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Quer durch den Sudan verläuft die Bruchstelle zwischen dem arabischen Norden Afrikas und dem"Schwarzen"Kontinent, zwischen dem Islam und dem"ungläubigen"Rest. Und daran droht der größte Staat Afrikas zu zerbrechen. Doch Religion und kulturelle Unterschiede sind nur eine Erklärung für die immer wieder aufflammenden Unruhen in den südlichen Provinzen und in Darfur. Handfeste wirtschaftliche Interessen großer ausländischer Mächte lähmen die Handlungsfähigkeit der Weltgemeinschaft.

Produktbeschreibung
Quer durch den Sudan verläuft die Bruchstelle zwischen dem arabischen Norden Afrikas und dem"Schwarzen"Kontinent, zwischen dem Islam und dem"ungläubigen"Rest. Und daran droht der größte Staat Afrikas zu zerbrechen. Doch Religion und kulturelle Unterschiede sind nur eine Erklärung für die immer wieder aufflammenden Unruhen in den südlichen Provinzen und in Darfur. Handfeste wirtschaftliche Interessen großer ausländischer Mächte lähmen die Handlungsfähigkeit der Weltgemeinschaft.
Autorenporträt
Thilo Thielke arbeitet seit vielen Jahren als Redakteur des »Spiegel« und berichtete bis zum Sommer 2008 aus Afrika. Zahlreiche Buchveröffentlichungen, darunter der Bestseller »Eine Liebe in Auschwitz«. Im Verlag Die Werkstatt erschien seine Biografie über die Fußball-Legende Reinhard Libuda in mehreren Auflagen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.12.2006

Mörderischer Unfug
Geschäfte mit dem Krieg im sudanesischen Darfur
Thilo Thielke ist seit Jahren Korrespondent in Afrika. Er leidet, er trägt die ganze Enttäuschung des einstigen Enthusiasten. Er steht vor den Trümmern einer Staatenlandschaft. In Darfur im Westsudan tobt ein Völkermord, der sich nur in einem von dem in Ruanda unterscheidet. Er hat nicht diese Geschwindigkeit. Das Skandalöseste: Es gibt offenbar auf dieser Welt Muslime erster und zweiter Klasse. Die in Darfur sind alle Muslime zweiter Klasse, weil die Darfuris Schwarzafrikaner sind und nicht Araber. Die arabisch dominierte Organisation der islamischen Staaten kümmert sich nicht im geringsten um sie.
Thielke schreibt voller Wut. Die westliche Welt will den Krieg im Lande des Mahdi beenden, aber sie schafft es nicht. Warum? Öl ist gefunden worden, die Öl-Felder sind groß und ausbaufähig. China als UN-Vetomacht hält den Daumen auf den Ölfeldern von Bentiu und lässt auf die Regierung des General Omar al-Bashir nichts kommen. Mit großem Pomp wurde der Krieg der Araber des Nordens mit dem schwarzafrikanischen Süd-Sudan 2005 beendet, nicht der neue Krieg in Darfur. Auf den letzten 20 Seiten bringt der Autor nur Zitate aus Agenturen; eine Litanei von Gräueltaten, die in Darfur unter aller Augen geschehen.
Thielke sieht, was mit Waffen und Armeen für ein teurer und mörderischer Unfug gemacht wird. Aber auch mit Helfern und Hilfsgütern: 1989 hatten die UN ein Dorf zum Zentrum ihrer „Operation Lifeline Sudan” gemacht. Das sollte eine Notmaßnahme sein. Schnell wurde aus dem gottverlassenen Nest mit ein paar Turkana-Kriegern eine Hilfs-Stadt mit Tausenden Weißen, einem Riesenflughafen, einem Riesenhospital, Restaurants mit viel Bier und Whisky.
Mehr als 150 000 Tonnen Lebensmittel werden pro Jahr seit 1989 mit dickbäuchigen Herkules-C-130-Transportflugzeugen über dem Süd-Sudan abgeworfen: Dabei wird vergessen, dass man die Maissäcke auf Bauern abwirft, die selbst produzieren können. Thielke rüttelt an einem Tabu: Der Westen hat eine gut geölte Hilfsindustrie mit gut bezahlten Agenten, einer eigenen Sprache, eigenem aus Europa kommenden Wohlstand. Das einzige, was Afrika dazu gibt, ist die Exotik der „edlen Wilden”. Der Autor zitiert den kenianischen Ökonomen James Shikwatim: Die Zahl dieser Helfer, die sich in Afrika herumtreiben, liegt bei etwa 40 000. RUPERT NEUDECK
THILO THIELKE: Krieg im Lande des Mahdi. Darfur und der Zerfall des Sudan. Magnus Verlag, Essen 2006. 400 Seiten, 14,95 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.12.2006

