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Als der Rowohlt Verlag 1955 seine »deutsche enzyklopädie« auf den Markt brachte, konnte Erhard Frommhold den VEB Verlag der Kunst Dresden, wo er als Lektor arbeitete, vom Aufbau einer eigenen Theoriereihe überzeugen. Der Name Fundus war schnell gefunden und nicht ohne Hintersinn gewählt. Denn mit dem publizistischen Zugriff auf ein historisches Erbe sollte nichts weniger als eine marxistische Kunstwissenschaft begründet werden. Der österreichische Schriftsteller Ernst Fischer, dessen Text »Von der Notwendigkeit der Kunst« 1959 als erster Band der Reihe erschien, hatte dieser Idee spontan…mehr

Produktbeschreibung
Als der Rowohlt Verlag 1955 seine »deutsche enzyklopädie« auf den Markt brachte, konnte Erhard Frommhold den VEB Verlag der Kunst Dresden, wo er als Lektor arbeitete, vom Aufbau einer eigenen Theoriereihe überzeugen. Der Name Fundus war schnell gefunden und nicht ohne Hintersinn gewählt. Denn mit dem publizistischen Zugriff auf ein historisches Erbe sollte nichts weniger als eine marxistische Kunstwissenschaft begründet werden. Der österreichische Schriftsteller Ernst Fischer, dessen Text »Von der Notwendigkeit der Kunst« 1959 als erster Band der Reihe erschien, hatte dieser Idee spontan zugestimmt - nicht zuletzt, um den Marxismus als geistige Position gegen seine orthodoxe Auslegung zu verteidigen. Dass dies bald schon den Argwohn der Politik weckte, verwundert nicht. Die Schriften von Fischer, Ehrenburg, Childe, Caudwell, Laming, Lunatscharski, Bialostocki, Neutra und anderen, die Frommhold in den ersten Jahren veröffentlichte, waren in der Tat nur schwer in den Kanon sozialistischer Kultur integrierbar. Daher wurde der Verlag 1964 gezwungen, die vulgärsoziologischen »Grundgesetze der Kunst« von Todor Pawlow in die Reihe aufzunehmen. Da war das diskreditierende Wort von der »intellektuellen Kunstliteratur« bereits gefallen. Auch die Stimmen aus dem DDR-Kulturministerium, die Frommholds Entlassung als Cheflektor forderten, waren nicht mehr zu überhören.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Einen "lesenswerten Essay" veröffentlicht Hildtrud Ebert über die Fundus-Reihe in der DDR, findet Rezensent Mark Lehmstedt. In dieser erschienen Beiträge zur Geschichte der Kunst und Ästhetik, doch vor allem zeigt Ebert deutlich, dass diese Bücher ein Hort des eigenständiges Denkens in der DDR waren - zum Beispiel erschienen hier Bücher der Austro-Marxisten Ernst Fischer oder des Renaissance-Experten Leonid M. Baktin. Ein Highlight der heimischen Buchlandschaft waren diese - und für 4,80 Mark auch günstig zu haben, merkt Lehmstedt an. Ebert wirft dabei auch einen Blick, lobt der Kritiker, auf Erhard Frommhold, der es schaffte, bis 1991 und trotz zweier gegen ihn angestrengten Parteiverfahren, fast ununterbrochen Cheflektor der Fundus-Bücher zu bleiben. Lehmstedt ist begeistert von diesem Buch, das die Widersprüche der DDR, doch vor allem das Engagement von Frommhold in den Vordergrund rückt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.04.2024

Aus fast jedem Band wehte der Geist eigenständigen Denkens
Er hatte gleich zwei Parteiverfahren am Hals: Hildtrud Ebert erinnert an Erhard Frommhold, Cheflektor des Dresdner Verlags der Kunst und Erfinder der Fundus-Bücher

Zwischen 1959 und 1989 veröffentlichte der in Dresden beheimatete Verlag der Kunst 67 Bände einer Taschenbuchreihe namens "Fundus", die das Ziel verfolgte, ein breites Spektrum von wissenschaftlichen und essayistischen Arbeiten zur Geschichte der Kunst und der Ästhetik auf dem Buchmarkt der DDR zu präsentieren. Durchschnittlich zwei Bände pro Jahr mögen bescheiden erscheinen, aber für die Leser zählten viele Fundus-Bände zum Aufregendsten, was im Lande erschien. In Auflagen von bis zu 20.000 Stück gedruckt und für lächerliche 4,80 Mark zu haben, fand man hier den unorthodoxen Austro-Marxisten Ernst Fischer, der die "Notwendigkeit der Kunst" verteidigte (1959 als erster Band der Reihe), neben einer Untersuchung des früh verstorbenen Engländers Christopher Caudwell über "Illusion und Wirklichkeit" und Lothar Kühnes "Gegenstand und Raum. Über die Historizität des Ästhetischen". Der österreichische Architekt Richard Neutra entfaltete seine Gedanken zur "Gestalteten Umwelt", der russisch-jüdische Mediävist Aaron Jakowlewitsch Gurjewitsch zeigte ein ganz neues "Weltbild des mittelalterlichen Menschen", und Leonid M. Baktin entwarf ein fulminantes Panorama der "Historischen Gesamtheit der italienischen Renaissance". Zwei Anthologien von Diether Schmidt machten schon 1964/65 Texte avantgardistischer Künstler aus der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts zugänglich, später folgten unter anderem Bände mit Schriften von El Lissitzky und des Schweizer Architekten Hannes Meyer, auch "bürgerliche" Klassiker wie Wilhelm Fraenger oder Heinrich Wölfflin fanden hier eine Heimat.

