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Von Jünger bis Schädlich - Literaturgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts in 12 sehr persönlichen Autorenporträts.»So wenig wie Geburt und Tod und alles, was dazwischen liegt, Routine werden können, so wenig kann es die Kunst. Freilich gibt es Menschen, die ihr Leben routiniert leben; nur: sie leben nicht mehr. Es gibt Künstler, Meister, die zu bloßen Routiniers geworden sind, aber sie haben - ohne es sich und den anderen einzugestehen - aufgehört, Künstler zu sein«, heißt es bei Heinrich Böll. Und diesem Credo ist auch Heinz Ludwig Arnold verpflichtet, wenn er von Unvollendeten erzählt, von…mehr

Produktbeschreibung
Von Jünger bis Schädlich - Literaturgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts in 12 sehr persönlichen Autorenporträts.»So wenig wie Geburt und Tod und alles, was dazwischen liegt, Routine werden können, so wenig kann es die Kunst. Freilich gibt es Menschen, die ihr Leben routiniert leben; nur: sie leben nicht mehr. Es gibt Künstler, Meister, die zu bloßen Routiniers geworden sind, aber sie haben - ohne es sich und den anderen einzugestehen - aufgehört, Künstler zu sein«, heißt es bei Heinrich Böll. Und diesem Credo ist auch Heinz Ludwig Arnold verpflichtet, wenn er von Unvollendeten erzählt, von Schriftstellern, die in ihren Werken über das unmittelbar Menschliche sprechen, vom Lebendigen, Unvollkommenen, eben von dem, das jenseits der Statistik unseren Zustand ausmacht und über ihn hinausführt. »Mich interessierte ja schon immer die Figur des Autors hinter seiner Literatur«, schreibt der heute 64jährige Heinz Ludwig Arnold, der bereits als Oberschüler anfing, sich an Autoren zu wenden - respektvoll, aber nicht ehrfürchtig -, deren Bücher ihn neugierig gemacht hatten. Zunächst kamen Briefe zurück, etwa mit der Bitte um Beiträge für die Karlsruher Schülerzeitung, und im Laufe der Jahre, in denen sich Arnold als Literaturkritiker, Autor und Herausgeber selbst einen geachteten Namen erwarb, entwickelten sich mit vielen der Autoren Arbeitsbeziehungen, enge Freundschaften, mitunter auch Zerwürfnisse. Heinz Ludwig Arnold stellt in literarischen Portraits 12 Autoren vor, in genauer Kenntnis ihrer Werke, vor allem aber nie abstrakt, sondern mit der Leidenschaft des Beteiligten.Inhalt: Krieger, Waldgänger, Anarch. Über Ernst JüngerZerstört oder gestählt. Über die Differenz zwischen Erich Maria Remarque und Ernst JüngerDer Fremde. Über Hans Henny JahnnDie Entdeckung des Erzählens. Über die zweite Karriere des Friedrich DürrenmattDie anarchische Vernunft der Poesie. Über Heinrich BöllAuf der Suche nach dem revolutionären Ich. Über Peter WeissEinzelkämpfer für Heldenfiguren. Über Rolf HochhuthKatz und Krebs. Über Günter GrassUmkreisung eines Dividualisten. Über Martin WalserBeschreibung eines Beschreibers. Über Uwe JohnsonPoet auf dem Hochseil. Über Peter RühmkorfDer subversive Chronist. Über Hans Joachim Schädlich
Autorenporträt
Heinz Ludwig Arnold, Herausgeber der Zeitschrift "TEXT + KRITIK", des "Kritischen Lexikons zur deutschsprachigen Gegenwarts-literatur" (KLG) sowie des "Kritischen Lexikons zur fremdsprachigen Gegenwartsliteratur" (KLfG).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.04.2006

Beschreibung von Beschreibern
Zwölf Schriftstellerporträts von Heinz Ludwig Arnold

Jeder Schriftsteller ist ein Unvollendeter, solange er lebt und schreibt. Er bleibt es selbst über seinen Tod hinaus: Werk und Biographie verwandeln sich in der Zeit. Aber es gibt doch Abstufungen und Unterschiede zwischen früh und nie vollendeten Dichtern, zwischen den Repräsentanten, die schon zu Lebzeiten an ihrem Denkmal meißeln, und den Märtyrern, die bis zuletzt mit sich und der Welt ringen. "Enden", zitiert Heinz Ludwig Arnold einmal Dürrenmatt, "ist stets willkürlich, ein Aus-der-Hand-Geben, ein Verlieren, schließlich ein Vergessen, resignierend wie jedes Vergessen. Das noch nicht Geschriebene und das Unvollendete gehören mir."

