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Es gibt sie, die Unterschiede zwischen den Gehirnen von neugeborenen Mädchen und Jungen - sie sind jedoch verschwindend gering. Erst soziale Einflüsse aller Art verstärken sie derart massiv, dass die altbekannten Vorurteile über geschlechterspezifische Stärken und Schwächen entstehen. Lise Eliot zeigt, dass wir den Unterschied im Interesse unserer Kinder nicht zu einem großen werden lassen sollten, und liefert damit einen neuen Ausblick auf das Verhältnis der Geschlechter.
Wo Männer vom Mars sind und Frauen von der Venus, da ist auch die Überzeugung nicht mehr weit, die Unterschiede
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Produktbeschreibung
Es gibt sie, die Unterschiede zwischen den Gehirnen von neugeborenen Mädchen und Jungen - sie sind jedoch verschwindend gering. Erst soziale Einflüsse aller Art verstärken sie derart massiv, dass die altbekannten Vorurteile über geschlechterspezifische Stärken und Schwächen entstehen. Lise Eliot zeigt, dass wir den Unterschied im Interesse unserer Kinder nicht zu einem großen werden lassen sollten, und liefert damit einen neuen Ausblick auf das Verhältnis der Geschlechter.
Wo Männer vom Mars sind und Frauen von der Venus, da ist auch die Überzeugung nicht mehr weit, die Unterschiede zwischen dem weiblichen und dem männ - lichen Geschlecht seien selbstverständlich angeboren. Weit gefehlt, sagt die Neurobiologin Lise Eliot. Wissenschaftlich lassen sich zwischen den Gehirnen von Mädchen und Jungen vor und kurz nach der Geburt nur sehr geringe Unterschiede feststellen. Erst im Laufe der kindlichen Entwicklung bis zur Pubertät sorgen äußere Einflüsse - Eltern, Lehrer und gesellschaftliche Konventionen insgesamt - für jene markanten Abweichungen, auf denen die gängigen geschlechtsspezifischen Stereotypen beruhen. Eliot räumt mit diesem Schubladendenken gründlich auf. Jungen sind eben keineswegs per se besser in Mathematik", sondern lediglich in bestimmten Formen räumlichen Denkens. Und Mädchen sind nicht von Natur aus einfühlsamer" - sie dürfen ihre Gefühle bloß mehr zeigen. Gerade aber in einer zunehmend komplexen und konkurrenzorientierten Welt sollten
wir nicht zulassen, dass wir in alten Rollenmustern verharren, wo wir doch über neue Fähigkeiten bei beiden Geschlechtern verfügen. Wie verschieden sind sie? ist ein gleichermaßen erfrischendes, fundiertes und vehementes Plädoyer dafür, verquere Geschlechterkonventionen zu überwinden. Mit einer Fülle konkreter Beispiele und Ratschläge macht Lise Eliot deutlich, dass unsere Gesellschaft und jeder Einzelne gut daran tun, allen Kindern, ob Jungen oder Mädchen, dabei zu helfen, ihr wirkliches Potenzial auszuschöpfen.
Autorenporträt
Lise Eliot lehrt und arbeitet als Neurobiologin an der renommierten Chicago Medical School. Beim Berlin Verlag ist 2001 ihr Bestseller Was geht da drinnen vor? Die Gehirnentwicklung in den ersten fünf Lebensjahren erschienen (Neuaus gabe 2010). Lise Eliot lebt mit ihrem Mann und den drei Kindern in der Nähe von Chicago.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.11.2010

Ich kann Mathe - was kannst Du?

Elterliche Erwartungen ans Kind sind wie ein Käfig, der sich einen Vogel sucht: Die Neurobiologin Lise Eliot über die Frage, wie verschieden Mädchen und Jungen sind.

Von Petra Gehring

Nicht schon wieder ein Buch über die Gehirne von Männern und Frauen: Warum sie schlecht einparken kann? Warum er nicht zuhört? Wie Hormone unser Verhalten steuern? Halt, nein: Hier geht es anders zu. In lockerem Ton, jedoch fachlich unerbittlich nimmt die amerikanische Neurobiologin Lise Eliot die zahlreich kursierenden Halbwahrheiten auseinander, denen zufolge die Geschlechterdifferenz im Gehirn - schon vorgeburtlich - beginnt, um dann als biologisches Schicksal zu erscheinen.

