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'Ich, dann eine Weile nichts' ist die literarische Auferweckung Bogislaws XIV. (1580-1637), des letzten Herzogs von Pommern. Volker Altwasser lässt diese tragische Figur, den Letzten einer ruhmvollen Herrscherdynastie, selbst zur Sprache kommen. Vor historisch detailliert recherchierter Kulisse erstellt er dasPsychogramm eines Scheiternden und spannt mit überraschenden Anspielungen auf Shakespeare und Schiller einen atemberaubenden Bogen. Mutig inszeniert Altwasser, der »grandiose Erzähler, der Menschenfischer« (Thomas Hürlimann) ein tolldreist gereimtes Theaterstück, eingebettet in eine…mehr

Produktbeschreibung
'Ich, dann eine Weile nichts' ist die literarische Auferweckung Bogislaws XIV. (1580-1637), des letzten Herzogs von Pommern. Volker Altwasser lässt diese tragische Figur, den Letzten einer ruhmvollen Herrscherdynastie, selbst zur Sprache kommen. Vor historisch detailliert recherchierter Kulisse erstellt er dasPsychogramm eines Scheiternden und spannt mit überraschenden Anspielungen auf Shakespeare und Schiller einen atemberaubenden Bogen. Mutig inszeniert Altwasser, der »grandiose Erzähler, der Menschenfischer« (Thomas Hürlimann) ein tolldreist gereimtes Theaterstück, eingebettet in eine Litanei der Verzweiflung, in eine rhythmische Reflexionssuada über das Herrschen, über die Macht, die Schwäche und über die Macht der Schwäche. Bogislaw, der letzte Pommernherzog, der alles wollte, verliert am Ende noch sich selbst. Altwasser betritt mit diesem »Theaterroman« literarisches Neuland und wagt die Eroberung eines Terrains, dessen Grenzen sich von Schiller zu Artaud erstrecken.
Autorenporträt
Altwasser, Volker Harry§Volker Harry Altwasser, 1969 in Greifswald geboren, war nach einer Asubildung zum Elektronikfacharbeiter u.a. tätig als Heizer in der Reichsbahndirektion, Matrose in der NVA, Gefreiter auf der Fregatte »Bremen«, wo er nicht zum Obergefreiten befördert wurde, weil er auf Las Palmas das Auslaufen des Schiffes »verpasste«. 1998 bis 2002 studierte er am Deutschen Literaturinstitut der Uni Leipzig. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter 2003 seinen Debutroman Wie ich vom Ausschneiden loskam. 2011 wurde er mit dem Italo Svevo Preis ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.07.2013