Arnolds Sympathie gehört offensichtlich den Unvollendeten. Einen Autor wie Ernst Jünger, dem er in jungen Jahren immerhin als Privatsekretär diente, schätzt er deutlich weniger als Friedrich Dürrenmatt, den barocken, kindlich verspielten Genußmenschen, der in seinen "Stoffen" das Abenteuer des Schreibens bis an die Grenzen der Konzeptliteratur führte. Arnolds Beziehung zu Jünger (von der man übrigens nichts erfährt), zählt dabei so wenig wie seine Freundschaft mit Dürrenmatt; dennoch profitieren alle zwölf "Literarischen Porträts" von der persönlichen Bekanntschaft.

Diese Sachlichkeit und Diskretion sind kennzeichnend für den Autor. Der Publizist Arnold, Herausgeber so verdienstvoller Werke wie der Kritischen Lexika zur deutschen und zur fremdsprachigen Gegenwartsliteratur, der Zeitschrift "Text + Kritik" und der in Arbeit befindlichen Neuausgabe von Kindlers Literaturlexikon, ist fraglos einer der profundesten Kenner der deutschen Nachkriegsliteratur. Freilich verstand er sich immer mehr als Vertrauter, Vermittler und kritischer Begleiter der Autoren denn als Anwalt der Leser oder gar als Trendschnüffler auf dem Markt. Für die Verläßlichkeit und Genauigkeit seiner Porträts ist diese mittlere Position zwischen Literaturkritik und Literaturgeschichtsschreibung, Zeitgenossenschaft und Ewigkeit ein Vorteil: Unbeeinflußt von privaten Beziehungen, literarischen Vorlieben und Tagesmeinungen, beschreibt Arnold die historischen Verdienste, Stärken und Schwächen der Autoren. Nüchtern und uneitel dienend, aber durchaus kein Liebediener, tritt er hinter sie zurück und läßt sie mit längeren Auszügen aus ihren Schriften oder gemeinsamen Rundfunkgesprächen selber zu Wort kommen. Arnold neigt weder zu kumpelhaften Verbrüderungen noch zu gönnerhaftem Schulterklopfen, aber sein Bemühen um Fairness und Objektivität verträgt sich durchaus mit subjektiven Urteilen.

Schon die Auswahl spricht Bände. Natürlich sind Martin Walser und Günter Grass vertreten, Uwe Johnson und Peter Rühmkorf. Aber auch der Einzelkämpfer Rolf Hochhuth bekommt ein Plätzchen an der Sonne (wenn auch nur im Souterrain der engagierten Literatur), ebenso wie große Unzeitgemäße wie der ekstatische Mystiker Hans Henny Jahnn oder Peter Weiss, der letzte Partisan der sozialistischen Utopie.

Das gelungenste Porträt ist das von Ernst Jünger. Scharfsinnig und konzentriert arbeitet dessen einstiger Sekretär Jüngers Ästhetisierung des Schreckens, seine Abweisung der Geschichte und seine Flucht in den Mythos heraus; geduldig verfolgt er seine Häutungen vom Abenteurer zum Krieger, vom Waldgänger zum Anarchen und macht so beiläufig und gleichsam ex negativo ein Jahrhundert deutscher Geschichte lebendig. Arnold rühmt Jünger als großen Stilisten und Essayisten; aber er gibt dem heute fast vergessenen Erich Maria Remarque den Vorzug. Wo Jünger sich in den Stahlgewittern des Krieges eine gepanzerte Haut zulegte, die ihn gegen die Zumutungen der Moderne stählen sollte, hielt Remarque, von den nämlichen Erfahrungen ver- und "zerstört", die Wunde offen, die sein Widerpart stolz und egozentrisch als heroische Narbe präsentierte. Wem Arnolds Sympathien gehört, zeigt auch sein schönes Böll-Porträt: Mit großem Respekt, fast mit Zärtlichkeit würdigt er einen Autor, der heute weithin als katholischer Kitschier und toter Hund gilt. Schlechter kommt der andere deutsche Nobelpreisträger und ewige Mahner weg: Was Arnold an dem politischen Autor Böll als Demut und Geradlinigkeit rühmt, stößt ihm beim späten Grass als eitle Anmaßung und moralische Rechthaberei sauer auf.