Ansichten und Absichten
Die Tragödie in Sudan und die internationale Entwicklungshilfe

Im sudanesischen Darfur spielt sich derzeit laut Einschätzung der Vereinten Nationen die weltweit schlimmste humanitäre Katastrophe ab. Das vor einigen Monaten unterzeichnete Friedensabkommen, mit heißer Nadel gestrickt und unter Druck der EU und der Vereinigten Staaten durchgesetzt, hat Darfur keinen Frieden gebracht, im Gegenteil. Neue Fraktionen und Fronten entstanden, Übergriffe und Auseinandersetzungen haben seither noch zugenommen, die Versorgungslage ist prekärer denn je. Die Tragödie in Sudan sei nicht zuletzt, so meint eine Reihe von Afrika-Spezialisten, auf das Versagen der internationalen Gemeinschaft zurückzuführen. Sie habe, obwohl sie es hätte besser wissen müssen, durch Routine-Diplomatie, Trägheit und mangelnde Courage zahllose Menschen dem sicheren Tod geweiht.

Der Afrika-Korrespondent Thilo Thielke läßt an den Diplomaten ebenfalls kein gutes Haar. In seinem mit flotter Feder formulierten Reportageband zeichnet er ein höchst desillusionierendes, zuweilen zynisches Porträt der Afrika-Politik des Westens und der Vereinten Nationen. Besonders bösartig geraten dem Autor Bemerkungen über die Entwicklungshelfer, die "Freischärler des Altruismus", die er - Ausnahmen bestätigen die Regel - als naiv, überfordert oder eitel charakterisiert: "Im Moment ist Afghanistan der letzte Schrei in der Helferszene. Da ist die Action, da sind die Kameras. Man will ja nicht nur Gutes tun, sondern dabei nach Möglichkeit auch gefilmt werden." Aber auch afrikanische Politiker bekommen reichlich ihr Fett weg. Und dies zu Recht: Die Regierung in Khartum ignoriert dreist die Aufforderung, ihre Mördermilizen zu entwaffnen, verweigert mit Nachdruck die Stationierung von UN-Blauhelmen im Land, bläst gar zur Jagd auf westliche Vertreter i Sudan und setzt auch nach dem Friedensabkommen ihre Terrorpolitik fort. Die führenden Vertreter der Rebellen sind in der Regel korrupt und brutal, "sinistre Warlords" und "kleine Gangster". Die Afrikanische Union (AU), in welcher der libysche Diktator Muammar al-Gaddafi seit einiger Zeit die Fäden zieht, ist völlig unfähig, im Krieg zu vermitteln und Gewalttaten zu verhindern. Anhand eines Gesprächs mit einem hochrangigen Vertreter der Union führt der Autor eindrucksvoll vor, daß zumindest einigen Offiziellen der AU das Schicksal der Menschen in Darfur egal ist.

