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Rifkas Dichtung belegt, welchen ungeheuren Weg die arabische Lyrik seit der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts zurückgelegt hat. Zwar bleibt das Pathos der arabischen Poesie unterschwellig erhalten, doch verzichten diese Gedichte auf die traditionellen rhetorischen Mittel und zeichnen sich durch zunehmende Verknappung und große Einfachheit aus, was Rifka eine Sonderstellung unter den großen arabischen Dichtern der Gegenwart verleiht. Rifkas Lyrik schlägt eine Brücke zwischen den Kulturen des Orients und des Okzidents.

Produktbeschreibung
Rifkas Dichtung belegt, welchen ungeheuren Weg die arabische Lyrik seit der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts zurückgelegt hat. Zwar bleibt das Pathos der arabischen Poesie unterschwellig erhalten, doch verzichten diese Gedichte auf die traditionellen rhetorischen Mittel und zeichnen sich durch zunehmende Verknappung und große Einfachheit aus, was Rifka eine Sonderstellung unter den großen arabischen Dichtern der Gegenwart verleiht. Rifkas Lyrik schlägt eine Brücke zwischen den Kulturen des Orients und des Okzidents.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.02.2003

Stern hinter Wolken
Ein arabischer Hölderlin: Gedichte von Fuad Rifka

Die Lyrik ist immer noch die angesehenste Gattung der arabischen Literatur. Dichter - wie Adonis - werden als säkulare Propheten verehrt. Oder - wie der Palästinenser Mahmud Darwish - als Symbolfiguren im politischen Kampf. Den im Libanon aufgewachsenen Syrer Fuad Rifka kann man mit solchen Kategorisierungen nicht fassen. Er ist weder Prophet noch Rebell. Rifka, der arabische Christ, hat Teile der Bibel in eine modernisierte arabische Fassung gebracht, und die Dichtung, die er schreibt, ist ohne sein religiöses Erbe nicht denkbar.

Entscheidend für seine Entwicklung ist seine Beziehung zu Deutschland geworden. In Tübingen hat der heute zweiundsiebzigjährige Rifka Philosophie studiert und 1965 über Heidegger promoviert. Er hat Hölderlin, Goethe, Novalis, Rilke und Trakl übersetzt und in der Beiruter Avantgardezeitschrift "Shi'r" (Dichtung) moderne deutsche Lyrik vorgestellt. Rifkas eigene Lyrik ist in Deutschland bisher in zwei kleinen, inzwischen vergriffenen Publikationen erschienen. Der schön gemachte Band "Das Tal der Rituale", eine Auswahl aus den letzten fünfzehn Jahren seines Schaffens, könnte den Dichter bei uns nun endlich bekannter machen.

Die deutsche Lyrik ist nach Rifkas Bekenntnis ein Freund, "mit dem ich ruhig im selben Haus wohnen kann". Ein Satz, der das Fremde seiner Poesie mildert, aber auch dazu verführt, über Verwandtschaften zu spekulieren. Wer Rifka im Original liest, glaube, Hölderlin auf arabisch zu lesen, schreibt Stefan Weidner in seinem Nachwort. Um dann aber - aus der Erfahrung des Übersetzers - entschieden zu modifizieren: "Was läge ferner als Hölderlin? Nichts von der langen, gewundenen, griechischen Syntax. Nichts von den Odenmaßen. Nichts von der Mythentrunkenheit. Nichts Ausschweifendes. Gut so, sonst wäre es Parodie. Hölderlin kommt am Anfang des einundzwanzigsten Jahrhunderts völlig verwandelt nach Deutschland zurück und, gewiß auch das, reduziert."

Halten wir uns zunächst an die Reduktionen. Fuad Rifka ist ein Dichter der Konzentration und des Konzentrats, des knappen Bilds und der schönen Nüchternheit. Er ist nie geschwätzig, nie hybrid. Er kehrt nicht den Propheten heraus, nicht das große Subjekt. Er gibt sich bescheiden, fast demütig und liebt es, durch lyrische Masken zu sprechen. So vor allem in dem Zyklus "Tagebuch eines Holzsammlers". Unser Holzsammler ist nicht bloß in Wäldern zu finden: "In Manhattan bettet sich / der Holzsammler / in die Falten seiner Hände. / Er schläft / ohne zu schlafen." Ein Mystiker in New York. Der durchaus weltläufige Autor ist zugleich ein dezidiert unzeitgemäßer Poet. Er verschmäht die aktuellen Diskurse und lädt uns in seine Hütte: "Und die Freunde werden sich freuen / über das Brot und den Wein / und über den Ofen." Dieser Ofen gemahnt von fern - oder gar nicht so fern - an den Ofen in einer Schwarzwälder Hütte. Auch der Hölderlin, den man hier evoziert findet, dürfte einiges mit Heideggers Hölderlin zu tun haben.