Hildtrud Ebert skizziert in einem lesenswerten Essay die Umstände, unter denen diese Bücher entstanden. Was deren Erscheinen in einer Gesellschaft bedeutete, die von knochentrockenen Kulturfunktionären und parteiamtlichen "Kunstwissenschaftlern" dominiert wurde, lässt sich heute kaum noch ermessen. Aus nahezu jedem Band der Fundus-Reihe - Ausnahmen bestätigen die Regel - wehte der Geist eigenständigen Denkens, das sich dogmatischen Vorgaben widersetzte, freilich in den selbstgesetzten Grenzen eines Bestrebens, damit die "publizistische Grundlage für eine marxistische Kunst- und Literaturwissenschaft" zu legen. Doch allein schon dieser Anspruch, der die Herrschaft der Politbürokratie eines Kurt Hager oder Alfred Kurella infrage stellte, war mutig und riskant. Mag man heute einen Titel wie "Die Verbürgerlichung der deutschen Kunst, Literatur und Musik" von Leo Balet und Eberhard Rebling, entstanden 1933/36 im niederländischen Exil, ob seiner Undifferenziertheit belächeln - für einen angehenden Germanisten der Achtzigerjahre kam der Neudruck in der Fundus-Reihe einer Offenbarung gleich.

Es ist das Verdienst des schmalen Buches von Hildtrud Ebert, an den "Erfinder" dieser Reihe und viele seiner Auseinandersetzungen zu erinnern. Erhard Frommhold (1928 bis 2007), der Cheflektor des Verlags der Kunst, bezog sich dabei explizit auf "rowohlts deutsche enzyklopädie", die erste Sachbuchreihe im Taschenbuchformat auf dem (west-)deutschen Buchmarkt, die ihrerseits englischen und amerikanischen Vorbildern nacheiferte - ein schönes Beispiel für "interkulturellen Transfer". Freilich wurden die hochfliegenden Pläne der Anfangsjahre um 1959/60 schnell gebremst, denn kritische Autoren wie Hans Mayer und Ernst Bloch in Leipzig, die von Frommhold heftig umworben wurden, waren schon auf dem Absprung in den Westen, für Texte von Walter Benjamin oder Antonio Gramsci gab es keine Devisen, und Adorno oder Horkheimer waren ideologisch nicht durchsetzbar.

Vor allem aber übten Zensoren wie der vom Kulturministerium bestallte Gerhard Füsser - bar jeder Sachkenntnis, doch voller Eifer - ihr unheilvolles Werk aus, wobei sie bald schon nicht mehr auf die Autoren und ihre Bücher zielten, sondern auf den missliebigen Cheflektor, der "auf Linie" gebracht werden musste und dem gleich zwei Parteiverfahren angehängt wurden. Es gehört zu den Widersprüchen des DDR-Verlagswesens, dass Frommhold trotzdem fast durchgängig von 1958 bis 1991 Cheflektor der Verlags blieb. Er verdankte dies maßgeblich der Tatsache, dass "sein" Programm wirtschaftlich äußerst erfolgreich war.

Eberts Buch erinnert daran, dass es nicht allein die Autoren sind, die mit ihren Werken das intellektuelle Profil einer Gesellschaft prägen, sondern ebenso die Verlage mit ihren Lektoren, die Texte - gegen Widerstände aller Art - zu Büchern machen und ihnen durch die Zusammenfassung in Reihen eine außerordentliche Schlagkraft verleihen können. Frommholds Fundus-Reihe wurde getreu ihrem Namen zu einem Vorrat an Möglichkeiten des Denkens über Kunst, wie es ihn in der DDR kein zweites Mal gab. MARK LEHMSTEDT

Hildtrud Ebert: "Erhard Frommhold und die Fundus-Bücher". Die ersten Jahre.

Lukas Verlag, Berlin 2024. 96 S., Abb., geb., 15,- Euro.

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