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Politik ist immer auch eine Auseinandersetzung um die Auslegung von Begriffen. Traditionelle Bedeutungen konkurrieren mit Slogans der Werbeleute und mit parteipolitischer Polemik. Nach 1989 ist es weltweit zu unterschiedlichen neuen Positionierungen im herkömmlichen parteipolitischen Rechts-Mitte-Links-Spektrum gekommen, und dieser Prozess hat auch in der Schweiz Impulse für neue Koalitionen und Abgrenzungen ausgelöst, die in ihren Auswirkungen noch nicht abschätzbar sind. Die Stiftung Liber'all, welche sich in den Dienst der Förderung des liberalen Gedankenguts stellt, hat in dieser Situation…mehr

Produktbeschreibung
Politik ist immer auch eine Auseinandersetzung um die Auslegung von Begriffen. Traditionelle Bedeutungen konkurrieren mit Slogans der Werbeleute und mit parteipolitischer Polemik. Nach 1989 ist es weltweit zu unterschiedlichen neuen Positionierungen im herkömmlichen parteipolitischen Rechts-Mitte-Links-Spektrum gekommen, und dieser Prozess hat auch in der Schweiz Impulse für neue Koalitionen und Abgrenzungen ausgelöst, die in ihren Auswirkungen noch nicht abschätzbar sind. Die Stiftung Liber'all, welche sich in den Dienst der Förderung des liberalen Gedankenguts stellt, hat in dieser Situation die vorliegende Studie in Auftrag gegeben. Zunächst werden die ideengeschichtlichen und terminologischen Voraussetzungen unvoreingenommen geklärt. Dann gilt es, anhand von Grafiken die Orientierung innerhalb von Grundoptionen zu erleichtern und in einem Glossar die wichtigsten Begriffe kurz zu erläutern Schliesslich werden anhand von ausgwählten aktuellen Grundsatzfragen mögliche l iberale Positionen exemplifiziert. Erstmals wird in der Studie eine klare Unterscheidung von zwei linken und zwei rechten Flügeln begründet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.08.2002

Zwischen Tell und Rütli
Wichtiges zum Wunder Schweiz - Robert Nefs Beitrag zum Liberalismus

Robert Nef: Politische Grundbegriffe. Auslegeordnung und Positionsbezüge. Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 2002.

Robert Nef: Lob des Nonzentralismus. Academia-Verlag, St. Augustin 2002.

Der Publizist Robert Nef, Herausgeber der "Schweizer Monatshefte", ist außerhalb der Schweiz bisher wenig bekannt. Seine Essays sind über Zeitungen, Zeitschriften und Sammelbänden verstreut. Nunmehr liegen jedoch gleich zwei Sammlungen von Essays der vergangenen Jahre vor, das Bändchen "Lob des Nonzentralismus" und ein stattliches Werk über "Politische Grundbegriffe". Beide zeigen Schweizer Urliberalismus in schönster Ausprägung.

Bekannt sind Eric Jones' Thesen zum "Wunder Europa", bei Robert Nef indes ist Wichtiges zum "Wunder Schweiz" zu erfahren: ein kleines multinationales Gebilde, als Staatsnation aufgestellt, von differenzierter Kleinräumigkeit und Pluralität und kontinuierlicher "Nonzentralisation" der Strukturen von Anfang an, dazu eine politische Volksbeteiligung, die es so nirgendwo ein zweites Mal gibt. Nur in der Schweiz kann man demokratischer Bürger im vollen Sinn des Wortes sein. In dem Appenzeller Bürger Robert Nef hat diese archetypische Schweiz mit ihrem Mißtrauen gegen Großstaatlichkeit, imperiale Ambition, Macht- und Wohlfahrtsstaat Sprache gewonnen.

Aus seiner Analyse der Schweiz und seiner dezidiert liberalen Einstellung kommt Nef zu allgemeineren Schlußfolgerungen, die auch den Nichtschweizer berühren müssen: etwa daß persönliche Selbstverantwortlichkeit und Nonzentralisation aufs engste verbunden sind. Zentralismus zerstöre die Erfahrungsmöglichkeiten der Person, politischer Zwang die persönliche Zuwendung. Nef sagt "Non"-, nicht "De"-Zentralisation, da letzterer Begriff bereits von einem Zentrum her gedacht ist, das Macht nach seinem Gusto an nachgeordnete Instanzen zuteilt. So heißt es für Robert Nef, möglichst viel Macht (Entscheidungs- plus Besteuerungsmacht) auf kleine selbstbestimmte Einheiten zu verlagern und möglichst viel Marktwirtschaft einzurichten - verbunden durch die Idee des Wettbewerbs, der Experimente ermöglicht und Wissen aufdeckt, Ideen verifiziert oder falsifiziert. Die Zentralisation der politischen Macht - durch Kriege stark gefördert - verführt zu Mißbrauch, verödet die sozialen Beziehungen, mindert Wohlfahrt und Glück, demoralisiert und verdummt die Individuen.

