Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 11,09 €
  • Gebundenes Buch

Ein leidenschaftliches Plädoyer für die Idee der Freiheit und die Erneuerung der Zivilgesellschaft, denn ohne bürgerschaftliches Engagement kann die Freiheit nicht überleben.

Produktbeschreibung
Ein leidenschaftliches Plädoyer für die Idee der Freiheit und die Erneuerung der Zivilgesellschaft, denn ohne bürgerschaftliches Engagement kann die Freiheit nicht überleben.
Autorenporträt
Maurizio Viroli geboren 1952 in der Emilia-Romagna. Er ist international einer der bedeutendsten Machiavelli-Forscher und lehrt heute Politische Wissenschaften an der Universität Princeton. Zahlreiche Veröffentlichungen, u.a. "From Politics to Reason of State" (1992), "Jean-Jacques Rousseau" (1993), "Per amore della patria" (1995), "Repubblicanesimo" (1999).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.08.2002

Gute Küche, feine Stoffe
Maurizio Viroli plädiert fürs liberale Bleiberecht Machiavellis

Ganz zum Schluß seiner großen Geschichte republikanischen Denkens, "The Machiavellian Moment", deckt John Pocock auf, daß er sein begriffliches Gerüst Hannah Arendt verdanke. Man könnte auch umgekehrt sagen, daß er Hannah Arendts Lehre vom Politischen als der in der Zeit entstandenen und deshalb immer vom Zerfall bedrohten gemeinsamen Welt "zwischen" den Menschen historisch ausbuchstabiere. Was bei Arendt als Moment eines deutsch verklärten Griechenland-Bildes erscheinen mag - das tugendhafte Sichauszeichnen im Kampf um die nähere Bestimmung des Gemeinwohls wie die Kritik des weltentfremdeten Rückzugs auf Arbeit und Genuß -, wird jetzt als Teil einer breiten Tradition sichtbar, die aristotelisches Erbe über das Florenz der Frührenaissance, Machiavelli und Guicciardini, den englischen Bürgerkrieg und die englische Aufklärung in die amerikanische Verfassung und Identität trägt.

Die geschichtliche Bedeutung dieser Tradition ist im angelsächsischen Raum vom lockeanischen Vertragsdenken des Liberalismus, im kontinentalen Bereich dagegen von einer letztlich wohl hegelianischen Orientierung an der Rationalisierung des Verwaltungsstaates unglücklich überdeckt. Unglücklich, weil damit der Streit um die Zivilgesellschaft, statt als Streit um das Wesen des Politischen und das Verhältnis seiner Sphären geführt zu werden, in die plakative Dichotomie von Gerechtigkeit oder Freiheit, Markt oder Ordnung gerät.

Im selben Moment freilich, indem Pocock sich zu Arendt bekennt, tritt er auch einen Schritt von ihr zurück. Im Lob der Tugend stecke immer auch eine moralische Drohung. Die Renaissance-Republiken hätten in ungeheurem Maße regulierend ins Private eingegriffen und die englischen Denker des achtzehnten Jahrhunderts in der Kommerzialisierung den Grund des sittlichen Verfalls denunziert. Demgegenüber sei im neunzehnten Jahrhundert der Liberalismus durchaus als Befreiung, nicht als Verarmung empfunden worden. Einem Christen müsse der Primat des Politischen allemal als blasphemisch vorkommen, und selbst die Griechen hatten notorische Schwierigkeiten, das Verhältnis von Aktivem und Kontemplativem systematisch zu begründen.

Was Pocock als vorsichtigen Vorbehalt vor moralischen Absoluta formuliert, kann geradezu als Grundimpuls des Hegelschen Denkens gelten. Der in heideggerianisch-derridistischen Kreisen zu befremdlicher Berühmtheit gelangte frühe Naturrechtsaufsatz hatte noch, frei nach Formulierungen Machiavellis, die Notwendigkeit des Krieges deduziert. Der Krieg erhalte "die sittliche Gesundheit der Völker in ihrer Indifferenz gegen die Bestimmtheiten und gegen das Angewöhnen und Festwerden derselben". Wenig später aber distanziert Hegel sich von der politischen Romantik der Opferverherrlichung und von dem Ästhetisieren der Politik als "Tragödie im Sittlichen". Das Recht der Besonderheit gilt ihm jetzt als das höhere Prinzip der neuen Zeit, das die Alten nicht kannten. Die Vermittlung zwischen dem Individuum und der im Staat institutionalisierten Sittlichkeit übernehmen die Korporationen, letztlich all die Organisationen, die heute isoliert als Zivilgesellschaft debattiert werden. Die Teilnahme an ihnen allerdings ist für Hegel kein Gegenstand moralischer Verpflichtungen mehr und muß es kraft der Festigkeit des staatlichen Rahmens auch nicht mehr sein.