Wie verschieden sind sie? So heißt Eliots unterhaltsamer Überblick über die Gehirnentwicklung bei Mädchen und Jungen. Ausdrücklich greift die an der Chicago Medical School lehrende Autorin die populäre Neuroliteratur der letzten Jahre auf. Und sie greift sie an: Namentlich den vielgelesenen Arbeiten von Louann Brizendine über das "weibliche" (F.A.Z. vom 5. Februar 2007) und das "männliche" Gehirn (F.A.Z. vom 24. August 2010) wird mit Deutlichkeit widersprochen. Unaufgeregt führt Eliot Forschungsergebnisse, Zahlen, Beispiele auf das zurück, was man ihnen tatsächlich (nur) entnehmen kann. Leserinnen und Leser lernen das Staunen. Weniger allerdings über das Spektakel der Hormone als über windige Versuchsanordnungen und einseitige Empfehlungen, die für grobe Schwarz-weiß-bilder sorgen - in einem überaus komplexen Gebiet.

Steckt das geschlechtertypische Verhalten im Gehirn? Greift man nicht einzelne Studien heraus, sondern sichtet den Kenntnisstand, so liefert Neuroforschung zu dieser Frage vor allem Negativbefunde. Von sehr vielen Dingen ist zunehmend gewiss, dass sie sich bei Mädchen und Jungen kaum messbar unterscheiden. Wo aber Differenzen hervortreten, bleibt zumeist offen, ob Gene, Gehirn, Hormone die Ursachen sind. Auch körperliche Unterschiede können ja erworben sein.

Mit anderen Worten: Es ist keineswegs ausgemacht, ob ungleiche Phänomene schon im Gehirn von Kindern nicht Folge geschlechtsbedingt unterschiedlicher Alltagsaktivitäten sind. Zwar hat die Gehirnentwicklung eines Lebewesens irgendwo einen Anfang. Die erst nach Jahrzehnten voll ausgebildeten Gehirne von Menschen wachsen aber heran, indem sie betätigt werden. Von Geburt an formen sie sich in einem sozialen Miteinander, das unablässig subtil die Zuschreibungen "weiblich" oder aber "männlich" verwendet. In jeder Sekunde schreibt sich so in die flexiblen Leistungskataloge von Kindergehirnen und später in die Köpfe von Jugendlichen hinein, was wir für frauen- und männertypisch halten.

Grundsätzlich hat Lise Eliot gar nichts gegen das Gehirn. Sie präsentiert es als in seiner Lernfähigkeit faszinierend. "Plastizität" lautet das Stichwort: Das Hirn ist, was wir mit ihm tun. Alles, womit wir uns beschäftigen, stärkt die jeweils aktiven Schaltkreise auf Kosten derer, die untätig bleiben. Eliot folgert: Verhalten sich Mädchen und Jungen unterschiedlich, so wäre es geradezu erstaunlich, hätten sie auf Dauer identische Gehirne. Hat die Geschlechterdifferenz Gewicht, so werden wir sie in der einen oder anderen Hinsicht wohl auch auf neuronaler Ebene finden. Die erste Frage ist aber: Wie groß sind die Unterschiede? Und die zweite: Wo kommen sie her?

Die insgesamt acht Kapitel des Buches sichten zur ersten Frage - mit Studien vom Fötus über das Kleinkind bis zum Erwachsenen - eine enorme Menge von Material. Dabei tritt zutage: Entwicklungsmessungen belegen gewisse Geschlechterunterschiede. Nur wenige, winzige betreffen allerdings Neugeborene: Weibliche Föten reifen etwas schneller und kommen mit stärkerem Saugreflex zur Welt, neugeborene Jungen sind größer, aber verletzlicher. Da bei Jungen der Körpergröße entsprechend die Ohren weiter auseinander liegen, können sie Schallreize geringfügig besser orten.

