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Caroline Fourest tritt für eine strikte Trennung von Staat und Religion ein, die für sie eine der Grundlagen der Demokratie ist. Es geht darum, Religionen von allen nicht unmittelbar kirchlichen Angelegenheiten auszuschließen. Insofern ist Fourests Buch auch ein Plädoyer, mehr zu wagen als den Säkularismus, wie er in Deutschland herrscht.

Produktbeschreibung
Caroline Fourest tritt für eine strikte Trennung von Staat und Religion ein, die für sie eine der Grundlagen der Demokratie ist. Es geht darum, Religionen von allen nicht unmittelbar kirchlichen Angelegenheiten auszuschließen. Insofern ist Fourests Buch auch ein Plädoyer, mehr zu wagen als den Säkularismus, wie er in Deutschland herrscht.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.08.2022

Kirchen ist nun einmal kaum zu trauen
Scharfkantige Urteile: Caroline Fourest holt aus zu einem Plädoyer für den französischen Laizismus

Der Laizismus, also die Trennung von Staat und Kirche sowie die religiöse Neutralität des ersteren, ist ein heiß debattiertes Thema in Frankreich. Zum einen liegt das an der massiven Wiederkehr des Religiösen, vor allem in Form eines bedrohlichen politischen Islams, aber auch einer kleinen, doch einflussreichen Strömung neotraditioneller Katholiken. Zum anderen liegt es am Versuch von Marine Le Pens Rassemblement National, laizistische Argumente im Kampf gegen Islam und Islamismus (die sie gleichsetzt) einzusetzen - bei Relativierung ihrer Bedeutung, wenn es um katholische Religiosität geht.

Caroline Fourest, Sachbuchautorin, Journalistin und Filmemacherin, verteidigt in ihrem "Lob des Laizismus" das französische Modell, das seit dem Gesetz von 1905 das öffentliche Leben in Frankreich regelt, mit Verve. Sie geht zunächst auf den Vorwurf der Islamophobie ein, den man dem französischen Laizismus gern macht, erläutert dann das französische und das amerikanische Modell. Anschließend geht sie zurück zu den historischen Quellen und zeichnet die Genese des Laizismus seit der Aufklärung nach. Dann entwirft sie ein Bild der Lage in Frankreich und hält schließlich ein Plädoyer für eine laizistische Politik. Fourest, die für eine linke und feministische Position steht, setzt sich dabei mit einer Vielzahl von Gegenpositionen auseinander.

Ihre Argumente sind oft schlagkräftig. Der in angelsächsischen Ländern geäußerten Kritik, der Laizismus habe zur islamistischen Radikalisierung in Frankreich beigetragen, begegnet sie mit dem Einwand, dass Belgien "prozentual doppelt so viele Dschihadisten hervorgebracht" habe, obwohl das Land "stärker kommunitaristisch als republikanisch organisiert" sei. Sie betont die gute Integration der Einwanderer - "die Raten der Eheschließung unter Partnern unterschiedlicher Herkunft" seien höher als in England - und die schwache Islamophobie, woraus sie folgert: "Gäbe es keine Wahnsinnigen, die im Namen des Islams Morde begehen, würde diese Phobie rasch zurückgehen." Vor allem weist Fourest darauf hin, dass ein Vergleich mit den Vereinigten Staaten, wo nur ein Hundertstel der Bevölkerung dem Islam anhänge, absurd sei.

Es dürfte primär die französische Kolonialvergangenheit und ihr Nachwirken in den Migranten aus dem Maghreb und ihren Kindern sein, die in Frankreich Radikalisierung hervorgebracht hat. Das betont Fourest: "Seit dem kolonialen Sündenfall liebt Frankreich sich selbst nicht mehr und gibt diese Abneigung an seine eigenen Kinder weiter." Es ist der Charme der französischen Linken, dass sie mit Augenmaß patriotisch ist und über Schuldbekenntnisse hinaus etwas dafür tut, dass der Wert des eigenen Gemeinwesens sichtbar wird.

Aufschlussreich ist der Vergleich mit Deutschland. Fourest argumentiert: "In katholischen Ländern hat die konservative Kirche stets die Modernität und Unabhängigkeit der Nation bedroht. Bürger, die sich emanzipieren wollten, waren deshalb genötigt, in einem strikten Laizismus Schutz zu suchen." Zwar mag an der These etwas dran sein, aber Fourest überzeichnet bis zur Karikatur: Sie wirft alle Gläubigen in einen Topf, sieht nicht, dass Deutschland ein gemischt konfessionelles Land ist, differenziert historisch nicht. Besonders fällt auf, wie fremd ihr der Gedanke ist, dass Glaubensgemeinschaften Positives zum Gemeinleben beitragen könnten.

