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Er gilt - nach Hitler - als das größte menschliche Ungeheuer der Geschichte. Mehr als 20 Millionen Menschen verloren während seiner Gewaltherrschaft ihr Leben. Gleichzeitig wurde er zum Übervater stilisiert, zum allwissenden und gerechten Lenker des Sowjetvolkes. Dieses Buch erzählt die Geschichte der Sowjetunion unter Stalin.

Produktbeschreibung
Er gilt - nach Hitler - als das größte menschliche Ungeheuer der Geschichte. Mehr als 20 Millionen Menschen verloren während seiner Gewaltherrschaft ihr Leben.
Gleichzeitig wurde er zum Übervater stilisiert, zum allwissenden und gerechten Lenker des Sowjetvolkes.
Dieses Buch erzählt die Geschichte der Sowjetunion unter Stalin.
Autorenporträt
Der Fotojournalist Mark Grosset (1957-2006) war langjähriger Leiter der renommierten französischen Fotoagentur RAPHO und Mitglied der Jury für den"World Press Photo Award". In der Sowjetunion hatte er Zugang zu bislang unbekannten Archiven, Sammlungen und Privatbeständen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.02.2009

Terror und Aufbruch
Das Erbe der Stalin-Ära ist komplexer als das der Nationalsozialisten – eine fotografische Dokumentation
Mit wachsender Skepsis wird international die zunehmende Stalin-Nostalgie in Russland beobachtet. Dass Stalin auf kirchlichen Ikonen Seit’ an Seit’ neben Heiligen auftaucht, dass gar Petersburger Kommunisten seine Heiligsprechung fordern, mag noch als Groteske à la Gogol durchgehen. Dass in einem offiziösen Lehrerhandbuch der Diktator als effizienter Manager dargestellt und das Ausmaß seines Terrors kleingeredet wird, ist schon problematischer. Allzu vordergründige Analogien zum Hitler-Regime, denen man in diesem Zusammenhang immer wieder begegnet, greifen aber zu kurz, weil sie nicht erklären können, woran die Nostalgie anknüpft. Das Erbe der Stalin-Ära ist komplexer und vielschichtiger als das der Nationalsozialisten, die außer Leid, Zerstörung, Schuld und Schande nichts von Belang hinterlassen haben.
Bei Stalin hingegen sind der Terror und der rasante Aufbruch in die industrielle Moderne untrennbar miteinander verbunden. Der prinzipiell durchaus mögliche Weg einer nichtstalinistischen Modernisierung ohne Terror und Hunger war versperrt und bildet gegenwärtig kein Diskussionsthema, die faktisch vollzogene Industrialisierung aber war eine der entscheidenden Voraussetzungen dafür, dass die Sowjetunion dem deutschen Vernichtungsangriff standhalten und den zentralen Beitrag zur Zerschlagung des NS-Regimes leisten konnte. Die imperialen Versklavungspläne Hitlers wurden durchkreuzt und Stalins Sowjetunion ging aus dem blutigsten Kampf des neuzeitlichen Europa als Weltmacht hervor – ein Status, der mit der eigenen Atombombe 1949 gefestigt wurde. Ein starker Staat, ein aus dem Kreis der Weltkriegssieger hervorgegangener global player und dabei ein despotisches, chauvinistisch-imperialistisches und antisemitisches Regime – das war das Endresultat der Stalin’schen Herrschaft.
Was es bedeutete, unter dieser Herrschaft zu leben und vor allem, wie es sich darstellte, zeigt in einer eindrucksvollen Bilderfülle der großformatige Band von Mark Grosset und Nicolas Werth. Der 2006 im Alter von nur 49 Jahren verstorbene Mark Grosset war lange leitend in einer Fotoagentur tätig und ein wichtiger Kenner und Förderer dokumentarischer Fotografie. Seit der Öffnung der Sowjetunion Ende der 80er Jahre spezialisierte er sich vor allem auf die russische. Grosset hat die meisten der in dem Band publizierten Aufnahmen aufgespürt. Viele stammen von Klassikern des sowjetischen Fotojournalismus, wie etwa Jewgenij Chaldej. Bilder aus dem Gulag – Zeichnungen und Fotos – steuerte die Vereinigung „Memorial” bei, mit der der Autor des Textteils, Nicolas Werth, seit langem zusammenarbeitet.