Dazu divergiert das Fingerlängenverhältnis, was sich möglicherweise auf vorgeburtliches Testosteron zurückführen lässt. Weder sind männliche Föten und Säuglinge aber bewegungsaktiver, noch sind sie, wie ein Vorurteil besagt, eher "visuell" orientiert. Noch ist belegbar, dass das Gehirn von neugeborenen Mädchen weiter ist als das von Jungen. Einigen amerikanischen Studien zufolge reagieren männliche Säuglinge auf unangenehme Sinnesreize - Stiche, Gerüche - schwächer als weibliche. Hier fragt sich aber bereits, ob nicht die Umgebung im Spiel ist, nämlich ein Schmerztrauma: In den Vereinigten Staaten wird die Mehrzahl der Jungen nach der Geburt beschnitten, und dies geschieht üblicherweise ohne Betäubung.

Die meisten Geschlechterunterschiede, wie Interessen, Aktivitätsgrad, Wahrnehmungsschwellen, Körperkraft, Gefühlsreaktionen, Beziehungsstile und Aggressionsverhalten von Mädchen und Jungen, treten mit Kindheit und Jugend erst allmählich auf. Mädchen spielen filigraner, gern mit Puppen und lernen etwas früher sprechen, Jungen entwickeln ein ausgeprägtes Interesse an Bewegungsspielen und an der Interaktion mit Geräten. Auch hier bestätigt die Forschung einige hartnäckige Klischees nicht: In der Risikofreude - gilt es etwa, ein schräges Brett herunterzukrabbeln - unterscheiden sich kleine Kinder beider Geschlechter nicht. Verschieden reagieren aber die Mütter: Sie warnen Mädchen häufiger als Jungen und schätzen umkehrt den Jungen als mutiger ein. Durchweg spiegeln empirische Untersuchungen eindrucksvoll, wie die Macht der elterlichen Erwartung für Geschlechterunterschiede sorgt: Sollen Jungen, ist Besuch da, immer draußen spielen, setzt man sie sozialen Herausforderungen erst gar nicht aus; fordert man von Mädchen keine Rechenleistungen, bleiben sie mathematisch unbeholfen.

Gravierende Unterschiede gehen auch vom Spielzeug aus und der Art, wie Kinder beschenkt werden. Barbiepuppen für Vierjährige tragen Netzstrümpfe, und die Tarnfarben eines Geländewagens zeigen, dass er ein Jungen-Spielzeug ist. Gerade Jungen sitzen hier in der Eindeutigkeitsfalle. Während Mädchen meist nicht gehindert werden, sich jungenhaft zu betätigen, werden Jungen regelrecht dazu angehalten, das nicht zu tun, was Mädchen tun. Interessant sind hier Studien zum wachsenden Gruppendruck in der Schule: Fühlen Kinder sich von Gleichaltrigen beobachtet, so steigen ihre Anstrengungen, die Grenzen der Geschlechtsrolle zu wahren. Und das wiederum prägt.

Eine echte Forschungsente steckt hinter der These, kleine Mädchen würden "Blickkontakte" suchen, Jungen hingegen lieber Objekte betrachten - Mädchen seien also stärker auf andere Menschen bezogen als Jungen. Eine diesbezügliche Studie, auf die sich Leonard Sax, Bildungsberater der Bush-Regierung, Louann Brizendine und andere berufen, weist erhebliche methodische Schwächen auf und wurde in Folgeexperimenten nicht bestätigt. Als Mythos erweist sich auch die Macht des "Wechselbades" der Hormone für das Verhalten Heranwachsender oder Frauen in den Wechseljahren. Namentlich der vielbeschworene hohe männliche Testosteronspiegel scheint eher, so Eliot, die Folge von Konkurrenzkonstellationen als die Ursache männlicher Aggression zu sein.

Bleiben die Geschlechterunterschiede in den beiden unbestrittenen Problemfeldern bei Schülern, der schulischen Leseleistungen (eine Mädchendomäne) und der mathematischen Fähigkeiten (Vorsprung der Jungen). Mit Blick auf die vorhandenen Studien der letzten Jahre schlüsselt Eliot auf, dass eine Angleichung insbesondere der mathematischen Leistungen von Mädchen derzeit im Gang ist. Dazu wurde ein geometrischer Aufgabentyp, die Raumrotation, als der eigentliche Grund der gemessenen Differenzen erkannt: Hier schneiden möglicherweise Kinder besser ab, die mit Bauklötzen, Werkzeugen und generell dem Hantieren bewegter Dinge sozialisiert sind - also derzeit: Jungen. Deren Leseschwäche wiederum ist statistisch auffallend und reduziert sich bislang nicht.