Die zwei Kernfragen des Laizismus betreffen die Finanzierung von Glaubensgemeinschaften sowie die religiöse Neutralität des Schulsystems. Erstere lehnt Fourest entschieden ab, die Schritte, die Nicolas Sarkozy als Innenminister 2003 in diese Richtung unternommen hatte, findet sie grundverkehrt, da mit dem Laizismus unvereinbar. Das Argument, dass mit einer staatlichen Anerkennung von Religionsgemeinschaften die Einflussnahme fundamentalistischer Geldgeber eingedämmt werden könnte, lässt sie nicht gelten: Es komme auf die Inhalte an, Prediger seien zu kontrollieren; man könne auch Gelder über eine Kontrollinstanz laufen lassen. Sicher ist, dass hier rechtliche Mittel der Kontrolle zur Verfügung stehen, die der Staat bislang nicht ausreichend zu nutzen scheint.

Das Schulwesen betreffend stellen sich zwei Fragen: die Neutralität der öffentlichen Schulen sowie die Finanzierung konfessioneller Schulen. Das öffentliche Schulwesen ist ein zentrales Element des Laizismus, die Nichteinmischung seitens der Religion hat hier zentralen Stellenwert. Tatsächlich drehten sich Debatten um die Frage, ob Schleier tragende Schülerinnen zum Unterricht oder zu Prüfungen antreten oder verschleierte Mütter Ausflüge begleiten dürfen. An dieser Stelle überrascht Fourest: Ihre Lösungsvorschläge für konkrete Problemsituationen sind pragmatisch.

Ex negativo zeigen diese Passagen, was Fourest sonst bevorzugt: große Thesen, scharfkantige Urteile, lautstarken Streit. Die Faust auf den Tisch ist legitim, will man Werte wie den Laizismus schützen - und das ist nötig. Frankreich befindet sich in einem Kampf, den man hierzulande sträflich unterschätzt: Zwischen 1979 und 2021 haben in Frankreich 82 islamistische Attentate mit über 330 Toten stattgefunden (laut dem Thinktank Fondapol). Der Fall des ermordeten Lehrers Samuel Paty hat gezeigt, dass Entmutigung und schleichende Kapitulation drohen. Da ist Gegenwehr angezeigt, in Attacken auf dem Islamismus nahestehende Organisationen oder Personen.

Allerdings verwendet Fourest den Hinweis "Nähe zur Muslimbruderschaft" dabei auch als Totschlagargument. Kehrseite ihres Engagements sind argumentative Kurzschlüsse, rigorose Urteile, parteiische Blindheiten. Am problematischsten sind Fourests Forderungen, die Sonderregeln für Elsass und Moselregion (Konkordat) und allgemein die staatliche Finanzierung von konfessionellen Schulen abzuschaffen. Das ist geschichtsvergessener Jakobinismus und übersieht den Mehrwert nichtstaatlicher Schulen: Wer das Schulsystem in Frankreich kennt, weiß, was für ein ambitionsloser Dinosaurier der Apparat ist. Bei allem Engagement einzelner Lehrer: Er wird betonköpfig geleitet, ist dysfunktional organisiert. Bevor man den meist katholischen Privatschulen das Geld entzieht, müsste man das Schulsystem reformieren; im gegenwärtigen Zustand darf man es niemandem aufzwingen.

Die Einschätzungen Fourests sind hier wie andernorts alarmistisch: Das Bild, das sie sich vom Unterricht an einer katholischen Schule oder vom Religionsunterricht einer öffentlichen Schule im Elsass - dessen Besuch freie Wahl ist - zu machen scheint, grenzt an Hysterie. Doch das ändert nichts an der grundsätzlich richtigen Stoßrichtung des Essays. Die Grundthese überzeugt, dass der Laizismus, wie er sich in Frankreich herausgebildet hat, grundsätzlich funktioniert und einer aktiven, passionierten Umsetzung bedarf. Mit weniger Polemik und mehr Sinn für journalistische Solidität hätte sie allerdings gewonnen. NIKLAS BENDER

Caroline Fourest: "Lob des Laizismus".

Aus dem Französischen von Mark Feldon und Christoph Hesse. Edition Tiamat, Berlin 2022. 296 S., br., 26,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Niklas Bender kann Caroline Fourest bei ihrem Plädoyer für den Laizismus im Grunde gut folgen. Dass die Trennung von Staat und Kirche nach französischem Vorbild im Wesentlichen gut funktioniert, findet Bender auch. Fourests dezidiert feministische, linke Position hindert die Autorin laut Bender auch nicht daran, Gegenmeinungen ausgiebig zu diskutieren und ggf. zu widerlegen, etwa indem sie die islamistische Radikalisierung in Frankreich mit dem Kolonialismus erklärt. Schade bloß, dass die Autorin ihre an sich schlagkräftigen Argumente mit Kurzschlüssen abschwächt, mit allzu rigorosen Urteilen und parteiischen Einäugigkeiten, findet Bender. Fourests Idee, konfessionellen Schulen die Förderung zu kappen, erscheint ihm "geschichtsvergessen", ja hysterisch.

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