Werth, der als Kulturattaché der französischen Botschaft mehrere Jahre in der UdSSR gelebt hat, ist einer der profiliertesten westlichen Historiker der Sowjetunion unter Stalin, insbesondere der Geschichte des Terrors. Seine ebenso konzise wie souveräne Darstellung der Geschichte jenes ereignisreichen Vierteljahrhunderts von 1928 bis 1953, in dem Stalin als totalitärer Diktator die Geschicke der Sowjetunion lenkte, gibt dem Band sein historisches Rückgrat und wirkt zuweilen auch als Korrektiv. Denn keineswegs alle Aspekte sind fotografisch angemessen repräsentiert. Das liegt in der Natur der Sache. „Ihr Fotografen seid gefährliche Leute”, zitiert Grasset in seiner Fragment gebliebenen Einführung Lenin. Auch Stalin wusste das – und ließ Fotografie wie andere Medien zensieren. So finden sich in der Sammlung sehr viel mehr Aufnahmen, die den mit der Zwangskollektivierung verbundenen offiziellen Anspruch illustrieren, als solche, die das tatsächlich produzierte Elend dokumentieren, denn letztere sind sehr rar. Doch die Bildtexte geben durchweg die nötige kritische Orientierung. Diesen Bildband muss man auf jeden Fall auch lesen.
Angesichts der Fülle und Vielfalt der Aufnahmen kann man allerdings auch durch einfaches Blättern manches besser begreifen lernen. Die schnelle Modernisierung wird anschaulich, wenn man von den Pferdekutschen und Ochsengespannen der späten 20er Jahre über die kleine Kolonne der ersten Autos sowjetischer Produktion, die 1930 das Werk in Nischnij-Nowgorod auf den dortigen ungeteerten Straßen verließen, zu der Abbildung kommt, die Autos und Fußgänger auf dem Weg zum Moskauer Dynamo-Stadion zeigt, wo 1945 die erste Fußballmeisterschaft der UdSSR stattfand: Das letzte Bild gibt schon einen Vorgeschmack, auf die Staus, die heute das Straßenbild der russischen Hauptstadt prägen. Und als ungleichzeitigen Kontrapunkt stößt man auf die Bauern und Bäuerinnen mit ihren weißen Kopftüchern, die sich 1951 irgendwo in der Ukraine auf einem Acker niedergelassen haben, um die Darbietung eines Wander-Freilichtkinos zu genießen. Auch das Kriegselend und der sich zur Apotheose steigernde Stalin-Kult lassen sich bildlich gut nachvollziehen.
Der Band ist in drei Hauptteile gegliedert, die dem Modernisierungsaufbruch der 30er Jahre und seiner „schwarzen Seite”, dem fotografisch wenig dokumentierten Terror, dem Großen Vaterländischen Krieg – dem echten und dem inszenierten Heroismus, der nazistischen Barbarei sowie den Nachkriegsjahren gewidmet sind. Das Buch bringt reizvolle fotografische Seitenblicke auf unbekannte oder unbeachtete Aspekte des Lebens in der Stalin-Ära. Die Gefahr des Abgleitens in eine verharmlosende Alltagsperspektive oder einen apolitischen Fotoästhetizismus besteht niemals: Die Zusammenstellung der Aufnahmen, die Bildtexte und die kenntnisreiche Darstellung Werths beugen dem vor. JÜRGEN ZARUSKY
MARK GROSSET, NICOLAS WERTH: Die Ära Stalin. Leben in einer totalitären Gesellschaft. Aus dem Französischen übersetzt von Enrico Heinemann. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2008. 256 Seiten, 250 Abb., 49,90 Euro.
Zur Apotheose gesteigerter Stalin-Kult: Hier ein Bild des Diktators als „Freund aller Kinder” in einem Pionierlager 1951. Foto: Theiss Verlag
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Sehr beeindruckt ist Jürgen Zarusky von diesem Band, der mit einer Fülle von Fotografien Stalins "despotische, chauvinistisch-imperialistische und antisemitische" Ära dokumentiert. Zusammengestellt hat sie der französische Fotograf Mark Grosset, der dabei nicht nur eine Vielzahl klassischer Aufnahmen, etwa von Jewgenij Chaldej, verwendet hat, wie Zarusky informiert, sondern auch Bilder aus dem Gulag, die die Organisation Memorial beigesteuert hat. Besonders gut gefällt dem Rezensenten, dass die Bilder nie in eine verharmlosende Alltagsperspektive abglitten. Angesichts der strikten Zensur, die in der Sowjetunion herrschte, weist Zarusky darauf hin, dass nicht alle Aspekte des sowjetischen Lebens hinreichend repräsentiert sein können, dies machten allerdings die Texte des Historikers Nicolas Werth wieder wett: Diesen Bildband muss man auf jeden Fall auch lesen."

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