Maurizio Viroli interessiert sich nicht für Hegel und legt gegenüber Pococks Werk, das er offenbar nicht gelesen hat, keine neuen Erkenntnisse vor. Das freilich kann man ihm nicht vorwerfen. Zwar betont er, daß man mit geringen historischen Kenntnissen nur schwerlich bedeutende Theorien entwickeln kann. Zumal Machiavelli, der primäre Gegenstand seines Forschens, werde von den Liberalen immer noch nicht genug bewundert, obwohl er doch die Perlen ihrer Weisheit als erster gefunden habe. Aber Viroli will die politische Theorie entschieden nicht als Teil der Philosophie, sondern als Teil der Rhetorik verstanden wissen. Der Republik sei das öffentliche Reden eigen, und ein solches Reden möge zwar rationale Forderungen einschließen, ziele aber doch im wesentlichen darauf ab, leidenschaftliche Anteilnahme zu erregen.

Der Charakter der weniger argumentierenden als auf die Anteilnahme der Mitbürger zielenden Rede tritt besonders hervor, wenn Viroli im eigens der deutschen Ausgabe beigefügten Vorwort seine Landsleute attackiert. Genua und Berlusconi - da sehe man, wie Italien vorwiegend aus Menschen bestehe, die sich ausschließlich um ihre Familie und ihren persönlichen Erfolg kümmern und die es für ganz normal halten, daß das Gemeingut partikularen Interessen untergeordnet wird. Mit seinen historischen Studien möchte Viroli deshalb den Republikanismus als eine neue politische Vision beschwören, "die darauf abzielt, das staatsbürgerliche Ethos in den multikulturellen demokratischen Gesellschaften wiederherzustellen und den Worten Freiheit und Verantwortung eine neue oder eine wiedergefundene Bedeutung zu geben". Adam Smith hätte eingewandt, daß das Gewinnstreben immerhin gute Küche und feine Stoffe hervorgebracht habe. Deutlich wird aber vor allem, worin der gewaltige Vorzug des Rechts- und Verwaltungsstaates gegenüber der republikanischen Rhetorik besteht: Man weiß wenigstens, worüber gerade nachgedacht werden soll.

GUSTAV FALKE.

Maurizio Viroli: "Die Idee der republikanischen Freiheit". Von Machiavelli bis heute. Aus dem Italienischen von Friederike Hausmann. Pendo Verlag, Zürich, München 2002. 158 S., geb., 22,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Gegenüber John Pococks "großer Geschichte" des republikanischen Denkens, "The Machiavellian Moment", legt Maurizio Viroli keine neuen Erkenntnisse vor, stellt Rezensent Gustav Flake fest. Das mag er Viroli aber nicht vorwerfen, da sein Ansatz ist ein anderer ist. Viroli will die politische Theorie nicht als Teil der Philosophie, sondern als Teil der Rhetorik verstanden wissen, erklärt Flake. Der Republik sei nach Viroli das öffentliche Reden eigen. Wie Flake weiter referiert, schließt ein solches Reden nach Viroli zwar rationale Forderungen ein, zielt aber doch im wesentlichen darauf ab, leidenschaftliche Anteilnahme zu erregen. Ein Beispiel für eine solche leidenschaftliche Rede gibt Viroli nach Ansicht des Rezensenten bereits in seinem Vorwort, in dem er seinen italienischen Landsleute vorwirft, ihre egoistischen Interessen über das Gemeinwohl zu stellen. Viroli will den Republikanismus dagegen als eine neue politische Vision beschwören. Deutlich werde bei Viroli vor allem, worin der gewaltige Vorzug des Rechts- und Verwaltungsstaates gegenüber der republikanischen Rhetorik besteht. Süffisant bemerkt Flake am Ende seiner Rezension: "Man weiß wenigstens, worüber gerade nachgedacht werden soll."

© Perlentaucher Medien GmbH