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· 45 Bände mit den Lebensläufen der großen Renaissancekünstler· Insgesamt 8.800 Seiten mit 1.750 überwiegend farbigen Abbildungen auf hochwertigem Papier in handlichem Reiseformat

Produktbeschreibung
· 45 Bände mit den Lebensläufen der großen Renaissancekünstler· Insgesamt 8.800 Seiten mit 1.750 überwiegend farbigen Abbildungen auf hochwertigem Papier in handlichem Reiseformat
Autorenporträt
Giorgio Vasari, 1511-1574, der große Mann aus Arezzo in der Toskana, war ein Universalgenie: Maler, Architekt (Baumeister der Uffizien), Berater der Medici, Kunstsammler und Historiker. Die Leben der berühmtesten Künstler, kurz: Le vite, sind sein Hauptwerk.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.11.2015

Die Schrullen der Schöpfer
In seinen Lebensbeschreibungen hat Giorgio Vasari die Künstler geerdet und dann manchen von ihnen den Himmel gegönnt:
Nun ist die neu übersetzte, kommentierte Gesamtedition der „Vite“ abgeschlossen
VON KIA VAHLAND
So umfangreich wie die Bibel sei Giorgio Vasaris Vitenwerk bedeutender Künstler vom 13. bis zum 16. Jahrhundert, schreiben die Herausgeber der just vollendeten deutschen Gesamtedition. Natürlich ist jeder Vergleich mit der Heiligen Schrift vermessen. Gerade deshalb passt er so gut zu diesem Autor, nicht nur, was Seitenzahl und Kommentierungsbedarf der Texte betrifft. Was hat Vasari (1511–1574), der gelernte Maler, nicht alles getan, um die Künstler erst zu Menschen zu machen und dann zu Göttern. Menschen mussten sie werden, um die im intellektuellen Leben führenden Schriftsteller herauszufordern, um aufzusteigen aus der anonymen Masse der Handwerker und sich als Individuen zu entfalten – was hieß, alle Schrullen öffentlich auszuleben, bis hin zur Lächerlichkeit. Andrea del Sarto steht bei Vasari unter dem Pantoffel seiner Frau, Pontormo ist ein Hypochonder, Parmigianino ein Alchimist, Paolo Uccello ein Käse-Phobiker. Leonardo da Vinci füllt sein Zimmer mit aufgeblähten Hammeldärmen. Michelangelo müffelt, weil er vor lauter Arbeitseifer in Stiefeln schlafen geht. Alles nur erfunden? Wahrscheinlich. Aber wirkungsvoll. Man muss sie einfach mögen, Vasaris zwischen Genie und Wahn balancierende vormoderne Neurotiker.
  Nachdem der Kunst- und Klatschautor seine Figuren geerdet hat, gönnt er manchen von ihnen den Himmel. Seine vom Fortschrittsglauben getränkte Biografiensammlung nimmt sich das Christentum zum Vorbild mit der Dreiteilung der Epochen vor dem Gesetz (bis Moses), unter dem Gesetz (bis Christus) und unter der Gnade. Die längste Biografie ist die des Michelangelo, und das ist nicht nur beider Freundschaft geschuldet: Vasari braucht diese Figur, um die menschliche Kreativität mit göttlicher Schaffenskraft mindestens gleichzusetzen. Wenn Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle zeigt, wie der Allmächtige den Adam per Fingerzeig belebt, dann tut er dies, so Vasari, „um die Vollkommenheit der Kunst und die Größe Gottes“ zu zeigen. In dieser Reihenfolge.
  Diese Hybris, es Gott mit dem Pinsel oder dem Meißel zeigen zu wollen, konnte sich so nur in der Hochrenaissance entfalten. Pico della Mirandolas „Rede über die Würde des Menschen“ feierte schon 1496 die Willensfreiheit des Menschen, der Gottes Ebenbild ist. Und im frühen 16. Jahrhundert florierte die Dichtung, die in der italienischen Schriftsprache Maßstäbe setzte und im Anschluss an Francesco Petrarca um Emotionalität und Individualität rang. Vasari entschuldigt sich am Schluss seiner Viten, dass er den stilistischen und orthografischen Maßstäben der Literaten nicht immer gerecht werde. Das aber hat, wie er betont, Programm: „Ich habe als Maler geschrieben, und zwar in der Sprache, die ich spreche, sei sie nun florentinisch oder toskanisch.“ Er wolle Fachausdrücke der Künstler verwenden, ihre Techniken in ihren Worten beschreiben und überliefern.
  Tatsächlich gehört das zu Vasaris großen Leistungen, wie die wortgetreuen Neuübersetzungen des Kunsthistorikerteams um Alessandro Nova vom Kunsthistorischen Institut in Florenz und der Universität Frankfurt wunderbar deutlich machen: Dieser Autor schreibt zwar plastischer als viele Romanautoren, streut seine Anekdoten gezielt ein, versteht sich auf Spannungsbögen und Pointen – doch im Herzen ist er ein Künstler, der vom Bild kommt, nicht vom Wort.
