Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 10,41 €
  • Broschiertes Buch

Annett Gröschner schreibt Geschichten über ihre Wahlheimat Berlin, Geschichten über Kneipen, die verloren gehen wie Handschuhe, über die Neue Mitte und die Neuen Mütter, aber auch über die Schorfheide, wo Göring sein monströses Carinhall bauen ließ. Ihre Reportagen berichten über groß angelegte Theaterprojekte in Kleingärten, bittere Bilanzen von Bauspekulationen und Zwangsumsetzungen zu Sanierungszwecken. Und immer wieder verwandelt sie mitgeschnittene Momentaufnahmen in literarische Miniaturen. So ist ein kritisches und doch zärtliches Porträt einer Stadt entstanden. Sie entgeht der…mehr

Produktbeschreibung
Annett Gröschner schreibt Geschichten über ihre Wahlheimat Berlin, Geschichten über Kneipen, die verloren gehen wie Handschuhe, über die Neue Mitte und die Neuen Mütter, aber auch über die Schorfheide, wo Göring sein monströses Carinhall bauen ließ. Ihre Reportagen berichten über groß angelegte Theaterprojekte in Kleingärten, bittere Bilanzen von Bauspekulationen und Zwangsumsetzungen zu Sanierungszwecken. Und immer wieder verwandelt sie mitgeschnittene Momentaufnahmen in literarische Miniaturen.
So ist ein kritisches und doch zärtliches Porträt einer Stadt entstanden. Sie entgeht der Berlin-Klischee-Falle, folgt weder dem blinden Hype noch dem blinden Hass, sondern zeigt Berlin in seiner ganzen provinziellen Größe.
Autorenporträt
Annett Gröschner, geb. 1964 in Magdeburg, 1983-91 Studium der Germanistik in Ost-Berlin und Paris, 1992-96 Historikerin im Prenzlauer Berg Museum, seit 1994 Beteiligung an verschiedenen Ausstellungs- und Buchprojekten, seit 1997 freie Autorin und Journalistin in Berlin. Auszeichnungen u.a. mit dem Anna-Seghers-Stipendium der Akademie der Künste Berlin und dem Erwin-Strittmatter-Preis des Landes Brandenburg.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.02.2009

Wo Berlin abhanden kommt
Annett Gröschners empfindsame Hauptstadt-Streifzüge
Der Bezirk Prenzlauer Berg ist das Thesentestgelände der Berliner Republik: Hier sitzen ostentativ entspannte Menschen und tun diese Dinge, die man für erfunden halten müsste, so verdächtig oft hat man schon davon gelesen – Latte macchiato trinken, spät Kinder bekommen, sinnlosen Medienberufen nachgehen, sich hübsch anziehen, urbanes Leben spielen. Meistens gehören die Beobachter des Berliner Großstadtsoziotops aber irgendwie selber zu der Gentrifizierungsarmee, die sie beobachten, und vielleicht gibt es deshalb so viele Hauptstadtbücher, die bei all der Trendscout-Soziologie den Ort und seine Geschichte vergessen. Abhilfe schafft das Berlinbuch „Parzelle Paradies” der Schriftstellerin und Journalistin Annett Gröschner: Ihre geschichtsversessenen Streifzüge durch die Hauptstadt sind immer darauf aus, irgend etwas Verlorenes zu bergen, und nebenbei fallen Kommentare ab, die zu den
schönsten und spöttischsten im Genre Gentrifizierungs-Bashing gehören.
Annett Gröschner kam Anfang der achtziger Jahre aus Magdeburg zum Studium nach Ostberlin, und seither streift sie durch ein Gelände, das von aufsehenerregenden Zuzugs- und Abwanderungswellen erfasst wird. In den Achtzigern erscheinen bestimmte Gebiete der Stadt noch wie eine zeitlose Zone, in der sich die Geschichte sammelt und stapelt: „Einschüsse, Luftschutzzeichen, Notdächer. Ich sah eine einzige Katastrophe, die Trümmer auf Trümmer gehäuft hatte und die zum Stillstand gekommen war.” In den Neunzigern kommen die Jungen und gehen die Alten, die Bausubstanz wird grundsaniert, und nicht nur in Prenzlauer Berg wird von Schwarzweiß auf Farbe umgestellt. Die Reste-Spezialistin protokolliert, wie die Dederonkittel und DDR-Fußbodenbeläge langsam zu Ausnahmeerscheinungen werden. „Nach der Wende strich ich durch die Hinterlassenschaften eines verschwundenen Staates. Es war fast eine Sucht, noch einmal alles festzuhalten, was morgen unweigerlich verschwinden würde.”;
Diese Sucht nach dem Abhandengekommenen klingt nie sentimental, der Grundton ist vielmehr lakonisch und auf Distanz bedacht, gepaart mit Humor und manchmal auch Sarkasmus. Die Berliner Geschichten, von denen viele in der Ost-West-Wochenzeitung „Freitag” erschienen sind, springen abwechslungsreich zwischen Reportage, Reisebericht und Milieu-Momentaufnahme hin und her.
Annett Gröschner erzählt von den vergessenen Zwangsarbeitern in der ehemaligen Schultheiss-Brauerei, dem heutigen Veranstaltungsort „Kulturbrauerei” in Prenzlauer Berg. Sie reist in die Schorfheide, die einmal Göringheide heißen sollte und von den Nazis als großes Naturschutzgebiet ausgewiesen wurde. Sie beobachtet, wie die Kleingartenanlage „Parzelle Paradies” zum Schauplatz eines Theaterprojekts wird. Und sie belauscht die Stadtbewohner auf der Straße, an Bushaltestellen oder im neuen Hauptbahnhof. Dort wundern sich zwei Mädchen, ob der große Schriftzug, der das Glasdach ziert, nicht von Terroristen missverstanden werden könnte: „Bombardier. Willkommen in Berlin.” JUTTA PERSON
ANNETT GRÖSCHNER: Parzelle Paradies. Berliner Geschichten. Edition Nautilus, Hamburg 2008. 220 S., 16 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Für Katharina Granzins Geschmack wird zwar in und über Berlin zuviel Literatur verfasst, Annett Gröschner aber gesteht sie nach der Lektüre ihrer "Berliner Geschichten" ohne Einschränkung zu, "soviel sie will" über die Hauptstadt zu schreiben. Neben Geschichten aus dem Berliner Leben sind es vor allem die Texte, die in die Geschichte der Stadt führen, etwa über Zwangsarbeiterinnen in der ehemaligen Schultheiss-Brauerei in Prenzlauer Berg oder Hermann Görings Landsitz in der Schorfheide, die Granzin nachhaltig beeindrucken. Sie hätte sich nur ein Verzeichnis gewünscht, das ihr das Wiederfinden der Orte, von denen im Buch die Rede ist, erleichtert, das bleibt aber ihr einziger Kritikpunkt an dem in ihren Augen durch und durch gelungenen Band.

© Perlentaucher Medien GmbH