Wenn seine Durchlaucht der Kater schlaucht
Volker Harry Altwassers Roman „Ich, dann eine Weile nichts“ stellt Bogislaw XIV., den zögerlichen letzten Herzog von Pommern
in eine Reihe mit Shakespeares Hamlet und Schillers Wallenstein – doch Zaudern ist ein schwieriger Stoff für die Literatur
VON BURKHARD MÜLLER
Maikäfer flieg“, singt man noch heute den Kindern vor. „Dein Vater ist im Krieg. Deine Mutter ist in Pommerland, Pommerland ist abgebrannt. Maikäfer flieg!“ In das Idyll bettet sich das historische Grauen, von dem kaum mehr jemand anzugeben wüsste, was es damit auf sich hatte. Aber auf eine märchenhaft beunruhigende Weise west es fort.
  An dieses vor langer Zeit verkohlte Stück Deutschland erinnert Volker Harry Altwasser in seinem Buch über Bogislaw XIV., den Letzten seines Stammes, eines Stammes, der, wie die Ordnungszahl hinter dem Namen erkennen lässt, sehr lang über das Ostsee-Herzogtum geherrscht hatte. Nun aber geht es zu Ende; Bogislaw hat keine Nachkommen, und im Dreißigjährigen Krieg richten sich viele Begehrlichkeiten auf sein Erbe.
  Zuerst erscheint Wallenstein vor den Toren des pommerschen Stralsund und verkündet, es müsse fallen, und wenn es mit Ketten an den Himmel geschmiedet wäre. Aber alsbald greift aus Schweden Gustav Adolf ein, scheinbar zur Rettung des bedrohten Luthertums, in Wahrheit mit dem Plan eines großen Reichs rund ums Baltische Meer – und er haust noch schlimmer als die Wallensteiner. Am Ende dieses furchtbaren Kriegs wird Pommern zwei Drittel seiner Bevölkerung verloren haben und, aufgeteilt zwischen Schweden und Brandenburg, von der Karte verschwunden sein.
  Und Bogislaw? Er tut einfach nichts. Er fügt sich erst dem kaiserlichen General, dann dem schwedischen König, ein dicker, lethargischer Trunkenbold, und überlebt sie doch beide. Seine letzten Lebensjahre hindurch kann er sich, entstellt von Schüssen ins Gesicht und gelähmt durch einen Schlaganfall, kaum mehr rühren.
  Nichtstun ist ein schwieriger literarischer Stoff. Altwasser beruft sich auf zwei berühmte Vorgänger: Shakespeares Hamlet und Schillers Wallenstein. Beide sind Zauderer, die unbewegt im Zentrum großer Ereignisse stehen und von ihnen schließlich verschlungen werden, beide bringen mit ihrer Untätigkeit, vor deren Folie alle Handlung ins Indifferente versinkt, die handlungszentrierte dramatische Gattung an den Rand dessen, was sie gerade eben noch erträgt. Und in beiden Riesenstücken strandet Geschichte im Nihilismus oder mindestens im Fatalismus, lehren sie doch, dass Menschen, auch und gerade wenn sie mächtig sind, ihr Schicksal nicht in der Hand haben.
  Diesen zweien also will Altwasser seinen Bogislaw als Dritten beigesellen. Dabei stößt er allerdings auf mehrere Probleme. Zunächst halten Schiller und Shakespeare ihre Protagonisten dadurch noch so einigermaßen bühnenkompatibel, dass die Geschehnisse, die zu ihrem Untergang führen, zeitlich erheblich gestaucht werden. Der Weg oder besser der Stillstand des Herzogs aber erstreckt sich über rund zwanzig Jahre. Heraus kommt ein etwas unglücklicher Zwitter, ein „Theaterroman“, wie der Autor es nennt, der Sprechszenen und epische Passagen mischt. Sodann erhalten die Vorbilder, besonders Schiller, mehr Raum, als es sich empfiehlt, wenn man etwas Eigenes schaffen will. Vers-Paare wie „Halt die Fresse / sonst singt man dir die Messe!“ oder „So kann man’s sehen, Durchlaucht, / doch ihn wohl nur ein Kater schlaucht“ (gesagt vom wieder mal verhandlungsunfähigen Bogislaw) müssten an sich kein Beinbruch sein; wenn aber in der Nachbarschaft seitenweise Schiller zitiert wird, fällt der Kontrast doch sehr zu Altwassers Ungunsten aus.
  Auch bekommt er die historischen Zentrifugalkräfte nicht in den Griff. Damit der Plan gelingen könnte, müsste er seinen Herzog als ruhendes Auge des Sturms gestalten, wie es Schiller beim Wallenstein, mit einiger Mühe zwar (Wallensteins Lager muss ausgelagert werden), aber doch hinbekommt. Altwasser hingegen muss sich ständig in Fußnoten auf Quellen berufen, und das geschichtliche Gesamtbild bleibt trotzdem einigermaßen dunkel.
  Vor allem aber greift der Autor nicht mit der nötigen Beherztheit auf seinen Antihelden zu. „Ich, dann eine Weile nichts“ lautet der Buchtitel, wobei das „Ich“ groß geschrieben ist. Aber dieses Ich darf nicht selbst auftreten, es wird als Subjekt der Sätze systematisch durch Infinitiv-Konstruktionen verdrängt, was sich so anhört: „Ach, sich schlau zu wünschen, weise und auch klug genug, die Schwäche stark gemacht zu haben! Es gilt, oder noch nicht? Noch im sicheren Schloss zu bleiben. Noch nicht gleich ins Feldlagerzelt zu treten.“ So geht es über Seiten. Altwasser verteidigt diesen Infinitiv als Mittel zur „Entpersönlichung“. Aber solche Entpersönlichung bedeutet bei dem, was er sich vorgenommen hat, das verkehrte Ziel. Hamlet und Wallenstein jedenfalls bleiben in all ihrer Passivität dennoch unverkennbare Personen und Charaktere. Bogislaw hingegen löst sich auf ins gespenstisch Durchscheinende.
  Ist also dieses Buch vom Scheitern ein gescheitertes Buch geworden? Zweifellos. Und doch kann man ihm in dem, was sich als sein Größenwahn darbietet, eine gewisse Größe nicht absprechen – besonders, wenn man es mit der zeitgenössischen deutschen Normalproduktion auf dem Feld des Romans vergleicht. Was dort im Bereich von sozialen Fragen, Jugenderinnerungen und Liebesgeschichten alles so leichter Hand gelingt, verschmäht Altwasser zu Recht. Es zeichnet ihn aus, etwas Bestimmtes gewollt zu haben, das in der Gegenwart sonst niemand so will. Ein Alpinist, der den Aufstieg zum Mount Everest abbrechen muss, ist jedenfalls eine beeindruckendere Figur als ein Bezwinger des Fichtelbergs.
BURKHARD MÜLLER
Volker Harry Altwasser: Ich, dann eine Weile nichts. Theaterroman. Verlag Matthes & Seitz, Berlin 2012, 168 Seiten.
Die Lethargie des Herzogs
erstreckt sich über zwei Drittel
des Dreißigjährigen Krieges
Die Zerstörung und Entvölkerung der Stadt Magdeburg durch die Katholische Liga unter dem Feldherrn Tilly gilt als eines der größten Massaker des Dreißigjährigen Krieges. Die Belagerung könnte so ausgesehen haben wie auf dieser Computeranimation aus der ZDF-Dokumentation „Die Deutschen“.
FOTO: COURTIAL
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Eindrucksvoll gescheitert findet Burkhard Müller Volker Harry Altwassers Versuch, mit der Geschichte vom Untergang des Pommernherzogs Bogislaw XIV. Wallenstein und Hamlet einen Bruder hinzuzaubern. Dass der Autor mit seinen Versen neben Schiller und Shakespeare mitunter etwas unzureichend wirkt, mag für Müller ja angehen. Und ein zaudernder Held ist eben auch keine leichte Sache, wie der Rezensent zugunsten des Autors einräumt. Allerdings liegt ein Problem für Müller im Formalen des Textes zwischen "Theaterroman" und epischem Versuch mit dauernden Quellenverweisen, die dem Leser die Historie (leider vergeblich, so Müller) verdeutlichen sollen. Ferner hätte sich Müller einen beherzteren Zugriff auf die Figur gewünscht und weniger Infinitivkonstruktionen. Da sind ihm Wallenstein und Hamlet die weit deutlicheren Charaktere. Dennoch, meint er: ein sympathischer, größenwahnsinniger Versuch des Autors jenseits der üblichen langweiligen Romanproduktion.

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