, nicht essbare Agrarprodukt.
Trotzdem subventioniert Brüssel den Tabakanbau in den EU-Ländern immer noch mit Milliardenbeträgen; pro Tonne bekommen deutsche, französische und italienische Tabakbauern an die 2900 Euro. Dagegen stehen die fast gleich hohen Zahlungen, die innerhalb der EU für Aufklärungsmaßnahmen gegen das Rauchen aufgewendet werden. Allein in Deutschland belaufen sich die tabakbedingten Gesundheitsleistungen auf etwa 17 Millionen Euro. Das Eintrittsalter für Kinder sinkt kontinuierlich: Bundesweit ist es bei 13,5 Jahren angekommen, in Nordrhein-Westfalen liegt es gemäß einer Studie unter Grundschülern gar bei nur 11,6 Jahren.
Am Ende der Lektüre ist klar: Tabaksteuer, Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft hin oder her – langfristig wird in Europa kein vernünftiger Weg an radikalen Rauchverboten in öffentlichen Räumen vorbeiführen, die USA machen es vor. Gleiches gilt für die hierzulande immer noch erlaubte Nikotinwerbung im Kino und auf Plakaten. So traurig es für Kino-Fans ist: Der Malboro-Cowboy hat ausgedient.
DOROTHEA HEINTZE
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Dorothea Heintze stellt fest, dass das Buch über die Strategien der Tabakindustrie seine Entstehung aus einem Filmskript nicht verbergen kann. Was 2003 in Parma den Preis für den besten Dokumentarfilm gewonnen hat, wird wohl nicht zum "besten Sachbuch" gekürt werden, meint die Rezensentin, die das Buch dafür zu unausgewogen und sprunghaft findet. Mitunter vermisst sie Bilder, die den Text nützlich illustrieren könnten und die eingestreuten Zitate erschienen ihr allzu beliebig. Trotzdem gefällt ihr diese "Kampfschrift", weil sie "so richtig schön bösartig" ist und weil sie , was die "Schandtaten der Tabakindustrie" angeht, kein Blatt vor den Mund nimmt und dabei durchaus parteiisch ist. Und die Fakten, die in diesem Buch aufgeführt werden, "sprechen" schließlich "für sich", so Heintze, die sich von den ökologischen Auswirkungen des Tabakanbaus sowie vom ständig sinkenden Einstiegsalter für rauchende Kinder erschrocken zeigt.

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