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Am liebsten würde er es so richtig krachen lassen: erst ein paar Aufwärm-Biere und dann weiter. Aber das jährliche Familientreffen zu Thanksgiving steht an, und James Fitzroy muss raus aus New York, nach Buffalo in die verschneite Provinz. Dort erwarten ihn die alten Kumpel mit ihrem Gerede über Autos, Alkohol und Seelenschmerz und sein schweigsamer Vater. Seine Mutter würde sich sehr auf ihn freuen, aber was Freude ist, weiß sie nicht mehr: Sie sitzt dement in einem Heim, macht seltsame Sachen und ist als Gesprächspartnerin ungeeignet. Bisher hat sich James allen Ansprüchen erfolgreich…mehr

Produktbeschreibung
Am liebsten würde er es so richtig krachen lassen: erst ein paar Aufwärm-Biere und dann weiter. Aber das jährliche Familientreffen zu Thanksgiving steht an, und James Fitzroy muss raus aus New York, nach Buffalo in die verschneite Provinz. Dort erwarten ihn die alten Kumpel mit ihrem Gerede über Autos, Alkohol und Seelenschmerz und sein schweigsamer Vater. Seine Mutter würde sich sehr auf ihn freuen, aber was Freude ist, weiß sie nicht mehr: Sie sitzt dement in einem Heim, macht seltsame Sachen und ist als Gesprächspartnerin ungeeignet.
Bisher hat sich James allen Ansprüchen erfolgreich entzogen, hat von seiner glorreichen Zukunft phantasiert und es doch nur zum Grußkartentexter gebracht. Jetzt ist er fast dreißig und will zur Abwechslung einmal etwas Entscheidendes tun. Das Leiden der Mutter beenden zum Beispiel. Aber wie? Und darf man das? Seine Suche nach Antworten wirft James mitten hinein ins Leben mit seinen chaotischen Gefühlen, dem schönen Scheitern und den nicht kleinzukriegenden Hoffnungen.
Greg Ames lebt in New York. Seine Stories erschienen u.a. in McSweeney und Best American Nonrequired Reading. Ames hat Literatur am Brooklyn College und an der Bingham University unterrichtet. Der bisher beste Tag meines Lebens, ausgezeichnet mit dem NAIBA Book of the Year Award, ist sein erster Roman.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.02.2011

Vergiss es doch einfach

Demenz ist ein großes, eminentes Thema. Aus der Krankheit erzählerisch Kapital zu schlagen vermögen nur wenige. Der New Yorker Autor Greg Ames versucht das Thema mit Humor zu meistern. Spaß hat man bei der Lektüre nicht.

Bei den zahlreichen Romanen, die wir jahraus, jahrein gelesen haben - ganz zu schweigen von den noch zahlreicheren Roman-Ankündigungen und Rezensionen, die wir so gut wie täglich lesen -, kann man sich schon mal die Frage stellen, was uns von alledem im Gedächtnis bleibt. An was erinnern wir uns eigentlich? Was genau bleibt hängen, welche Geschichten oder Bilder sind uns noch präsent, wenn wir versuchen, an einzelne Romantitel zurückzudenken? Gibt es hierfür vielleicht so etwas wie eine Kapazitätsgrenze, ein natürliches Limit, jenseits dessen wir alles durcheinanderbringen, notwendig verzerren oder gleich vergessen? Was Gesichter angeht, heißt es, haben wir die Fähigkeit, uns prinzipiell an eine Milliarde zu erinnern. Aber, wie gleich hinzuzufügen ist, "was uns dabei wirklich in Erinnerung bleibt, sind nur Karikaturen - ein hängendes Augenlid oder eine gebogene Nase". Nur das Verzerrte also prägt sich ein.

Diese Auskunft gibt uns der Debütroman des New Yorker Autors Greg Ames, bislang eher in einer kleinen Szene als Verfasser und Vorleser von Kurzprosa bekannt. Sein erster publizierter Langtext, im Original 2009 erschienen, handelt vom Segen wie von den Mühen des Erinnerns und hält auch allen Lesern seine eigene Herkunft im Gedächtnis, denn er stammt ersichtlich aus dem Fundus von Geschichtenschnipseln, Figurenporträts, Familiensorgen, Beziehungskisten, Schicksalsfragen und sonstigem Textmaterial, das sich im Leben eines Jungautors bislang so angesammelt hat. Der Collage-Charakter soll gar nicht erst vermieden, sondern offenkundig ausgestellt und zum Kompositionsprinzip erhoben werden - vielleicht, um unser eigenes Erinnerungsvermögen, aus ebendiesen Motiven das Gesamtbild zu erstellen, einem Test zu unterziehen. Erzählt wird erstens die Geschichte eines jungen Mannes, der nach Jahren in New York, wo er sich als kommerzieller Sprücheschreiber durchschlägt, zu Thanksgiving die Familie im winterlichen Buffalo besucht, einer Stadt im Niedergang. Hier kreuzen sich viele Spuren seiner alten Existenz; auch sucht er neue Fährten, die ihn in eine ungewisse Zukunft führen könnten.

