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Russland/Polen 1920/21: Unter einem Pseudonym, das seine jüdische Herkunft verschleiert, ist Juda Grossman alias Babel als Korrespondent bei der legendären Roten Reiterarmee tätig. Sein Blick wirft Schlaglichter auf die brutalen Kehrseiten des Krieges. Dabei kreist er zugleich um die Widersprüchlichkeiten seiner doppelten Identität: Als Russe ist er Mitglied der Reiterarmee um General Budjonny, als Jude vermag er letztendlich der erträumten Rolle des furchtlosen Rotarmisten nicht gerecht zu werden. Ein allgegenwärtiger Antisemitismus versetzt ihn in Einsamkeit und politische Ohnmacht. "Juden…mehr

Produktbeschreibung
Russland/Polen 1920/21: Unter einem Pseudonym, das seine jüdische Herkunft verschleiert, ist Juda Grossman alias Babel als Korrespondent bei der legendären Roten Reiterarmee tätig. Sein Blick wirft Schlaglichter auf die brutalen Kehrseiten des Krieges. Dabei kreist er zugleich um die Widersprüchlichkeiten seiner doppelten Identität: Als Russe ist er Mitglied der Reiterarmee um General Budjonny, als Jude vermag er letztendlich der erträumten Rolle des furchtlosen Rotarmisten nicht gerecht zu werden. Ein allgegenwärtiger Antisemitismus versetzt ihn in Einsamkeit und politische Ohnmacht. "Juden werden mit dem Koffer im Herzen geboren", sinniert der junge Schriftsteller, der seine eigene Identität und die Geschichte seines Volkes unablässig neu erfinden muss: Einzig das Papier als Ort der Schrift gewährt ihm Aufenthalt. Ein geheimnisvoller schwarzer Engel weist ihm schließlich den Weg in eine entschiedene Wandlung ... Ein sprachgewaltiges Porträt, dessen historische Tiefe und Plastizität die Frage der jüdischen Identität neu zu stellen wagt.

David Markisch zeichnet mit beeindruckender erzählerischer Kraft ein vielschichtiges Bild des großen Isaak Babel. Eine Hymne an die Wirkungsmächtigkeit des poetischen Wortes.
Autorenporträt
David Markisch wurde 1939 in Moskau geboren. Sein Vater, der jüdische Schriftsteller Perez Markisch, wurde 1952 als Vaterlandsverräter erschossen. Die Familie wurde für zehn Jahre nach Kasachstan verbannt, durfte aber im Zuge der Rehabilitierung nach Stalins Tod 1955 nach Moskau zurückkehren. 1972 emigrierte er nach Israel, wo er seither lebt und arbeitet. Seine Romane und Erzählungen wurden in mehrere Sprachen übersetzt und mit internationalen Preisen ausgezeichnet.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Franz Haas feiert Markischs Roman über das aufregende Leben und elende Sterben des sowjetischen Schriftstellers Isaak Babel als brillanten Beitrag zu einem Stück sowjetischer Gruselgeschichte, die im übrigen auch das Leben des Autors gezeichnet habe, wie Haas anmerkt: Nicht nur Babel, sondern auch Markischs Vater wurde Opfer der Stalinschen Säuberungskampagnen, beide starben. Von dieser dunklen Geschichte berichtet Markisch in einem Ton "von schreckensstarrer Leichtigkeit", schreibt Haas fasziniert und spricht dem Übersetzer Alfred Frank ein großes Lob aus, der den gruselig-lakonischen Witz des Textes bewahrt habe. Ansonsten nehme sich Markisch viele Freiheiten heraus, mit erfundenen Details das Leben Babels auszudichten, gesteht Haas, wobei der erste große Teil von "Babels Wandlung" sein besonderes Gefallen gefunden hat, weil sich Markisch da an den literarischen Vorlagen Babels orientiert, dabei aber einen eigenen Ton bewahrt hat. Der zweite und dritte Teil des Romans seien eindeutig weniger gelungen, aber immer noch "glänzend genug erzählt", beharrt Haas auf seinem Lob für einen wahrhaft "meisterhaften Beitrag " zur monströsen Vergangenheit Russlands.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.02.2005