  In der seit 2004 in 45 Büchern plus Supplementband erschienenen Gesamtausgabe finden sich Farbfotografien der besprochenen Werke und Verzeichnisse ihrer Orte. Soviel Anschauungs- und Reisehilfe konnte Vasari selbst seinen zeitgenössischen Lesern nicht beigeben, er musste beschreiben, was er sah. Und er beobachtete in der Kunst weit mehr, als es viele Literaten und Literaturwissenschaftler tun, die sich bis heute gerne über Bilder auslassen, diese aber auf ihren Inhalt, ihre Interpretierbarkeit reduzieren, anstatt sich auf visuelle Logik einzulassen.
  Nicht so Vasari. Er erfand die moderne Bildbeschreibung und brachte es vor allem deswegen zum (Über-)Vater der Kunstgeschichte. So wenig einfallsreich er selbst als Maler war, so gut konnte er sich in die Erfindungsgabe seiner Kollegen hineinversetzen. Er wirkt, als stünde er neben Parmigianino, während der sich in seinem konvexen Barbierspiegel betrachtet. „Als er dabei jene bizarren Effekte sah, die die Wölbung des Spiegels hervorbringt, wodurch die Deckenbalken sich krümmen und biegen und die Türen und alle Gebäude auf seltsame Weise fluchten, bekam er aus einer Laune heraus Lust, alles täuschend echt nachzuahmen.“ Was Parmigianino dann auch auf einer hölzernen Halbkugel tat: „Da alle Dinge, die man dem Spiegel nähert, größer werden und jene, die man entfernt, sich verkleinern, schuf er eine etwas groß geratene, zeichnende Hand, wie sie der Spiegel zeigte.“ Es folgt die übliche Anmaßung: Weil der Maler „eher das anmutige Gesicht und Aussehen eines Engels als das eines Menschen besaß, wirkte sein Abbild in dieser Kugel wie etwas Göttliches.“
  Heikel muss es gewesen sein, noch 1568, als die Gegenreformation schon wütete, die katholische Lehre derart zu strapazieren. Vier Jahre zuvor war Michelangelo gestorben, selbst er hat sich am Ende seines Lebens mit päpstlichen Eingriffen herumärgern müssen.
  Tatsächlich wirkt Vasaris Ausgabe von 1568 an manchen Stellen vorsichtiger, diplomatischer als seine furios geschriebene Erstausgabe von 1550. Unterschiede der beiden Editionen werden im Anmerkungsapparat diskutiert, wirklich zu Ende gebracht ist das Florentiner und Frankfurter Vasari-Projekt aber erst, wenn auch die Erstausgabe zumindest online publiziert ist (was ebenfalls beim Wagenbach-Verlag geschehen soll). Dann wird sich etwa ermessen lassen, welchen Einfluss die innerkatholischen Reformbewegungen des mittleren 16. Jahrhunderts auf die Kunst hatten und wie die Gegenreformatoren Bestrebungen nach künstlerischer Autonomie zügelten.
  Wenn es nicht gerade um seinen Künstlerstolz geht, ist Vasari Opportunismus nicht fremd. Für seine Dienstherrn, die Medici, tat er alles. So sind die „Vite“ auch eine patriotische Propagandaschlacht der damaligen Toskanafraktion – auf Kosten der nicht minder interessanten Maler aus Venedig, der Lombardei, Franken und den Niederlanden. Sie wurden belächelt und kunsttheoretisch abgewatscht. Manch einer geriet durch Vasaris Polemiken unverschuldet in Vergessenheit.
  Seine mediale Macht wusste das „Schandmaul“ (so Baccio Bandinelli, ein Betroffener) zu missbrauchen, er stand darin dem Literaten Pietro Aretino nicht nach. Doch Vasari setzte mit seinen Anekdoten ein Menschenbild durch, das der Kreativität, nicht dem Schicksal verpflichtet ist. Mag sein, dass wir heute auch unter den Folgen leiden, unter der internalisierten Pflicht zur Selbstverwirklichung und Besonderheit. Aber wer wollte auf eigene und fremde Schrullen verzichten und zurückkehren in Massengesellschaften ohne Käseallergiker und Exzentriker.
      
Giorgio Vasari: Gesamtedition. 45 Bände plus Supplement, 8800 Seiten, Wagenbach Verlag, Berlin 2004–2015. Bis 31. Dezember kosten alle Bände 598 Euro, danach 660 Euro. Auch einzeln erhältlich.
Vasari war ein Schandmaul, sagen
seine Opfer. Und ein Patriot,
der Werke von Ausländern verriss
„Gesicht eines Engels“: Parmigianinos Selbstporträt im konvexen Spiegel aus dem Jahr 1524.
Foto: oh, Kunsthistorisches Museum Wien
Ein Titelbild der Viten Vasaris.
Foto: oh
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