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Parallel zur großen Welt, in der große Menschen und große Dinge leben, existiert die kleine Welt mit kleinen Menschen und kleinen Dingen . Unvergessen ist die literarische Reise des sowjetischen Duos Ilf und Petrow durch die Vereinigten Staaten in den dreißiger Jahren: Wäre Amerika sowjetisch, dann wäre es das Paradies . Zu literarischen Stars der jungen Sowjetunion wurden Ilja Ilf und Jewgeni Petrow als satirische Ethnografen des eigenen Landes: Wie dort Das Goldene Kalb oder die Jagd nach der Million hat 1931 erscheinen können, bleibt eigentlich ein Rätsel. Ihr Kultbuch ist eine Tour auf den…mehr

Produktbeschreibung
Parallel zur großen Welt, in der große Menschen und große Dinge leben, existiert die kleine Welt mit kleinen Menschen und kleinen Dingen .
Unvergessen ist die literarische Reise des sowjetischen Duos Ilf und Petrow durch die Vereinigten Staaten in den dreißiger Jahren: Wäre Amerika sowjetisch, dann wäre es das Paradies . Zu literarischen Stars der jungen Sowjetunion wurden Ilja Ilf und Jewgeni Petrow als satirische Ethnografen des eigenen Landes: Wie dort Das Goldene Kalb oder die Jagd nach der Million hat 1931 erscheinen können, bleibt eigentlich ein Rätsel.
Ihr Kultbuch ist eine Tour auf den Irrwegen des ersten Fünfjahresplans unter Stalin und überführt das junge Sowjetreich in eine gigantische Farce. Ostap Bender als Romanheld ist der große Kombinator , der Kopf einer Bande skurriler Existenzen, grandioser Gauner, die sich als Söhne eines Revolutionshelden das Leben schmarotzend erschwindeln. Und sie alle sind auf den Spuren eines illegalen Millionärs, der sich als getreuer Sowjetbürger und Buchhalter seines Betriebskollektivs verbirgt. Seine komödiantische Enttarnung wird zur wahnwitzigen Reise durch die Alltagswelt der Bürokraten und Kleinbürger.
Buchkünstler: Jens Müller
Autorenporträt
Ilja Ilf (1897-1937) arbeitete zusammen mit Jewgeni Petrow (1903-1942) in den zwanziger Jahren als Journalist für verschiedene Satireblätter. Nach den Zwölf Stühlen veröffentlichten sie 1931 den Roman Das goldene Kalb oder Die Jagd nach der Million (dt. 1958) sowie Erzählungen und Feuilletons (Beziehungen sind alles, dt. 1981).

Thomas Reschke, 1932 in Danzig geboren, ist einer der profiliertesten Übersetzer aus dem Russischen und übertrug neben vielen zeitgenössischen Autoren Klassiker wie Michail Bulgakow, Maxim Gorki, Nikolaj Gogol und den Dichter und Liedermacher Bulat Okudschawa.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Das sowjetkultige Buch reißt Oliver Jungen auch 80 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung noch mit. Besser als "Ocean's Eleven" gefällt Jungen die von Ilja Ilf und Jewgeni Petrow erdachte Geschichte um den Hochstapler Ostap Bender, weil sich hier für ihn die liebenswerte Ironisierung menschlicher Schwächen mit handfestem Spott, nämlich über die Fünfjahrespläne und andere kommunistische Kalamitäten, vermischt. Dass die Kritik von innen, nicht von außen kommt, merkt Jungen sofort. Der Absturz des Verstellungsmeisters und Bilderstürmers Bender etwa scheint ihm dermaßen übertrieben in Szene gesetzt, dass der Vorwurf der Sowjet-Propaganda hier wirklich absurd wäre.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.07.2013