Man muss nicht mit dem Dolch herumlaufen
Mal packend, mal matt: David Markischs Roman über Isaak Babel erlaubt sich „antibiographische” Freiheiten
Auf den ersten Blick erwartet der Leser einen Roman über das bewegte Leben des Isaak Babel, alias Kirill Ljutow, der in einer wohlhabenden jüdischen Familie in Odessa aufwächst, sich den Bolschewiki anschließt, von Maxim Gorki gefördert zum berühmten sowjetischen Schriftsteller aufsteigt, und am Ende, wie so viele überzeugte Kommunisten, in den Kellern der Lubjanka gefoltert und ermordet wird. So weit ist die Anlehnung an das Schicksal des historischen Babel einigermaßen nachzuvollziehen. Aber dann liest man im Untertitel: „Ein antibiographischer Roman”. Das klingt wie eine Warnung, das Buch nicht als Biografie zu lesen. Und in der Tat hat das, was dann auf fast dreihundert Seiten geschildert wird, mit dem, was wir über das Leben Isaak Babels wissen, nicht allzu viel zu tun.
Es fängt schon damit an, dass der Held des Romans gar nicht Isaak Babel, sondern Juda Grossman heißt. Und das, obwohl, zumindest in der deutschen Fassung, der Titel „Babels Wandlung” lautet. Auch das eine Vorkehr gegen die Erwartung, dass es hier um die historische Person geht? Aber warum dann Juda Grossman, wo es doch allzu nahe liegt, hier eine Verbindung zu dem bekannten israelischen Autor David Grossmann zu vermuten, auch wenn der ein „n” mehr im Namen hat? Wie auch immer - der Held ist als Frontberichterstatter unterwegs, beschreibt den Krieg in seiner ganzen Grausamkeit, das Elend, den Dreck, die blutgetränkte Erde. Und er ist ein Schürzenjäger, kernig und machohaft, der sich bei schönen Frauen nicht zurückhält, obwohl doch seine junge Gemahlin in Odessa auf ihn wartet.
David Markischs Roman wirft eine Menge Fragen auf. Liest man das Buch naiv, das heißt, ohne daran zu denken, mit wem und mit welchem historischen Kontext man es zu tun hat, dann kann man diesen Roman über weite Strecken durchaus genießen. Die Sprache ist packend, bildhaft, zuweilen ausgesprochen drastisch, die Szenerie, die hier entfaltet wird, voller abenteuerlicher Gestalten, voller Elend, Gewalt und Lebensgier. Dies gilt vor allem für die Passagen, in denen sich Markisch sehr eng an Babels Erzählungen aus dem Zyklus „Die Reiterarmee” hält.
Anders verhält es sich mit den Passagen, die die Reise des schon berühmten Schriftstellers Grossman nach Berlin und Paris behandeln. Hier fabuliert der Autor ungehemmt, erfindet - warum auch immer - Begegnungen, Gespräche und Konflikte, die es so nie gegeben hat. Zugleich ist hier, wo sich Markisch am weitesten von der historischen Vorlage entfernt, wo er sich den Raum schafft, seine Leser literarisch zu überraschen und zu fesseln, die Sprache seltsam matt.
Im Mittelpunkt steht die Frage nach der jüdischen Identität. Markisch schildert Grossman alias Babel als Menschen, der nicht nur zwischen den Rollen des Schriftstellers und des Revolutionärs hin- und hergerissen wird, sondern vor allem unter der Unvereinbarkeit seiner jüdischen Herkunft und seines bolschewistischen Engagements leidet. Das freilich ist eine Akzentsetzung, die sich bei aller „antibiographischen” Freiheit kaum rechtfertigen lässt. Nach allem, was wir über den Isaak Babel wissen, spielte die Suche nach der jüdischen Identität in seinem Leben keine zentrale Rolle.
Diese Problematisierung erklärt sich wohl am ehesten aus David Markischs eigener Familiengeschichte. Er wurde 1939 als Sohn jüdischer Eltern in Moskau geboren. Sein Vater, der Schriftsteller Perez Markisch, wurde 1952 von den Stalinisten wegen Vaterlandsverrats erschossen, die Familie zehn Jahre lang nach Kasachstan verbannt. David Markisch selbst emigrierte 1972 nach Israel, wo er seither lebt und arbeitet.
An das Ende seines Buches hat der Autor ein fiktives Schuldbekenntnis gesetzt, das der Schriftsteller Juda Grossman alias Isaak Babel kurz vor seiner Hinrichtung abgefasst hat. „Ich habe gelogen”, heißt es dort, „habe allen vorgegaukelt, ich wäre ein vorbildlicher Sowjetmensch - kein Schädling, kein Diversant und kein Spion. Man muss ja in der Tat nicht unbedingt mit einem Dolch unterm Mantel herumlaufen, um ein subversives Element und ein Spion zu sein, der einen Sprengsatz unter der Steinernen Brücke anbringt, über die Genosse Stalin zum Dienst fährt.”
FRANZISKA SPERR
DAVID MARKISCH: Babels Wandlung. Ein antibiographischer Roman. Berlin Verlag, Berlin 2004. 288 Seiten, 22 Euro.
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Ein " ... literarisches Kunstwerk von ungewöhnlicher Qualität." (Marcel Reich-Ranicki).