Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 2,00 €
  • Gebundenes Buch

Als Erbe einer alten japanischen Familie ist Kenji Takahashi seinen Eltern Gehorsam schuldig, so will es die Tradition. Deshalb lässt er sich zur Scheidung drängen, als seine Ehe kinderlos bleibt - und erfährt wenig später, dass er selbst unfruchtbar ist. Zutiefst verstört zieht er nach Tokio, vergräbt sich in seine Arbeit. Ein einziger Mensch zählt noch für ihn: seine Amme Sono, die ihm in der Kindheit, fast gegen den Widerstand der Eltern, alle Liebe zuteil werden ließ, die er seither bitter vermisst. Die Bekanntschaft mit der sensiblen Mariko, die einen unehelichen Sohn hat, fällt wie ein…mehr

Produktbeschreibung
Als Erbe einer alten japanischen Familie ist Kenji Takahashi seinen Eltern Gehorsam schuldig, so will es die Tradition. Deshalb lässt er sich zur Scheidung drängen, als seine Ehe kinderlos bleibt - und erfährt wenig später, dass er selbst unfruchtbar ist. Zutiefst verstört zieht er nach Tokio, vergräbt sich in seine Arbeit. Ein einziger Mensch zählt noch für ihn: seine Amme Sono, die ihm in der Kindheit, fast gegen den Widerstand der Eltern, alle Liebe zuteil werden ließ, die er seither bitter vermisst. Die Bekanntschaft mit der sensiblen Mariko, die einen unehelichen Sohn hat, fällt wie ein Lichtstrahl in Kenjis erstarrtes Leben. Er heiratet sie, auch wenn dies den endgültigen Bruch mit seinen Eltern bedeutet, die eine Frau von "zweifelhafter Herkunft" nicht akzeptieren. Erst spät, nachdem er aus Krieg und Gefangenschaft zurückgekehrt ist, erfährt Kenji durch einen Zufall von der Lebenslüge seiner Eltern und dem Geheimnis seiner eigenen Herkunft.
Autorenporträt
Aki Shimazaki, geboren 1954 in Japan, lebt seit über 20 Jahren in Kanada.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Einen "kleinen, aber beherzten Roman" hat Aki Shimazaki geschrieben, meint Rezensent Burkhard Müller. Die japanische Autorin erzählt auf gerade einmal 117 Seiten den "ganzen Lebenslauf" eines jungen Mannes, der sich gegen die Zwänge des japanischen Adels der 30-er Jahre auflehnt. Der Gipfel der Revolte ist erreicht, als sich der Protagonist von seiner Familie lossagt und damit einen "mutmaßlich unerhörten Schritt wagt". Gefühle werden dem Leser jedoch nur versteckt präsentiert, weiß der Kritiker. Und so könne man nur ahnen, "mit welcher Entschiedenheit" Shimazaki die Themen Tradition, Schuld und Neubeginn verhandelt. Auch Shimazakis Sprache werde dem Leser zunächst in ihrer "Sprödheit" fremd vorkommen, in die man sich langsam "einlesen" müsse. Dann jedoch erwarte einen ein Buch, das bei allem "Lakonismus des Sprechens" genug Raum bietet für die "Erstarrung" einer Familie, aber auch das "große Glück", das im Aufbegehren liegt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.04.2005

