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Dieses Buch ist der Behandlung von Borderline- und anderen Störungen von Kindern und Jugendlichen gewidmet, einer Behandlung, die in dieser Konzeptualisierung wohl einzigartig sein dürfte.
Der Psychoanalytiker Yecheskiel Cohen integriert seine langjährigen Erfahrungen in ein Behandlungskonzept, dessen Prinzipien er mit seinen Mitarbeitern am B'nai B'riith Residential Treatment Center in Jerusalem, erfolgreich entwickelt hat.
Cohens Behandlungskonzept und seine praktische Umsetzung im Alltag der Kinder und Jugendlichen stimmen mit den Ansichten des Psychoanalytikers Donald W. Winnicott
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Produktbeschreibung
Dieses Buch ist der Behandlung von Borderline- und anderen Störungen von Kindern und Jugendlichen gewidmet, einer Behandlung, die in dieser Konzeptualisierung wohl einzigartig sein dürfte.

Der Psychoanalytiker Yecheskiel Cohen integriert seine langjährigen Erfahrungen in ein Behandlungskonzept, dessen Prinzipien er mit seinen Mitarbeitern am B'nai B'riith Residential Treatment Center in Jerusalem, erfolgreich entwickelt hat.

Cohens Behandlungskonzept und seine praktische Umsetzung im Alltag der Kinder und Jugendlichen stimmen mit den Ansichten des Psychoanalytikers Donald W. Winnicott überein. Ausgehend von der zerstörerischen Macht, den der Mangel eines potential space - d.h. eines Raumes, in dem das Kind sich von Geburt an in seinen Potentialitäten erst entfalten kann - auf die frühe psychische Entwicklung hat, legt der Autor zahlreiche, erschütternde Beispiele auf unterschiedliche Weise mißhandelter Kinder vor. Die Beispiele zeigen das entwicklungstheoretische Verständnis und die Praxis der Psychoanalyse, die durch ihre Einfühlsamkeit und Parteinahme für die Not des Kindes und späteren Jugendlichen beeindrucken.

Mögen die Lebensbedingungen dieser Patienten zum Teil auch Spiegel der schwierigen Geschichte Israels, der Einwanderungsprobleme und dem bedrohten Leben dort sein, so kennen auch wir katastrophale Lebensbedingungen und schwer beeinträchtigte psychische Entwicklungen von Kindern und Jugendlichen. Deren traumatisch beschädigte Eltern waren selbst Opfer von Mißhandlungen, zerrütteten Ehen, Drogenabhängigkeit, Verwahrlosung und all den damit verbundenen Folgen.

Da diese Bedingungen sich in allen Industrienationen in zunehmendem Maß bedrohlich verschärfen, möchte dieses Buch auf die Notwendigkeit aufmerksam machen, Institutionen nach diesem Modell auch hier einzurichten und zu fördern.
Autorenporträt
Dipl.-Psych. Sibylle Drews ist Psychoanalytikerin in eigener Praxis in Frankfurt, langjährige Mitarbeiterin des Sigmund-Freud-Instituts und Mitherausgeberin der Zeitschrift für psychoanalytische Theorie und Praxis und derzeit Vorsitzende der Sigmund-Freud-Stiftung.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.09.2004

