Produktdetails
  • Verlag: Gerstenberg
  • ISBN-13: 9783806745443
  • ISBN-10: 3806745447
  • Artikelnr.: 10731185
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.10.2002

Die Welt des Islams
Eine Einführung in Gegenwart und Geschichte
Das Beste an diesem Buch kommt zum Schluss: Es ist eine 60 Seiten starke, grafisch sehr gute Übersicht über 44 islamische Länder, von Marokko im Westen bis Indonesien im Fernen Osten. Man kann sich über die Wirtschaftslage informieren, die Staatsform, die Verteidigungs- und Bildungsausgaben, ob es Zensur gibt oder die Todesstrafe.
Die knappen Sachtexte, Zahlenreihen, Piktogramme sagen mehr als manche lange, komplizierte Analyse: Der Wohlstand in der islamischen Welt konzentriert sich im Wesentlichen in der arabischen Halbinsel und Malaysia. Eine mehr oder weniger strenge Zensur findet fast überall statt, das Missverhältnis zwischen Militär-, Gesundheits- und Bildungsetat ist oft erschreckend. Manches, was als Kampf der Kulturen oder Religionen interpretiert wird, ist eben doch ein soziales Problem – es zeigt sich aber auch, wie selten islamische Mehrheitsgesellschaft, Demokratie und Wohlstand zusammengehen.
Auch sonst gibt es viel anzusehen in dieser Einführung in eine Weltreligion. Der Band enthält wunderschöne Farbfotos von Moscheen und von Kalligrafien, Bilder von Mekka zur Pilgerzeit und von Muslimen aus der ganzen Welt. Dazwischen finden sich die knapp gehaltenen Texte des britischen Islamwissenschaftlers Paul Lunde, über die Grundlagen des muslimischen Glaubens, die Geschichte der islamischen Welt, ihre Kunst und Wissenschaft, über den heutigen Islam zwischen Tradition und Moderne. Lunde schreibt mit grundsätzlicher Sympathie für die Religion, verweist auf die Schönheit der Koranverse, die Kulturleistungen der Kalifen-Reiche, ohne die auch die westliche Moderne kaum denkbar wäre. Kritische Punkte wie die Stellung der Frau, die Frage, in welcher Form die Scharia heute gelten kann, spart Lunde nicht aus, bemüht sich aber um eine nüchterne Darstellung – eine Nüchternheit, die an manchen Stellen allerdings zur Angst vor dem Urteil wird.
Das größere Problem des insgesamt sehr informativen Buchs ist aber die Sprache. Warum muss ein Buch, zur Einführung gedacht, so mit Fremdwörtern voll gestopft werden, wo doch schon so viele arabische Begriffe unumgänglich sind? Warum muss es so umständlich, so schlecht formuliert sein? Die gute optische Darstellung wird manchmal geradezu karikiert – und wenn nicht der Autor daran Schuld ist, dann der Übersetzer. Jugendliche unterhalb des Oberstufenalters werden mit dem Text ihre Schwierigkeiten haben – und auch die Erwachsenen dürfen sich über schlechtes Deutsch ärgern.
Trösten können sich aber alle an den schönen Bildern und hervorragenden Grafiken, den wahren Schätzen dieses Buches.
MATTHIAS
DROBINSKI
PAUL LUNDE: Islam. Gegenwart und Geschichte. Aus dem Englischen von Andreas Kellermann. Mit zahlreichen Abbildungen. Gerstenberg Verlag 2002. 192 Seiten, 29,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Die Fotos in diesem Band, der Jugendliche in den Islam einführen will, findet Matthias Drobinski einfach "wunderschön", und auch die Übersichten über einzelne islamische Länder mit ihren Statistiken, Grafiken und Piktogrammen lobt er als sehr informativ. Der Textteil des Buches allerdings erregt eher seinen Unmut, auch wenn er nicht sicher ist, ob die Mängel eher dem britischen Autor oder dessen Übersetzer anzulasten sind. Auf jeden Fall ärgert er sich über viel zu komplizierte Sätze, über einen inflationären Gebrauch von Fremdwörtern und darüber, dass der Text "so umständlich, so schlecht formuliert" ist. Dennoch betont er den hohen Informationswert des Buches.

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