Die literarischen Porträts ergänzen sich wechselseitig, beanspruchen aber keine Geschlossenheit. Arnold will keine Geschichte der deutschen Nachkriegsliteratur, kein Pantheon ihrer Götter entwerfen, und entsprechend unvollendet ist daher auch die Form: Neben gediegenen kleinen Monographien gibt es auch Nachrufe zu Lebzeiten, gedruckte Radiofeatures, Reden, Zeitungs- und Symposionsbeiträge. "Beschreibung eines Beschreibers", der Titel des Weiss-Porträts, könnte über jedem Beitrag stehen: Es geht um langsame Annäherungen, um - gedanklich wie stilistisch - sorgfältig ausgeführte Skizzen, nicht um mit breitem Pinsel und großer Gebärde ausgemalte Ölbilder. Hier ist ein Freund der Literatur (und mehr noch der Schriftsteller) am Werk, der die Unfertigen den schnell Fertigen, die nach landläufigen Maßstäben Gescheiterten den Erfolgreichen und die Außenseiter den gefeierten Würdenträgern vorzieht. Daß diese Haltung sich mit dem Selbstverständnis der älteren Generation der deutschen Nachkriegsliteratur (der jüngste der porträtierten Autoren, Hans Joachim Schädlich, ist Jahrgang 1935) deckt, belegt nur, daß Heinz Ludwig Arnold inzwischen selber ein Teil von ihr geworden ist.

MARTIN HALTER.

Heinz Ludwig Arnold: "Von Unvollendeten". Literarische Porträts. Wallstein Verlag, Göttingen 2005, 336 S., geb., 26,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.01.2006