Verwahrloste Jugend
Yecheskiel Cohen berichtet aus der Kinderpsychiatrie
Kinder sind Opfer. Aus Opfern werden Täter. Dieses Problem stellt sich angesichts internationaler Migrationsprozesse heute dringlicher denn je. Es stellt sich mit flächendeckender Gewalt im Kosovo, in vielen östlichen Ländern, in unvorstellbarem Maße in Afrika. Überall, wo die Verhältnisse zerbrachen, waren Kinder die Opfer, und wurden die nachfolgenden Generationen von diesen Schäden eingeholt.
Der israelische Psychoanalytiker Yecheskiel Cohen hat in Jerusalem ein Heim, das Residential Treatment Center für die „Verwahrloste Jugend” aufgebaut, wie August Aichhorn, der Pionier auf dem Gebiet psychoanalytischer Heimbetreuung, 1925 seinen Erfahrungsbericht nannte. Cohen stellt in dieser Sammlung von Aufsätzen aus vielen Jahren, die in dieser Form nur in Deutschland erscheinen, seine Erfahrungen mit der stationären Behandlung von Kindern und Jugendlichen in dieser Institution, die er über 30 Jahre lang leitete, zur Diskussion. Sein entwicklungsbegleitender Ansatz ist gut belegt, die Schulung der therapeutischen Mitarbeiter solide.
Am Anfang steht die „goldene Phantasie”. Psychologen oder Sozialbetreuer sind Feuer und Flamme, um irgendwann in Indifferenz und Resignation zu verfallen. Elan, Helfersyndrom - das alles genügt nicht, ist genauso wie die „intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung” in Indien oder Sibirien nur rausgeschmissenes Geld. Es bedarf zweifellos der Hingabe und eines gewissen Idealismus, doch dann muss unmittelbar die möglichst hohe Professionalität einsetzen, der sichere Umgang mit Übertragung und Gegenübertragung, um dem Ansturm von Hass und Zerstörungswut der traumatisierten Kinder konstruktiv begegnen zu können. Vielleicht kann man es auf die Formel bringen: Es geht nicht um Verständnis - Verständnis kann man für alles und jedes haben - , es muss um Verstehen gehen. Nur aus dem Verstehen können sich Veränderungen entwickeln. Cohen ist kein Fanatiker, wenn es gar nicht anders geht, darf auch Ritalin gegeben werden, aber fast immer geht es anders.
Kindesmissbrauch setzt für Cohen schon ein, wenn einem Kind die Möglichkeit genommen wird, sich zu entwickeln, wenn ihm der „potential space” nicht gewährt wird. Den Schlüsselbegriff „potential space”- der potentielle, der Möglichkeitsraum - übernimmt Cohen von dem englischen Psychoanalytiker Winnicott, dessen Entwicklungskonzept einen Raum zwischen Mutter und Säugling postulierte, aus dem sich ein „wahres” und organisiertes Selbst des Kindes entwickeln kann. Um die nachträgliche Etablierung dieses Raums geht es im Residential Treatment Center, denn, wie Cohen sagt, „Borderline-Kinder sind nicht als Subjekte aufgewachsen, sondern waren nur Objekte, die verschiedene Rollen für ihre Eltern spielen sollten.” Aus dem Fehlen dieses Raumes ergeben sich kognitive Beeinträchtigung, Suchterkrankungen, selbstzerstörerische und gewalttätige Handlungen aller Art.
Cohen machte seine Erfahrungen mit israelischen Kindern, doch Migrations- und Verwahrlosungsprobleme gibt es weltweit und damit auch für uns und zwar in viel größerem Umfang, als unsere Gesellschaft es sich klarmacht. In der Berichterstattung darüber hat sich freilich einiges geändert, kluge Journalisten durchbrechen das Tabu, über ausländische Kinder, über junge Rechtsradikale dürfe nichts „Abträgliches” gesagt werden. Sie drehen eher den Spieß um und vertreten die Ansicht, dass es gerade politisch inkorrekt sei, das Problem schön zu reden. Es besteht in der Tat ein immenses Therapiebedürfnis, und es existieren keine Institutionen, die das auch nur annähernd auffangen könnten.
Die übliche Ausrede
Dass kein Geld dafür da sei, ist die übliche Ausrede. Wenn für etwas Geld da sein müsste, dann dafür, so schreibt die Herausgeberin Sybille Drews, „die Weitergabe von Missbrauch und Gewalt von Generation zu Generation einzudämmen”. Ehe der Staat dafür allerdings so selbstverständlich Geld ausgibt wie etwa für die Sportförderung, müsste das Ansehen des therapeutischen Berufs allerdings erheblich steigen. Man müsste ihm weitaus mehr Effizienz zutrauen. So hält man sich bislang an dem Argument fest, derartige therapeutische Institutionen seien nicht mehr als ein Tropfen auf ganze Gebirge von heißen Steinen. Grundsätzlich gilt die therapeutische Einrichtung als elitär; so wie man schon Freud vorwarf, die Happy Few zu behandeln, wenn sie gerade mal unhappy seien, so würden auch Therapieeinrichtungen für missbrauchte Kinder nur wenigen, nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Kindern nützen, an das große Elend käme man nicht heran. Bleibt noch das alte „revolutionäre” Argument, es sei nicht die Krankheit zu heilen, sondern das, was krank macht, also die Verhältnisse. Das Revolutionsprinzip hat sich immer leicht damit getan, ganze Generationen abzuschreiben für ein besseres Nachher. Dagegen steht die christliche Gewissheit, dass jedes Individuum alle Anstrengungen wert ist. Es ist unbestreitbar eine Sisyphosaufgabe, weil es so viele einzelne sind, denen es zu helfen gilt. Soll man deshalb den viel zu wenigen gar nicht erst helfen?
CAROLINE NEUBAUR
YECHESKIEL COHEN: Das mißhandelte Kind. Ein psychoanalytisches Konzept zur integrierten Behandlung von Kindern und Jugendlichen. Hrsg. u. Vorw. v. Sibylle Drews. Brandes & Apsel, Frankfurt a. M. 259 S., 29 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Überall auf der Welt, wo stabile Verhältnisse zusammenbrechen, wo Migrationsprozesse ganze Bevölkerungen umwälzen, werden Kinder zu Opfern und damit - zu Tätern. Caroline Naubaur empfiehlt deshalb mit großer Eindringlichkeit das Buch des israelischen Psychoanalytikers Yecheskiel Cohen, der dreißig Jahre lang eine therapeutische Einrichtung für die "Verwahrloste Jugend" leitete; es versammelt seine Schriften aus vielen Jahren und erscheint in dieser Form nur in Deutschland, was die Rezensentin als wichtigen Fingerzeig versteht, denn "Migrations- und Verwahrlosungsprobleme gibt es weltweit und damit auch für uns und zwar in viel größerem Umfang, als unsere Gesellschaft es sich klarmacht". Doch noch immer würden solche Einrichtungen nicht ausreichend gefördert, mit den immer gleichen Begründungen: Es sei kein Geld da, sie kommen nur einigen zugute, und außerdem können sie nicht die Ursachen bekämpfen. Cohens Buch könne hier wirken, indem es Ansätze für die Behandlung aufzeigt und Irrtümer beseitigt, aber auch, indem es das Ausmaß des Problems klarmacht. Denn Kindesmissbrauch, so argumentiert er, liegt schon vor, wenn der Raum zur Entwicklung, der "potential space", nicht gewährt wird oder gewährt werden kann, erklärt die Rezensentin.

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