Produktdetails
  • Verlag: Schmidt, H, Mainz
  • ISBN-13: 9783874396967
  • ISBN-10: 3874396967
  • Artikelnr.: 20794233
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Nachdem sich Martin Z. Schröder zunächst fragt, wem eine Sammlung von für den Computer bereit stehenden Frakturschriften wie der vorliegenden nützen könnte, findet er die Idee bei näherer Betrachtung doch sehr lobenswert. Dass er trotzdem mit dem Buch von Judith Schalansky, der eine CD mit 137 Schriften beiliegt, unzufrieden ist, liegt an der seiner Meinung nach schlechten Ausstattung, der Papierqualität und der Auswahl der Schriften. Zunächst aber lobt er, dass mit der Schriftsammlung ein wichtiges Kulturgut archiviert wird, das nach dem Zweiten Weltkrieg verfemt war und gerade jetzt wieder die zeitgenössische Werbung oder Popkultur erobert. Allerdings dürfe der Leser keine Abneigung gegen die Farbe Pink haben, von der Schalansky ausgiebig Gebrauch macht.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.10.2006

Freude an der Schrift
Judith Schalansky engagiert sich für „Fraktur mon Amour”
Auf den ersten Blick wirkt es verrückt, eine Sammlung fast aller gebrochenen Schriften zu publizieren, die gegenwärtig für den Einsatz im Computer bereit stehen. Wer braucht so was? Über 300 Schriften werden gezeigt, 137 davon liegen dem Buch auf einer CD als Fonts für den Computer bei. Auf den zweiten Blick stellt sich solch ein Werk als fast zwingende Folge des stärker werdenden Gebrauches von mittelalterlichen Zeichen in der Pop-Werbung dar. Lange waren diese Schrifttypen der Reklame für Biere und Kräuterliköre und seriösen Zeitungsköpfen vorbehalten sowie Propaganda auf der Haut nationalistischer Dummköpfe, die vom ungerechtfertigten Tabu der Schrift nach 1945 profitierten, also was zu brechen hatten, und die nicht wussten, dass ihr Führer selbst im Jahre 1941 gebrochene Schriften verdammte, denn er war hinsichtlich seiner herrscherlichen Bestrebungen weltoffen.
Längst lösten sich unbefangene Designer von den Vorurteilen gegen die gebrochenen Schriften und nutzten ihren ornamentalen Charakter: für Turnschuhe, für populäre Musik, für die gesamte Pop-Kultur. Musiker wie Snoop Dogg lümmeln auf ihren Plattenhüllen unter gotischen Lettern. Die Bekleidungsfirma „Joop!” läßt ein blondes Girl in einem mit der gotischen Linotext von 1901 bedruckten Hemdchen für sich werben.
Judith Schalanskys Sammlung gebrochener Schriften, die sich lange nur in alten Büchern lesen ließen, weil sie im technischen Fortschreiten nicht aus dem Bleisatz mitgenommen worden waren, lässt sich von zwei Seiten betrachten: Einerseits ist es gut und richtig, kulturelles Gut dem Malstrom der Vergänglichkeit zu entreißen. Wer gebrochene Schriften nicht lesen kann, dem bleibt die originale Literatur von Jahrhunderten ein dunkel verschnörkeltes Kapitel. Und wir dürfen den Formenreichtum bewundern, aus dem unsere Ahnen schöpften.
Connaisseure werden diesem Buch nur begrenzt Beifall spenden können, denn der größte Teil dieser Schriften wurde schlecht digitalisiert, das springt im Vergleich mit Originaldrucken ins Auge. Unbeholfen wurden Buchstabenformen verändert und einige Schriften ihrer Eleganz beraubt. Da dem Buch die CD mit solchen Schriften beiliegt, darf man auch Autorin und Verlag für die Verbreitung schlechter Schriften mitverantwortlich nennen.
Warm ist die Schwärze
Als ein alle Schriften deutlich schädigender Einfluss sticht die Ausstattung des Buches ins Auge: gedruckt auf kaltgrau getöntes Papier. Während des Gebrauches gebrochener Verkehrsschriften gab es elfenbein und dunkler getönte Papiere von einer dem Auge angenehmen Wärme sowie das zwar weißere, aber durch seine Milchigkeit gedämpfte Pergament. Auf diesen angenehmen Gründen entfaltete die aus Ruß gewonnene, also warme Schwärze der Druckpaste ihre Geltung. Die der Technik innewohnende leichte Prägung der bleiernen Lettern in den Bedruckstoff tat das übrige: Zarte Striche wurden durch diese Prägung oft kräftiger, aber zugleich verhinderte die Prägung eine Anmutung von Schwerfälligkeit. In der vorliegenden Sammlung digitaler Schriften finden wir jedoch wenig von der Prägung bereinigte Formen, sondern viele schwammige Typen. Zur schlechten Wirkung trägt bei, dass innerhalb mancher Probetexte die Abstände zwischen den Buchstaben schlecht zugerichtet sind, also Zeilen löcherig und fleckig wirken. Dabei können Texte in gebrochenen Schriften Augenweiden sein: Judith Schalansky erinnert in ihrem Vorwort, wie sich die Protestanten in ihren spärlich ausgestatteten Gotteshäusern an der Schrift ihrer Bibeln erfreuen durften.
Zu jeder Type hat die Autorin eine freie Grafik gestellt, in der sie Buchstaben zu Ornamenten verarbeitete. Diese spielerischen Bilder werden manchem Betrachter die Ehrfurcht nehmen. Man darf allerdings nicht empfindlich gegen die Farbe Pink sein, denn damit ist der Kunstlederband reich versehen worden: Pink von innen und außen, vielleicht als Ausdruck einer noch brüchigen Zuneigung zu den gebrochenen Schriftzügen unserer Ahnen.MARTIN Z. SCHRÖDER
JUDITH SCHALANSKY: Fraktur mon Amour. Schriftensammlung mit einer CD. Verlag Hermann Schmidt, Mainz 2006. 648 Seiten, 49,80 Euro.
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