Wanderer, kommst du nach Wilflingen . . .
Zwischen Heinrich Böll und Ernst Jünger: Heinz Ludwig Arnold und sein Essayband „Von Unvollendeten”
Wer mit zwanzig Jahren Privatsekretär bei Ernst Jünger wurde, dessen Leben hatte schon früh Schmiss. Mit zweiundzwanzig gründete Heinz Ludwig Arnold dann die Zeitschrift „Text + Kritik”, und seitdem, seit 1962, hat er den deutschen Literaturbetrieb aus einer interessanten Beobachter- und Mittlerposition heraus begleitet - immer dabei und doch auch ein bisschen in Deckung. Arnold ist bis heute eher ein Freund der Autoren, weniger ein Kritiker, doch sein objektivierender Gestus bürgte für Solidität und Überblick.
Die zwölf Porträts, die er jetzt versammelt, gelten den Schriftstellern, mit denen er am meisten zu tun hatte - der Anspruch dieses Buches resultiert also einzig aus der Autorität seiner Person. Arnold bezieht sich häufig auf Interviews oder Filme, die er mit den Autoren gemacht hat. Doch an einer schwierig zu erfassenden Stelle, die vermutlich der interessanteste Punkt seines Schreibens ist, hält er inne und kehrt zu einer gewissen Distanz zurück. So haben offenkundig Ernst Jünger und Heinrich Böll gleichzeitig eine herausragende Rolle für den jungen Heinz Ludwig Arnold gespielt: „Ich las auch schon Ernst Jünger - aber spontan angenommen hatte ich Heinrich Böll.” Böll und Jünger haben nun wirklich keine Gemeinsamkeiten, doch Arnold löst das Rätsel seiner Doppelfaszination nicht. Er hält sich heraus und schreibt stattdessen eingehende, instruktive Porträts über beide. Seine emphatische Beschreibung Bölls erregt dabei besondere Aufmerksamkeit: Keiner der namhaften bundesdeutschen Autoren scheint heute weniger aktuell zu sein als Böll. Arnold macht Bölls leises Pathos, seine moralische Dringlichkeit plötzlich wieder lebendig. Unter der Hand wird deutlich, was dieses Buch im Innersten zusammenhält: Es ist eine Vergegenwärtigung der alten Bundesrepublik.
Arnolds Interesse gilt der gesellschaftlichen Bedeutung von Literatur, und wir finden hier wieder, was die Debatten vor allem in den sechziger und siebziger Jahren bestimmte, in den Jahrzehnten, als Literatur und Sozialdemokratie wie selbstverständlich zusammengedacht werden konnten. Von Sympathie getragen, aber jeglicher Radikalität abhold ist etwa das Porträt von Peter Weiss, dessen „Ästhetik des Widerstands”, kaum zwanzig Jahre alt, mittlerweile so ferngerückt ist.
In Arnolds Ästhetik kann sogar Rolf Hochhuth einen recht geräumigen Platz haben - der Sturz des ehemaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Filbinger war zweifellos auch ein Sieg der Literatur. Auffällig aber, wie reserviert sich Arnold gegenüber Günter Grass zeigt. Dessen „besserwisserischer Ton”, „das politische Rechthabenwollen” wird mehrfach gerügt, und an „Ein weites Feld” lässt Arnold überhaupt kein gutes Haar. Martin Walser dagegen behandelt er fast liebevoll, das Kapitel über ihn ist sogar eine empfehlenswerte kleine biographische Feldstudie. Arnold schlägt einen Bogen von den kleinbürgerlichen Figuren Walsers bis hin zu den heiklen politischen Einlassungen der letzten Jahre; er versucht sie ästhetisch zu begründen und zu verstehen. Hier stellt sich wieder das merkwürdige Gefühl ein, dass Arnold subjektiver schreibt, als es der sachliche Ton vermuten lässt.
Porträtiert werden außerdem Hans Henny Jahnn, Friedrich Dürrenmatt, Uwe Johnson und Peter Rühmkorf. Der jüngste der Autoren ist Hans Joachim Schädlich (Jahrgang 1935), Arnold widmet diesem großen Moralisten eine einfühlsame Annäherung. Der älteste aber ist Ernst Jünger, und hier zeigt sich Arnolds Stil am überzeugendsten: Geduldig zeichnet er die Jüngersche Haltung nach, diese spezifisch deutsche Mischung aus elitärem und kriegerischem Gestus aus dem Geist des Ersten Weltkriegs.
Er zitiert ohne Schaum vor dem Mund und arbeitet detailliert heraus, aus welch verdrucksten, provinziellen, dumpfen Quellen sich die scheinbar so heroische und souveräne Haltung des „Waldgängers” und „Anarchen” im Forsthaus in Wilflingen bis zuletzt speiste. Arnolds Kritik richtet sich vor allem gegen Jüngers Ablehnung der Geschichte, der historischen Erfahrung. Sein eigenes Buch ist ein beredtes Plädoyer dafür, sie ernst zu nehmen. HELMUT BÖTTIGER
HEINZ LUDWIG ARNOLD: Von Unvollendeten. Literarische Porträts. Wallstein Verlag, Göttingen 2005. 335 Seiten, 26 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Weniger als Kritiker denn als Autor und Vermittler begreife sich der Herausgeber und Gründer der seit 1962 erscheinenden Zeitschrift "Text + Kritik", Heinz Ludwig Arnold. Und so findet Rezensent Helmut Böttiger den "objektivierenden Gestus" in der Essaysammlung über zwölf deutsche Schriftsteller, die vor allem die Literaturdebatten der sechziger und siebziger Jahre bestimmten, nicht weiter verwunderlich. Die Auswahl der Porträtierten gründe sich allein auf die persönliche Bekanntschaft mit den Autoren. Vor allem die Stücke über Heinrich Böll und Ernst Jünger, seien "instruktiv und eingehend" geschrieben, wenn auch der Rezensent für diese ungewöhnliche Kombination eine weitergehende Erklärung des Verfassers vermisst. "Ohne Schaum vor dem Mund" nähere sich Arnold seinen Autoren, manchmal allerdings vermutet der Rezensent hinter dem "sachlichen Ton" eine versteckte Subjektivität.

© Perlentaucher Medien GmbH