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Jorge Semprún (1923-2011) gehört zu den herausragenden Schriftstellern, die von den politischen Leidenschaften und der Tragik des 20. Jahrhunderts erzählen. Sein Werk bildet ein einzigartiges Zeugnis über Exil und Fluchten, Verfolgung, Illegalität und Widerstand. Es verbindet diese Erfahrungen mit künstlerischer Gestaltungskraft und einer unaufhörlichen Reflexion über die Arbeit der Erinnerung, die nie enden will. Die Monografie entwickelt die Stadien seines Werks in jener eigentümlichen Verschränkung von politischer und ästhetischer Reflexion, die seine Souveränität ausmacht.

Produktbeschreibung
Jorge Semprún (1923-2011) gehört zu den herausragenden Schriftstellern, die von den politischen Leidenschaften und der Tragik des 20. Jahrhunderts erzählen. Sein Werk bildet ein einzigartiges Zeugnis über Exil und Fluchten, Verfolgung, Illegalität und Widerstand. Es verbindet diese Erfahrungen mit künstlerischer Gestaltungskraft und einer unaufhörlichen Reflexion über die Arbeit der Erinnerung, die nie enden will.
Die Monografie entwickelt die Stadien seines Werks in jener eigentümlichen Verschränkung von politischer und ästhetischer Reflexion, die seine Souveränität ausmacht.
Autorenporträt
Schoeller, Wilfried F.
Wilfried F. Schoeller, geb. 1941 in Illertissen/Schwaben ist Literaturkritiker und Professor für Literatur des 20. Jahrhunderts, Literaturkritik und Medien an der Universität Bremen. 1990 erhielt er den Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik. 2002-2009 war er Generalsekretär des P.E.N.-Zentrums Deutschland. Schoeller lebt in Berlin und Frankfurt am Main
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.12.2006

