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Wie lassen sich die großen Pleiten der deutschen Nachkriegsgeschichte von Borgward bis Herstatt, von coop bis Vulkan, von Schneider bis Holzmann erklären? Wie kommt es, dass monomanische Manager, überforderte Strategen oder sorglose Banker so lange an großen Rädern drehen können, bis alles zu spät ist? Wie ist es möglich, dass die Hälfte aller Großfusionen ökonomisch scheitert? Dieses Buch handelt vom irrationalen Faktor im Wirtschaftsleben. Erwin und Ute Scheuch gehen spektakulären deutschen Pleiten und Fehlleistungen nach und zeigen, dass die viel beschworenen «Nieten in Nadelstreifen» keine…mehr

Produktbeschreibung
Wie lassen sich die großen Pleiten der deutschen Nachkriegsgeschichte von Borgward bis Herstatt, von coop bis Vulkan, von Schneider bis Holzmann erklären? Wie kommt es, dass monomanische Manager, überforderte Strategen oder sorglose Banker so lange an großen Rädern drehen können, bis alles zu spät ist? Wie ist es möglich, dass die Hälfte aller Großfusionen ökonomisch scheitert?
Dieses Buch handelt vom irrationalen Faktor im Wirtschaftsleben. Erwin und Ute Scheuch gehen spektakulären deutschen Pleiten und Fehlleistungen nach und zeigen, dass die viel beschworenen «Nieten in Nadelstreifen» keine Zufallserscheinungen sind. Anhand von Fallgeschichten enthüllen sie die Logik des Misslingens in der Ökonomie. An das Wirken der berühmten «unsichtbaren Hand» glauben sie nicht und schauen lieber nach, wer jeweils die Finger drin hat und welche Einflüsse das Scheitern begünstigen: von der Macht der Banken und der Politik über Fehlentscheidungen und verschlafene Entwicklungen bis hin zu kriminellen Energien.

«Mehr als die großen Erfolgsgeschichten verraten uns die großen Pleiten, wie es um den Standort Deutschland bestellt ist.» (Erwin K. und Ute Scheuch)

Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.02.2002

Nackt und bar
Management und Charakter:
Ein Blick auf deutsche Pleitiers
Man wird Marx nicht nachsagen können, die Bourgeoisie geliebt zu haben. Andererseits wusste er, was er an ihr hatte: Ohne Expropriateure keine Expropriierten, keine Dialektik, keine Revolution. Mit einem Wort: Ohne Kapitalismus kein Marxismus. Dessen Namensgeber besaß folglich ein natürliches Interesse daran, den Triebkräften des Profitstrebens ein hohes Maß an Rationalität und Modernisierungseifer zu bescheinigen. Denn auch für den Klassenkampf galt die Devise: Viel Feind, viel Ehr’.
Was führt dagegen ein Buch im Schilde, das seinen Gegenstand bereits im Untertitel klein macht? Gegen Größenwahn hilft keine Revolution, sondern nur ein Psychiater. Erwin K. und Ute Scheuch hingegen sind Soziologen. Die lassen es nicht dabei bewenden, Manager auf die Couch zu legen, sondern wollen gleich die ganze Welt sezieren. So erhalten Unternehmenspleiten ein Vaterland. Nicht „Nieten in Nadelstreifen” nehmen die Scheuchs ins Visier, sondern deutsche Versager. „Fehlentscheidungen und individuelles Fehlverhalten”, so lautet ihr anspruchsvolles Programm, „sollen hier als Teil des Systems ‚Wirtschaft in Deutschland’ und als Folge von Zeitumständen geschildert, begriffen und analysiert werden.”
Doch ein normativer Überschuss durchkreuzt auch die besten hermeneutischen Absichten. Bei den Scheuchs kommt erst die Moral und dann die Wissenschaft. Glaubten Karl Marx und Friedrich Engels noch, dass die Bourgeoisie kein anderes Band zwischen den Menschen übrig gelassen habe als die nackte bare Zahlung, wollen Erwin K. und Ute Scheuch heutigen Wirtschaftsführern soviel rationale Gestaltungskraft nicht mehr zugestehen.
Eitelkeit und Machtgier
Mit dem „irrationalen Faktor” haben sie eine individualpsychologische Blackbox konstruiert, in der jede Managemententscheidung zur Charakterfrage mutiert. Ganz gleich ob Stinnes oder Schneider: Stets waren es Eitelkeit, Machtbesessenheit, Skrupellosigkeit, Gier und Feigheit, welche die Hasardeure und ihre Helfershelfer samt den ihnen anvertrauten Konzerne ins Verderben stürzten.
Auch die „Zeitumstände” bekommen ihr Fett ab. Den Korporatismus sozial- liberaler Provenienz tadeln die Scheuchs ebenso wie vermeintliche Sünden beim Aufbau Ost oder das Spekulantentum am Neuen Markt. Mitunter trägt sie die Verve ihrer Attacken aus der Kurve. Auch sind sie nicht vor den Gefahren einer ex-post-Betrachtung gefeit. Letzteres gilt besonders für die Bewertung der Wiedervereinigung, aber auch dann, wenn sie das Verfallsdatum stolzer Wirtschaftsimperien allzu selbstgewiss zurückdatieren. Ein wenig leichtfertig erscheint es etwa, die letale Entwicklung bei der AEG bereits mit dem Tod Walther Rathenaus eingeleitet zu sehen.
Für diese Ungereimtheiten wird der Leser durch eine packend und verständlich geschriebene Sittengeschichte aus deutschen Vorstandsetagen entschädigt. Ein ums andere schüttelt man mit den Autoren empört den Kopf, wenn die spektakulären Pleiten und Betrügereien der letzten fünfzig Jahre Revue passieren. Man schüttelt sein Haupt allerdings etwas ratlos weiter, wenn es um die Ursachenforschung geht.
Skrupellosigkeit und Feigheit
Gewiss litten die porträtierten Unternehmer und Manager unter allerlei Charakterschwächen. Das allein genügt aber nicht, um ihr Versagen zu deuten. Patriarchen wie Stinnes, Borgward oder Schlieker klammerten sich in der Krise an überkommene Erfolgsstrategien – zweifellos ihr größter Fehler, aber eine durchaus rationale Entscheidung. Selbst die verurteilten Manager von co op oder Neuer Heimat möchte man vor ihrer Zurüstung zu absolutistischen Sonnenkönigen in Schutz nehmen. Dass ausgerechnet die Gewerkschaftsbewegung einige der raffgierigsten und verschlagensten Manager hervorbrachte, hätte einem dialektischen Kopf wie Heiner Müller ein prächtiges Sujet geliefert. Die Scheuchs hingegen stimmen ein mememento mori an und enthalten dem Leser die Pointe vor.
Eine gewisse Kurzatmigkeit bei den Erklärungsversuchen geht auch auf das Konto einer allzu unbefangenen Adaption der Quellen. Erwin K. und Ute Scheuch stützen sich vor allem auf die Artikel investigativer Printmedien, die allenfalls Material für eine Soziologie des deutschen Pleitiers liefern.
Niemand wird leugnen, dass Gefahr im Verzug ist, wenn sich Vorstandschefs vor externen Kontrollen und Ratschlägen abschirmen. Aber die Einsamkeit des Alpha-Männchens kann nur dem irrational erscheinen, der ein Wolfsrudel für einen Club zügelloser Egozentriker hält. Auch die Korporatismus- Keule, welche die Scheuchs gerne wider eine angeblich sehr deutsche Unsitte schwingen, trifft nur selten ihr Ziel – nicht zuletzt, weil sie diesen Reiz- Begriff häufig als schlichte Kungelei bagatellisieren. Sind Peiten wirklich deutsch, wenn Kontrollgremien wegschauen und das Ansehen von Banken und Politiker leidet? Nicht nur die Enron-Krise in Amerika zeigt, dass sich die Zusammenbrüche von Großkonzernen in der Welt gleichen wie ein Erdbeben dem anderen.
FRANK EBBINGHAUS
ERWIN K. SCHEUCH, UTE SCHEUCH: Deutsche Pleiten. Manager im Größen-Wahn oder der irrationale Faktor. Rowohlt Verlag, Berlin 2001. 414 Seiten, 22,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Was die Soziologen Ute und Erwin K. Scheuch hier gemacht haben, das sagt Rezensent Frank Ebbinghaus gar nicht zu. Unwissenschaftlich findet er das Buch und unangemessen psychologisierend. Jede "Managemententscheidung mutiert zur Charakterfrage", als Quellen dienen vor allem Zeitungsartikel und generell kommt "erst die Wissenschaft und dann die Moral", kritisiert Ebbinghaus. Und wenn die Analyse der Ursachen so ungenügend ist, dann kann auch die sehr spannende und empörende "Sittengeschichte aus deutschen Vorstandsetagen", die die Scheuchs hier präsentieren, das Werk nicht retten, meint der Rezensent, der nicht erst seit Enron daran zweifelt, dass der Zusammenbruch von Großkonzernen ein spezifisch deutsches Phänomen ist.

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