Gleichwohl handelt es sich erstens um keinen großen Abstand, und zweitens konnten mutmaßliche Ursachen im Hirn nicht gefunden werden, es gibt kein empirisch schlüssiges Modell. Soziale Unterschiede hingegen liegen auf der Hand: Sprachentwicklung resultiert wesentlich aus der motorisch ruhigen Beschäftigung mit Büchern sowie Unterstützung beim Schreibenlernen. Die als jungentypisch tolerierte Interaktion mit Computern ersetzt das Eintauchen in geschriebene Welten nicht.

Eliot will Unterschiede zwischen Männern und Frauen nicht leugnen, weist aber deren Dramatisierung und vor allem das Phantom der "biologischen Ursache" zurück. Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus? Eher gelte, zitiert Eliot einen Kollegen, Männer seien aus Norddakota, Frauen aber aus Süddakota. In der Frage, wo die Geschlechterunterschiede herkommen, gibt das Buch - bei aller Leichtigkeit, mit der es daherkommt - gleichwohl Antworten, die zu denken geben.

Zum einen macht die Geschlechtszugehörigkeit tatsächlich nicht an der Hautgrenze halt. Wir werden nicht allein auf der Ebene von "Rollen" zu Mädchen und Jungen, Männern und Frauen gemacht, sondern bis in unsere Gefühle, unseren Denk- und Kommunikationsstil und folglich auch bis in die dadurch betätigten Hirnstrukturen. Umgebungen schaffen neuronale Muster: Ein Verhaltenskörper, der ein Geschlecht hat, senkt sich ins Innere hinein.

Zum anderen stellt aber Wissenschaft Geschlechterunterschiede her. Wo schlecht belegte Forschungsergebnisse zur kindlichen Gehirnentwicklung verfrüht und grob vereinfachend vermarktet werden, produziert Neuroforschung genau diejenige Realität, von der sie redet. Eliot zeigt dies in vielen Varianten: Eltern und Lehrer vermitteln Geschlechterstereotype nicht nur. Wenn sie das Gehirn als wissenschaftlichen Bestätigungsgrund nehmen, Geschlechterunterschiede für unabänderlich zu halten, dann verstärken sie diese Unterschiede aktiv - oder rufen sie gar hervor. Erwarten Eltern gar nicht erst, dass ihr Sohn emotionale Bindungen zu ihnen aufbaut, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die emotionale Störung schon aus diesem Grund tatsächlich entsteht. Eine erzieherische Zuschreibung gleicht einem Käfig, der sich einen Vogel sucht. Eliots Buch formuliert hier eine engagierte Warnung.

Lise Eliot: "Wie verschieden sind sie?" Die Gehirnentwicklung bei Mädchen und Jungen. Aus dem Amerikanischen von Christoph Trunk. Berlin Verlag, Berlin 2010. 605 S., geb., 26,- [Euro].

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"Ein wunderbar optimistisches Buch, das ich nicht warm genug empfehlen kann." -- ERIC KANDEL, NOBELPREISTRÄGER FÜR MEDIZIN

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Sehr empfehlen kann Dorion Weickmann dieses Buch der Chicagoer Neurobiologin Lise Eliot, das die Rezensentin als Gegenentwurf zu Louann Brizendines "Das weibliche Gehirn" versteht. Darin propagierte die Kalifornierin die genetische Programmierung der Geschlechter, gegen die Erziehung oder Umwelteinflüsse wenig ausrichten könnten. Dagegen setzt Eliot die "phänomenale Fähigkeit" des Gehirns, sich immer neu zu formatieren und damit auch unterschiedliche Fertigkeiten auszubilden. Allerdings gebe es durchaus Unterschiede in der hormonellen Entwicklung, so reife das männliche Hirn im frühen Schulalter langsamer als das weiblich, so dass Jungen tatsächlich mehr Sportmatten als Computer bräuchten. Andererseits würde Mädchen gelegentlichen Toben auch gut tun, das trainiere die räumlichen Sinne und vielleicht auch das Verständnis für Geometrie.

© Perlentaucher Medien GmbH