Erzählt wird zweitens von den diversen Menschen dieser Stadt, Kleinunternehmern, Angestellten, Barkeepern, Studenten oder Bohemiens, die der allgemeinen Diagnose trotzen und ihr Leben im urbanen Verfall in die Hand nehmen. In einem guten Dutzend O-Ton-Passagen lässt sie der Erzähler, der sich gern als Stadtethnograph sähe, selbst zu Wort kommen und ihre Lebenserfahrung präsentieren.

Drittens aber wird erzählt, wie er sich zugleich mit tiefgreifenden Schicksalsfragen konfrontiert sieht. Seine Mutter leidet an Demenz und kann nur noch im Pflegeheim versorgt werden, wo die Bedingungen zunehmend schwierig, in seinen Augen bald unwürdig sind. Als ihr vier Jahre zuvor die Alzheimer-Diagnose gestellt wurde, kündigte sie nüchtern ihren Freitod an. Nun ist sie dazu nicht mehr in der Lage, und der Sohn steht vor der Frage, ob und wie er ihr aktive Sterbehilfe leisten kann.

Das ein großes, ein eminentes Thema. Es gibt der Erkundung um die Möglichkeiten und Bedingungen des Erinnerns, die der Roman führen und in seinen diversen Episoden variieren will, ein ganz erhebliches, ja existentielles Gewicht.

Wenn persönliche Identität an das Erinnerungsvermögen gebunden ist, was bleibt dann bei Gedächtnisverlust noch von der Persönlichkeit? Muss und kann man den erklärten Willen von Demenzpatienten achten oder ihn nach eigenem Ermessen prüfen? Wie wäre Sterbehilfe überhaupt zu leisten, wenn die betreffende Person längst nicht mehr zurechnungsfähig ist? Derart schwere Fragen wirft Ames in seinem Roman auf und versucht ihnen mit allen erzählerischen Mitteln beizukommen.

Dazu gehören Elemente eines Thrillers, wenn der Sohn zum Ende tatsächlich das Kopfkissen in die Hand nimmt und der Mutter einen Gnadentod verschaffen will, bevor die Sache unerwartet eine andere Wendung nimmt. Dazu gehören aber auch die Mittel des makaberen Humors, wenn er "Auftragsmörder" googelt und ernsthaft überlegt, wie sich eine professionelle Erledigung seines Problems organisieren ließe.

Überhaupt verlässt sich Ames als Erzähler gern auf das Skurrile und kontrastiert den Ernst des Themas mit allerhand bizarrer Typenkomik. Das Pflegeheim erscheint bei ihm als ein Kuriositätenkabinett, bewohnt von allerlei schrägen Figuren, was steten Anlass zu absurden Situationen bietet. Angeblich ist die Stadt, wie uns erzählt wird, seit Jahren ohnehin die Heimstatt sämtlicher Verrückter aus dem Staat New York: Psychiatriepatienten wurden nach der Auflösung der Institution, in der sie vorher untergebracht waren, mit einer Busfahrkarte versehen und strandeten dann in Buffalo.

Derlei Anekdoten tragen sicher dazu bei, der Stadt als Schauplatz ein Gesicht zu geben, sie erweisen jedoch der Diskussion des ethischen Problems keinen Dienst. Trotz einprägsamer Passagen und des unbestrittenen Muts, große Fragen unserer Zeit erzählerisch anzugehen, wird uns dieser Roman daher nur als einer im Gedächtnis bleiben, der seine starken Möglichkeiten durch einen leidigen Hang zur Karikatur verspielt.

TOBIAS DÖRING

Greg Ames: "Der bisher beste Tag meines Lebens". Roman.

Übersetzt von Bettina Abarbanell. Steidl Verlag, Göttingen 2010. 327 S., geb., 18,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Greg Ames' Debütroman "Der bisher beste Tag meines Lebens" hat bei Rezensent Tobias Döring gemischte Gefühle ausgelöst. Er attestiert dem Autor, in seiner Geschichte um einen in New York lebenden Grußkartentexter, der seine Familie zu Thanksgiving in Buffalo besucht und sich mit seiner an Demenz erkrankten Mutter auseinandersetzen muss, Fragen von existenzieller Bedeutung und ethischer Relevanz aufzugreifen. Allerdings hält er die erzählerische Umsetzung für nicht wirklich überzeugend. Er konstatiert bei Ames nämlich eine Tendenz zum Karikaturhaften, einen Hang, das ernste Thema mit allerlei Skurrilitäten zu konstrastieren. Im Blick auf die Freunde des Protagonisten in der niedergehenden Stadt Buffalo ergibt dies für Döring auch Sinn, erhält die Stadt durch die komischen Anekdoten als Schauplatz ihr Gesicht. Im Blick auf die ethische Dimension des Romans scheint ihm dies kontraproduktiv. Sein Fazit: durch seinen "Hang zur Karikatur" habe der Autor eine große Chance vertan.

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