Seine Liebe zur deutschen Kultur hindert Rifka nicht, seiner Dichtung auch andere mythische und mythologische Bezüge zu implantieren. Mit andern Worten: der Dichter ist Synkretist. In den "Gedichten eines Indianers" ist die Maske offenbar nur noch Vorwand, um "Tübingen", einen "Derwisch" oder den "Neuen Hiob" zueinanderzubringen. Im "Krug des Samariters" beschwört Rifka die Gestalt des barmherzigen Samariters als Figur einer Epiphanie: "Ein Krug auf seiner Schulter / ein Brotlaib in seiner Hand, / und in seiner Stimme / ein Kissen, ein Verband." Der Zyklus "Die Ruine des Sufis" rekurriert auf die altpersische Sufi-Mystik. Das Titelgedicht spricht von einem Sufi-Poeten, der die Dichtung mit Askese und Einsamkeit vertauscht: "Als er die Dichtung vergaß, / war er ein Dichter." Rifka kommt diesem Paradox so nah wie möglich. Er kann (und will) die Dichtung nicht vergessen, aber er verlangt ihr asketische Einfachheit ab. Er ist ein Dichter, der an Worte glaubt, weil er in ihnen die Wahrheit repräsentiert sieht.

Der letzte Zyklus formuliert diesen Anspruch in einer Präambel: "Das Tal der Rituale besteht aus mehreren Hymnen in einer Hymne auf vielen Saiten. Die Saiten dieser Hymne sind ,alt', fremdartig für den ,modernen' Leser, für die ,Moderne' und was danach kommt. Deshalb wird sie wie ein Stern hinter Wolken sein." Ein fast romantisches Programm, aus dem man das Echo von Novalis' "Hymnen" hören mag.

Religiöses Erfüllungsverlangen verbindet sich mit apokalyptischen Vorstellungen. So endet eine Sequenz mit der Ölbergszene: sehnsuchtsvoll dringlich: "Gib uns ein Zeichen / Oh Herr / Ein einziges Zeichen, / Nichts sonst, und wir kommen." Am Schluß dieses großgedachten Zyklus hört man die Stimmen von einem Begräbnis. Nachgetragen wird eine Art Regiebemerkung: "Das Echo entfernt sich, in den Nischen des Tempels verlöschen die Kerzen, ein leichter, unruhiger Wind wird vernehmbar, ein Säuseln wie das Röcheln der Sterbenden." Hier ist Fuad Rifka bei Beckett und Celan angekommen. Er nimmt den Hymnenton zurück. Er bedarf keiner Maske mehr. Er wartet auf ein Zeichen, das die Zeit endet, die Moderne endet. Der Dichter spricht mit gedämpfter Stimme, fast anonym, aber unverkennbar er selbst.

Fuad Rifka: "Das Tal der Rituale". Ausgewählte Gedichte. Arabisch-deutsch. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Stefan Weidner. Aus dem Arabischen übersetzt von Ursula und Simon Yussuf Assaf und Stefan Weidner. Straelener Manuskripte Verlag, Straelen 2002. 128 S. geb., 26,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Rezensent Harald Hartung freut sich ausdrücklich über den schön gemachten Band mit einer Auswahl des Schaffens des im Libanon aufgewachsenen syrischen Dichters, den er als "Dichter der Konzentration und des Konzentrats, des knappen Bilds und der schönen Nüchternheit" bezeichnet. Rifka sei "nie geschwätzig, nie hybrid", schreibt Hartung, womit sich der "arabische Christ" für ihn deutlich von anderen prominenten Vertretern (wie Darwish oder Adonis) dieser "angesehensten Gattung der arabischen Literatur" absetzt, die als säkulare Propheten verehrt würden. Obwohl Rifka, der Hartung zufolge 1965 in Tübingen über Heidegger promovierte und später auch Teile der Bibel in eine moderne Fassung gebracht habt, ohne sein religiöses Erbe nicht zu denken sei, kehre er nicht den Propheten heraus, "nicht das große Subjekt". Vielmehr gebe er sich bescheiden, "fast demütig" und liebe es, durch lyrische Masken zu sprechen. An anderer Stelle bezeichnet Hartung den Lyriker auch "Synkretist", der in seine Gedichte auch andere mythische und mythologische Bezüge implantiere, in der Hartung sich Erfüllungsverlangen mit apokalyptischen Vorstellungen verbinden sieht.

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