Die falschen Enkel von Karl Marx
Ilja Ilf und Jewgeni Petrow schufen den berühmtesten Gauner der sowjetischen Literatur – ihre Satire ist noch heute lesenswert
Ins Arbeitszimmer des Vorsitzenden des Exekutivkomitees der Stadt Arbatow trat eines Tages ein Mann mit weißer Schirmmütze, wie Conférenciers sie tragen, und sagte, er sei der Sohn des Leutnants Schmidt, Sohn also des großen Revolutionärs, legendär seit der Meuterei auf dem Panzerschiff „Otschakow“. Er sei in Verlegenheit, besitze keine Kopeke mehr, er brauche Geld. Gewiss könne er sich in dieser Angelegenheit auch an eine Privatperson wenden, aber wie stehe er dann da, vom politischen Standpunkt aus gesehen: „Der Sohn eines Revolutionärs – und bittet einen Privatmann, einen NÖP-Schieber um Geld . . . “.
  Der Vorsitzende hat ein Einsehen, will politische Fehler vermeiden und händigt dem Mann mit der Schirmmütze acht Rubel sowie drei Essensmarken für die Konsumkantine „Ehemaliger Freund des Magens“ aus. Alles läuft nach Plan, bis ein zweiter Sohn des revolutionären Leutnants ins Zimmer stürmt und um Geld bittet. Die Situation wird brenzlig, und noch ahnt keiner, dass ein dritter Sohn des Leutnants Schmidt bereits im Anmarsch ist.
  „Durchs ganze Land ziehen bettelnd und schnorrend falsche Enkel von Karl Marx, nicht-existente Neffen von Friedrich Engels, Brüder von Lunatscharski, Kusinen von Klara Zetkin oder zur Not auch Nachfahren des berühmten Anarchisten Fürst Kropotkin. Bataillone mythischer Verwandter plündern die Naturschätze des Landes: Gutherzigkeit, Kriecherei und Untertanengeist.“ Kurz: auch die Gaunerei geht mit der Zeit und hat im Land der „Neuen Ökonomischen Politik“ (NÖP), der Duldung privater Wirtschaftstätigkeit unter bolschewistischer Herrschaft, eine sowjetische Prägung bekommen.
  Für den Mann mit der weißen Schirmmütze freilich sind derlei Verwandtentricks bestenfalls ein Notbehelf oder eine Fingerübung. Ihm schwebt Größeres vor, schließlich ist er Ostap Bender, der berühmteste Gauner der Sowjetliteratur. Seinen ersten Auftritt hatte er 1928 im Roman „Die Zwölf Stühle“, an dessen Ende ein Rasiermesser ihm die Kehle durchschnitt. So hatte im Streit um das Schicksal des Gauners das Los entschieden, erzählten die beiden Autoren des rasend erfolgreichen Buches, Ilja Ilf und Jewgeni Petrow. Drei Jahre später ließen die beiden Ostap Bender wiederauferstehen für ihren Roman „Das Goldene Kalb“: „Ein Buch, das zu komisch ist, um in Russland veröffentlicht zu werden“, warb man 1932 aus Anlass der amerikanischen Ausgabe.
  Das stimmte nicht. Die Zeitschrift 30 Tage hatte den Roman 1931 in Fortsetzungen gebracht, 1933 erschien das Buch in der Sowjetunion und blieb dort über die Jahrzehnte hinweg populär. Für die „Andere Bibliothek“ hat Thomas Reschke nun seine Übersetzung aus dem Jahr 1979 anhand des erstmals vollständig vorliegenden russischen Originals überarbeitet. Die satirische Reise durch das Sowjet-Universum wirkt auch nach achtzig Jahren noch erstaunlich frisch. Bender ist ein Gauner, wie man selber gern einer wäre: klug, selten um einen Einfall verlegen, fleißig, stilsicher. Daneben besitzt er alle Eigenschaften, die Personalchefs schätzen, arbeitet selbstständig, lösungsorientiert und im Team. Sein Problem mit der Sowjetmacht? Sie will den Sozialismus aufbauen, er will das nicht. Es langweilt ihn. Er möchte eine Million erbeuten und nach Rio de Janeiro auswandern. Der Zufall will, dass einer der Söhne des Leutnants Schmidt von einem Millionär gehört hat, der in den NÖP-Jahren durch krumme Geschäfte zu Reichtum gelangte und nun ein karges Angestelltendasein führt. In Tschernomorsk wartet auf bessere Zeiten, den Kapitalismus. Ostap Bender zögert keine Sekunde. Er weiß, dass der finanzielle Abgrund der tiefste von allen ist – „da kann man sein Leben lang hineinfallen“. Mit Söhnen des Leutnants Schmidt und anderen Ganoven beginnt er die „Jagd nach der Million“. Sie führt ihn bis nach Mittelasien und an die Grenzen des Riesenreiches.