Im Zentrum des Buches steht eine Reise, die Thielke zusammen mit einem anderen Journalisten im vergangenen Jahr durch Darfur machen konnte. Ein offizielles Visum der Regierung in Khartum bekam er natürlich nicht. So schmuggelte er sich auf eigene Gefahr aus dem Nachbarland Tschad illegal über die Grenze und bewegte sich im Gefolge der Rebellen der Sudan Liberation Army vorwärts. Ebenso beeindruckend wie niederschmetternd sind Schilderungen der Schicksale einfacher Menschen, der Opfer des Krieges in Darfur. Der achtzehnjährige Faisal Mohammed Wadi berichtet, wie die Stadt Khor Abeche von den Regierungsmilizen dem Erdboden gleichgemacht wurde. Die gleichaltrige Asisa Ahmed Issa, die ihre Familie und all ihr Hab und Gut verlor, konnte sich in den Tschad retten. Seinen Reisebericht garniert Thielke mit Abschnitten zur Geschichte Sudans. So notwendig der historische Hintergrund zum Verständnis des gegenwärtigen Konfliktes ist, so verwirrend sind die über mehrere Kapitel verstreuten Informationen. Überdies kommen allzu ausführlich deutsche Afrika-Reisende des neunzehnten Jahrhunderts zu Wort. Ob die über viele Seiten unkommentiert zitierten, aus ethnographiegeschichtlicher Sicht sicherlich sehr aufschlußreichen Eindrücke aus der Feder von Alfred Edmund Brehm, Hermann Fürst von Pückler-Muskau oder Gustav Nachtigal die Analyse des Genozids in Südsudan schärfen helfen, erscheint doch zweifelhaft. Schließlich bedient der Autor gelegentlich das Stereotyp, die afrikanischen Antipoden seien in die Steinzeit und in atavistisches Verhalten "zurückgefallen", wo er doch an anderer Stelle sehr deutlich zeigt, wie "modern" der Krieg in Sudan ist.

Für Thielke steht nach seiner Fahrt durch Sudan fest: Entwicklungshilfe bewirkt oft das Gegenteil des Beabsichtigten und unterstützt die Falschen. Er zitiert unter anderem den kenianischen Ökonomen James Shikwati, der vehement "Hilfe durch Nichthilfe" fordert und mit Blick auf Sudan zetert: "Wer 700 Millionen Dollar an Öleinnahmen verschleudern kann, der braucht auch keine Hilfe. Das wäre doch das völlig falsche Signal." Den hungernden Menschen in den Flüchtlingslagern mag dieser Hinweis freilich akademisch erscheinen.

ANDREAS ECKERT.

Thilo Thielke: Krieg im Lande des Mahdi. Darfur und der Zerfall des Sudan. Magnus Verlag, Essen 2006. 400 S., 14,95 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Gut, dass Thilo Thielke sich auf den Sudan beschränkt, meint der Rezensent "ach". Der allein sei nämlich immer noch so groß, dass der Autor nicht alle Konflikte und Konfliktgebiete ansprechen kann. Wenn Thielke in seiner "verspielt-grimmigen" Art das Land und seine Geschichte in Ausschnitten skizziert, beschleicht den Rezensenten das Gefühl, dass nicht der Begriff vom "Zerfall", wie Thielke vorschlägt, der richtige Begriff ist, um den Vorgängen in diesem Land einen gemeinsamen Nenner zu geben, da der Sudan noch nie eine Einheit gewesen sei. "Ach" schlägt dagegen "Wahnsinn" vor. Am restlichen Inhalt hat "ach" offenbar nichts auszusetzen, auch die scharfen Attacken gegen die "Hilfe-Industrie" stoßen ihm nicht sauer auf. Kritischer sieht er die "journalistischen Mätzchen", mit denen der Autor seiner Meinung nach die Wirkung seiner Beschreibungen erhöhen will. Die häufigen Zeit- und Ortswechsel, die eingestreuten Agenturmeldungen, Interviews und Artikel sowie die Zitate von Afrika-Resienden des 19. Jahrhunderts hätte es in den meisten Fällen nicht gebraucht.

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