Mit dieser Position kommt Nef in eine skeptische Haltung zum EU-Projekt. Seinen Landsleuten rät er: "Man kann nie langsam genug in die falsche Richtung gehen!" Die Nonzentralisation der Entscheidungsmacht in Politik und Wirtschaft hat nach Robert Nefs Meinung den Vorteil, daß sie die Tragweite von Fehlern verringert: Sie bleiben lokal begrenzt. Lokale Erfolge, gelungene Experimente, lassen sich nachahmen. Er warnt vor einer "Flucht in den höheren Verband", das Versagen im Kleinen nur auf ein Versagen im Großen verlagert. Nef charakterisiert den Markt als "Schule ohne Lehrer": Wer diese Schule schwänze, werde früher oder später mit wirtschaftlichem und politischem Mißerfolg bestraft.

Erfrischend ist auch Nefs Skepsis gegenüber einem dogmatischen Feminismus, der bestimmte Rollenmuster - etwa egalitäre Parität in jedem Betracht - allen Paaren aufzwingen will. "Was als allgemeine ,Fraueninteressen' dargestellt wird, ist oft nur das Interesse jener Frauengruppen, welche gewisse Verhaltensweisen und Fehler von bestimmten Männergruppen kopieren wollen und welche die Frauenemanzipation mit der Angleichung ,der Frauen' an männliche Verhaltensmuster verwechseln." Er warnt vor einer Politisierung der "Face-to-face-Beziehungen" durch den egalitären Wohlfahrtsstaat, bei der die Frauen nur verlieren könnten: Der Fraueneinfluß sei gerade in Kleingruppen am größten.

Bei all seiner Vorliebe für die nonzentralen Strukturen übersieht Robert Nef nicht, daß auch die Schweiz, deren Bundesstaat einmal mit einem Dutzend Bundesbeamten und einigen kümmerlichen Zolleinnahmen startete, inzwischen ein Drittel der Steuereinnahmen für die Bundesebene beansprucht. Der für Nef interessanteste Abschnitt der Schweizer Geschichte ist der zwischen Staatenbund und Bundesstaat in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, vor 1848 - es war dies ein großes Laboratorium des Nonzentralismus. Die Spannung, welche die Schweiz seit jeher aushalten muß, ist die fruchtbare Spannung zwischen dem libertären Prinzip des Wilhelm Tell auf der einen und dem kommunitarischen Rütli-Prinzip auf der anderen Seite. Im nationalen Wohlfahrtsstaat wird das Rütli-Prinzip übertrieben und bei den "Anarchos" das Tell-Prinzip. Jedenfalls braucht es (auch außerhalb der Schweiz) beide Prinzipien.

Ist Nefs Position nun "rechts" oder "links"? Auch zur "Auslegeordnung" dieser Zentralbegriffe der politischen Diskussion gibt es bei Robert Nef Bedenkenswertes zu lesen, ohne daß er sich freilich von diesem fragwürdigen Dualismus ganz verabschieden möchte. Nefs sympathische politische Philosophie der Freiheit könnte man mit dem bekannten Motto eines Kirchenvaters charakterisieren: In necessariis unitas (dies ist bei Nef sehr wenig), in dubiis libertas (dies ist bei Nef sehr viel), sed in omnibus caritas (in allem Fairneß und wertbewußte Toleranz: Wo man im "letzten" nicht übereinstimmt, kann man vielleicht im vorletzten zusammengehen). Auch derjenige Leser, der ihm nicht auf allen seinen Pfaden folgen mag, wird für die Lektüre dieser Essaysammlungen durch viele Anregungen und den Genuß einer schwungvollen Sprache belohnt.

GERD HABERMANN

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Die Stiftung Liber'all hat Robert Nef, dem Leiter des Liberalen Instituts in Zürich, den Auftrag erteilt, eine "Übersicht über die wichtigsten politischen Grundbegriffe" zu vermitteln, berichtet der Rezensent Kurt Müller. Nun legt er ein Buch vor, lobt der Rezensent, das neben einer "grundsatzorientierten Auslegeordnung" auch ein Glossar und "anregende" Essays beinhaltet. Autor und Herausgeber, so Müller, waren sich der Schwierigkeit einer solchen Begriffsklärung bewusst: Die zunehmend "entideologisierte" politische Diskussion dränge immer mehr zur Mitte, wo sich die Begriffe "radikal" und "liberal" ansiedeln. Die allerdings bedeuten je nach Land und politischer Kultur Verschiedenes. Nef gehe aus von einer Dreiteilung der Wirklichkeit in Wirtschaft, Staat und Zivilgesellschaft und stelle fest, dass sowohl die Zivilgesellschaft als auch die Wirtschaft auf Netzwerken beruhten, in die der Staat, so Nef in seiner liberalen Überzeugung, so wenig "übergeordnete Eingriffsmöglichkeit" wie möglich haben sollte. Anstelle der "klassischen politischen Fragestellungen" seien neue gerückt, wie auch Peter Groß im Vorwort schreibt, etwa Einwanderungs- und Asylpolitik, Drogenpolitik, Verkehrspolitik, Gesundheits- und Sicherheitspolitik, die nicht einfach mit "mehr oder weniger Staat" beantwortet werden können. Doch auch diese neuen Fragenstellungen hätten das "Links-Rechts-Schema" nicht aufgehoben. Auch wenn über Begriffe und Ziele Einigkeit herrsche und für Gerechtigkeit plädiert werde, werde jedoch Gerechtigkeit unterschiedlich aufgefasst. Müller gefällt Nefs "erfrischend offene Haltung" und er rechnet ihn zu den "unbequemen" Radikalliberalen, die den Machern immer noch geistig-politische Leitsätze vor Augen führen.

© Perlentaucher Medien GmbH
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