Von Wahrheit und Fiktionen
Zwei Bücher über den Schriftsteller Jorge Semprún
Viele Schriftsteller schreiben gern darüber, was es bedeutet, zu schreiben. Wenige haben diese Frage so vieldimensional ausgelotet wie Jorge Semprún. Über jemanden schreiben, der übers Schreiben schreibt, ist besonders schwierig. Es birgt die Gefahr in sich, dass der Verfasser den besprochenen Autor mimetisch nachahmt und sich in dem daraus entstehenden Gestrüpp der Kommentare übers Schreiben verliert: Zwei Spiegel, die sich ineinander spiegeln, bleiben leer. Jeder Satz der so verfassten Arbeiten soll vielsagend sein, alle Sätze zusammen besagen nichts.
In seiner Einführung in das Werk Jorge Semprúns hat Wilfried Schöller diese Verirrung souverän gemieden: Er hält Distanz, stilistisch und inhaltlich. Sein Urteil ist von frischer Subjektivität und sein Stil von gewandter Konkretheit. Schöller lässt Semprúns Bücher Revue passieren. Wichtige Namen und Gegenstände werden erklärt: so etwa Personen, die Semprúns Dasein im KZ Buchenwald oder seine Untergrundarbeit für die kommunistische Partei Spaniens prägten. Seine Kritik, mit der Schöller nicht spart, muss man nicht teilen, eben deshalb aber gelingt es ihm, den Leser zu engagieren.
Ein Sanktum ohne Heiligkeit
In Schöllers Kommentar über Semprúns Porträt von Yves Montand ist von „misslungener Mechanik” die Rede; anlässlich des pikaresken Romans „Algarabía” fällt der Ausdruck „Bildungshuberei”; die „Autobiographie von Federico Sánchez” ist historisch „überholt”. Klar ist: Man hat es bei der Lektüre nicht nur mit Semprún, sondern auch mit Wilfried Schöller zu tun. Dass dieser Autor seinen Protagonisten dennoch hochachtet, macht er immer wieder deutlich. Über die Erinnerungen an das KZ Buchenwald, die Semprún in den 90er Jahren berühmt gemacht haben, schreibt er zum Beispiel: „Semprún streift in ,Schreiben oder Leben‘ eine Theologie, die ohne Gott auskommt, ein Sanktum ohne Heiligkeit, genannt: die Kunst.”
Was die Details von Semprúns Biographie und vereinzelte andere Fakten angeht, ist Schöllers Buch nicht ganz zuverlässig. Das liegt zum Teil an Semprún selbst, der in seinen Selbstauskünften im Hinblick auf die Daten seines Lebens stets fünf hat gerade sein lassen. Zwei Dinge sollten indes geradegerückt werden: Schöller spricht vom spanischen Totalitarismus und übersieht, dass Semprún den Frankismus ausdrücklich nicht als totalitäres System klassifiziert. Außerdem zieht Schöller eine Parallele zwischen Semprúns Urteil über den Stalinismus und Ernst Noltes Versuch, das KZ-System als Antwort auf den Bolschewismus darzustellen. Tatsächlich hält Semprún die „Nolte-These” für übel, was in diesem Zusammenhang hätte gesagt werden müssen.
In seinem bislang letzten Buch über das KZ, „Der Tote mit meinem Namen”, erzählt Semprún, wie auf Geheiß der internen kommunistischen Lagerverwaltung seine Identität mit der eines sterbenden Häftlings vertauscht wird, um ihm – den die SS auf dem Kieker hat – zum Überleben zu verhelfen. Sowohl Wilfried Schöller als auch Monika Neuhofer halten für möglich, dass dies sich in der Realität so zugetragen habe. Schöller erwähnt es nebenbei; Monika Neuhofer schreibt in ihrer Dissertation, diese Geschichte erscheine „wie das Schlüsselereignis aus Sempruns Leben”. Das färbt ihre Darstellung seiner „literarischen Auseinandersetzung mit Buchenwald”, die ihrer Ansicht nach in „Der Tote mit meinem Namen” (Paris, 2001) zur Reife gekommen ist. Semprún selbst macht indes kein Hehl daraus, dass er in diesem Roman ein Erlebnis des Buchenwaldhäftlings und späteren Diplomaten Stéphane Hessel aufgegriffen hat.
Die erste Hälfte von Monika Neuhofers Studie, ihre Analyse von „Die große Reise” (1963) und „Was für ein schöner Sonntag!” (1980), ist augenöffnend und geht weit über das hinaus, was sich aus der Lektüre unmittelbar erschließt. Verständlicherweise unterlag sie der dramaturgischen Notwendigkeit, eine Entwicklung in Semprúns Literatur darzustellen. Sie baut, auch das ist verständlich, zunehmend auf ihren eigenen Hypothesen auf. Je mehr sie das freilich tut, desto weiter entfernt sie sich von ihrem Sujet.
Sie zeigt vorzüglich, wie – implizit – der Gedanke der Weltrevolution in „Die große Reise” eingeführt wird. Später aber schreibt sie, dass „er als Stalinist die Interessen der Partei über alles andere gestellt” habe. Das belegt sie jedoch nicht (und Semprúns Weggefährten sehen ihn so auch nicht). Weil sie im Verlauf ihrer Arbeit immer weniger zwischen Literaturauslegung und Charakterstudie unterscheidet, entsteht am Ende ein höfliches, aber verzerrtes Bild davon, was Semprún im Innersten bewegt. Dem Versuch, aus der literarischen Exegese auf die Person des Autors zu schließen, sind Grenzen gesetzt. Man muss sie respektieren. Es sind Grenzen, an denen man sich auch erfreuen kann: Sie zeigen, dass die Welt sich nicht völlig entzaubern lässt. FRANZISKA AUGSTEIN
WILFRIED SCHÖLLER: Jorge Semprún. Der Roman der Erinnerung. edition text + kritik, München 2006. 251 Seiten, 16,80 Euro.
MONIKA NEUHOFER: „Écrire un seul livre, sans cesse renouvelé”. Jorge Semprúns literarische Auseinandersetzung mit Buchenwald. Vittorio Klostermann, Frankfurt a. M. 2006. 357 S., 59 Euro.
„Schreiben oder Leben”: Jorge Semprún entdeckt für sich eine Theologie ohne Gott: Die Kunst. Foto: Regina Schmeken
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Sehr zufrieden ist Franziska Augstein mit Wilfried Schöllers Einführung in das Werk Jorge Sempruns. Sie bescheinigt dem Autor stilistische und inhaltliche Souveränität, ein Urteil von "frischer Subjektivität" und einen Stil von "gewandter Konkretheit". Die Vorstellung von Sempruns Werken scheint ihr ebenso erhellend wie die von Personen, die seine Zeit im KZ Buchenwald oder seine Untergrundarbeit für die kommunistische Partei Spaniens prägten. Gefallen hat ihr zudem, dass Schöller nicht mit Kritik an Semprun spart, ihm aber immer hohe Achtung entgegenbringt. Im Blick auf die Details von Sempruns Biografie hält sie Schöllers Buch nicht immer für "ganz zuverlässig", was allerdings zum Teil an Semprun selbst liege, der es in seinen Selbstauskünften im Hinblick auf die Daten seines Lebens nicht so genau genommen hat.

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