  Der Roman ist locker gefügt, überreich an Nebenfiguren, komischen Episoden, die für den Handlungsfortgang entbehrlich scheinen, nicht aber für die ehrgeizige Absicht Ilfs und Petrows. Das Leben, den Alltag, wollen sie zeigen, so wie sie es später auch in ihrem hinreißenden Reisebericht „Das eingeschossige Amerika“ (1936, deutsch 2011) getan haben. Für die USA konnte dies in Form der Reportage geschehen, in der Sowjetunion empfahl sich der komische Roman. Nicht nur aus Zensurgründen, die Wirklichkeit übertrieb von sich aus, nahm selber immer mehr groteske Züge an.
  Gemeinschaftswohnungen, Mangel an nahezu allem Notwendigen, Großsprecherei, Phrasen, Wettbewerb, Kundgebungen, Auftragskünstler, Ehekräche, korrupte Funktionäre – der Roman bietet Stoff genug für eine kleine Sowjetenzyklopädie der kleinen Dinge und des Lebens der kleinen Leute. Sein großes Thema aber ist nicht die Gier nach dem Gelde, auch wenn diese selbstredend eine Rolle spielt, sondern die zermürbende Bürokratisierung des gesamten Daseins. Eine Bürokratisierung, die nicht Ordnung schafft, sondern ein unentwirrbares Durcheinander erzeugt, für ständige Demütigungen im Alltag sorgt. Es spricht für die Klugheit der Autoren, dass auch Bender immer mehr bürokratische Leidenschaften an sich entdeckt.
  Leider fehlt dieser schönen Ausgabe ein Kommentar, der knapp den Anspielungsreichtum entschlüsselt. Dass die Schwarzmeerstadt Tschernomorsk der Heimatstadt der Autoren, Odessa, nachgebildet ist, erschließt sich leicht; aber die Parodien auf Kampagnen, Losungen, ideologische Versatzstücke versteht man ohne Hilfe nur so obenhin. Dass Ilf und Petrow auch damals viel gelesene Kollegen – etwa Juri Tynjanow – parodierten, dass sie Wirklichkeit schildern, indem sie Tonlagen, Weltanschauungsfragmente, Wortmüll und Poesie zur Kollision zwingen, mag der Leser ahnen. An einigen Stellen darauf hinzuweisen, hätte das Vergnügen an der Satire doch wohl nicht geschmälert.
  Ostap Benders Jagd hat Erfolg und bringt ihm doch kein Glück. Reichtum nützt wenig in dieser Sowjetunion, wo man ihn nicht zur Schau stellen, die Macht und den Glanz nicht auskosten kann. Auch bleibt man, wie Bender erfahren muss, selbst als Millionär weiterhin man selbst. Das alte Ich begleitet einen, ob arm oder reich. Der Roman endet: „Ich muss mich zum Hausmeister qualifizieren.“ Der Satz ist, wie „Bier wird nur an Gewerkschaftsmitglieder ausgeschenkt“ und vieles mehr aus dem „Goldenen Kalb“ in die sowjetische Alltagssprache eingegangen.
  Im Jahr 1986 schlugen Erich Honecker und Günter Mittag in Moskau vor, die wirtschaftliche Kooperation mit der UdSSR zu erweitern. Der neue Mann im Kreml, Michail Gorbatschow, der Überforderung seines Landes durch die Verbündeten überdrüssig, sagte: „Sie handeln wie Ostap Bender“. Dabei dürfte er an einen Satz aus dem 3. Kapitel dieses Romans gedacht haben. Für die Jagd muss ein Auto her, ein Chauffeur gewonnen werden: „Ihr Benzin, unsere Ideen“, so Bender. In Odessa hat man ihm ein Denkmal gesetzt.
JENS BISKY
„Die Naturschätze des Landes:
Gutherzigkeit, Kriecherei
und Untertanengeist.“
  
  
    
Ilja Ilf/Jewgeni Petrow: Das Goldene Kalb oder die Jagd nach der Million. Übersetzt aus dem Russischen von Thomas Reschke. Die Andere Bibliothek, Berlin 2013. 469 Seiten, 38 Euro.
Das Erfolgsduo der satirischen Sowjetliteratur: Ilja Ilf (1897-1937, links) und Jewgeni Petrow (1903-1942).
FOTO: GETTY IMAGES/HULTON ARCHIVE
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