Die blaue Blume von der Donau
Ein kleiner, aber beherzter Roman von Aki Shimazaki
Was den Westen an Japan immer fasziniert hat, ist die fremdartige Schlichtheit der wichtigen Dinge. Ikebana: eine Blume. Zen: ein Stein auf der geharkten Fläche. Harakiri: ein Streich und Schluss.
In diesem Sinn muss einem deutschen Leser Aki Shimazakis Roman „Wasurenagusa” als sehr japanisches Buch erscheinen. Ein ganzer Lebenslauf, der sich über ein halbes Jahrhundert, zwei Ehen und vier Generationen erstreckt, nimmt nur 117 Seiten in Anspruch. Der Lakonismus seines Sprechens hat Raum für die Erstarrung des Familienlebens in einer traditionsbewussten Adelsfamilie der dreißiger Jahre, für die Trostlosigkeit im Leben des Sohns Kenji Takahashi, eines Wissenschaftlers, der von seiner Mutter gezwungen wird, seine Frau zu verstoßen, weil sie ihm keine Kinder schenkt; aber auch für seine unscheinbare und tiefe Revolte und das große Glück, das er sich auf diesem Weg erobert. Auf dem Rückweg von der Arbeit kommt er an einer kleinen christlichen Pfarrei vorbei, ein Zettel verkündet, es werde jemand zum Reparieren des Dachs gesucht; er bietet sich an, obwohl das christliche Denken ihm ganz fern steht, seine Besuche in Pfarrei und Kinderheim werden zur Gewohnheit. Dort lernt er Mariko kennen, die - Schande in einer konservativen Gesellschaft - ein uneheliches Kind hat, den fünfjährigen Yukio, der, obwohl er in Tokyo lebt, noch nie das Meer gesehen hat und noch nie Eisenbahn gefahren ist. Alle zusammen machen einen Ausflug, um es nachzuholen, und gelangen auf einen Tempelfriedhof.
„Ich beuge mich über einen Stein, um die Inschrift zu lesen. Ich höre, wie Yukio seine Mutter fragt:
,Mama, wo ist unseres?‘
,Wir haben kein Grab‘, erwidert Mariko.
,Was heißt das? Haben wir keine Vorfahren?‘
,Doch, schon, aber wir kennen sie nicht.‘
Einen Augenblick lang schweigt er. Unvermittelt sagt Mariko:
,Yukio, ich werde Herrn Takahashi bald heiraten.‘
Mir verschlägt es den Atem. Sie fährt fort:
,Wir werden alle drei zusammenwohnen. Herr Takahashi mag dich sehr.‘”
Mehr ist an diesem Wendepunkt nicht erforderlich. Und noch weniger am anderen, als Takahashis Mutter der Braut die Frage stellt: „Sie sind von zweifelhafter Herkunft, nicht wahr?”, woraufhin der Sohn sich in aller Form von der Familie lossagt - ein in Japan mutmaßlich unerhörter Schritt. Erst spät erfährt er das Geheimnis seiner Familie: Auch er war schon ein adoptiertes Kind, seine geliebte Kinderfrau Sono in Wahrheit seine Mutter. „Diejenigen, die keine Kinder haben, sind traurig, dass ihre Familienlinie erlischt.”
Schuld und Neubeginn
Man muss sich einlesen in die Sprödheit dieser Sprache, die wie eine Decke bloß den Umriss der Gefühle erkennen lässt, über die sie geworfen ist. Man kann nur ahnen, mit welcher Entschiedenheit hier, im gedoppelten Motiv des angenommenen Sohns, die Themen von Tradition, Schuld und Neubeginn verhandelt werden. Yukio muss in der Schule die Liste der japanischen Kaiser auswendig lernen, Väter und Söhne in ununterbrochener dynastischer Reihe. „Es gibt insgesamt einhundertvierundzwanzig”, klagt er, „das ist zu viel!” Das Buch, so schmal es ist, hat Raum für den japanischen Angriff auf die Mandschurei, die Massaker an Koreanern in Tokyo nach dem Erdbeben von 1923 und die Atombombe auf Nagasaki, der die Takahashis nur durch glückliche Zufälle entrinnt.
„Wasurenagusa” ist auf Japanisch das Vergissmeinnicht. Man erfährt die dazugehörige Geschichte: Im Mittelalter ging ein Ritter am Ufer der Donau spazieren, pflückte seiner Dame ein paar der blauen Blumen, die Strömung riss ihn mit, ihm gelang es noch gerade, die Blumen ans Ufer zu werfen und auszurufen: Vergiss mich nicht. Ausgerechnet die Donau! denkt der Leser. Aber man sollte nicht aus den Augen verlieren, dass es, wie ein europäisches Japan, so auch ein japanisches Europa gibt. Kenji bringt Sono, mit der es zu Ende geht, einen Strauß dieser Blumen ins Krankenhaus mit. „Sie hat gelächelt und gesagt: ,Den japanischen Namen dieser Blume kenne ich nicht. Das ist eigenartig.‘ Ich antwortete: ,Auf Japanisch heißen sie Wasurenagusa.‘ ,Wasurenagusa? Was für ein schöner Name!‘ ,Ehrlich gesagt, ich kannte ihn auch nicht. Mariko hat ihn mir bei unserer ersten Unterhaltung in der Kirche genannt.‘ Sono lächelte: ,Das scheint mir sehr symbolträchtig für euch beide!‘” Die blaue Blume, das Mauerblümchen, hierzulande rettungslos sentimental verschlissen, kriegt in Japan eine zweite Chance voll ungeahnter Möglichkeiten.
Im Westen scheint es sich inzwischen eingebürgert zu haben, dass japanische Bücher zunächst relativ rasch in eine einzige Sprache übersetzt und von diesem zentralen Brückenkopf aus ins Hinterland der anderen Sprachen verteilt werden - Aki Shimazakis Buch kommt auf direktem Weg nicht aus Japan, sondern aus Frankreich zu uns. Nur so, hat vor kurzem Harushi Murakami erklärt, gibt es eine Chance, dass zeitgenössische japanische Literatur auch einigermaßen zeitnah in die Fremde gelangt.
BURKHARD MÜLLER
AKI SHIMAZAKI: Wasurenagusa. Roman. Aus dem Französischen von Bernd Wilczek. Kunstmann Verlag, München 2005. 119 Seiten, 14,80 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
…mehr