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Die Unzufriedenheit mit den Institutionen der Demokratie wächst. Die Wahlbeteiligung geht auf allen Ebenen zurück, die etablierten Parteien verlieren an Zuspruch und Protestereignisse häufen sich. Gleichzeitig rufen die Bürger nach anderen und besseren Formen der Partizipation. Welche Ursachen stehen hinter diesen Entwicklungen? Wie lassen sich neue Beteiligungsangebote in das vorhandene Regierungssystem integrieren? Führen solche Angebote zu einer breiteren Interessenberücksichtigung oder verschärfen sie die politische und soziale Ungleichheit? Diesen Fragen geht das vorliegende Buch nach.…mehr

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Produktbeschreibung
Die Unzufriedenheit mit den Institutionen der Demokratie wächst. Die Wahlbeteiligung geht auf allen Ebenen zurück, die etablierten Parteien verlieren an Zuspruch und Protestereignisse häufen sich. Gleichzeitig rufen die Bürger nach anderen und besseren Formen der Partizipation. Welche Ursachen stehen hinter diesen Entwicklungen? Wie lassen sich neue Beteiligungsangebote in das vorhandene Regierungssystem integrieren? Führen solche Angebote zu einer breiteren Interessenberücksichtigung oder verschärfen sie die politische und soziale Ungleichheit? Diesen Fragen geht das vorliegende Buch nach. Die Studie basiert auf einer repräsentativen Umfrage im Land Nordrhein-Westfalen, deren Ergebnisse im Kontext aktueller demokratietheoretischer und -politischer Debatten interpretiert werden.
Autorenporträt
Frank Decker, geb. 1964, Dr. rer. pol., Dipl.-Pol., Professor für Politische Wissenschaft an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Marcel Lewandowsky, geb. 1982, Dr. phil., M.A., Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politikwissenschaft der Leuphana-Universität Lüneburg. Marcel Solar, geb. 1984, M.A., Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.08.2013

Dem Nichtwähler auf der Spur
Suche nach Symptomen für die Legitimationskrise des demokratischen Systems

"Wird's besser, wird's schlimmer, fragt man alljährlich." Auf die Politikwissenschaft trifft Erich Kästners Beobachtung zweifellos zu. Schließlich ist es ihre Aufgabe, dem demokratischen Gemeinwesen ständig den Puls zu fühlen. Gefahren drohen auf Schritt und Tritt. "Seien wir ehrlich", schlussfolgert der Dichter: "Leben ist immer lebensgefährlich." Frank Decker und seine Mitautoren sehen den Gefahren für das politische System ähnlich gelassen ins Auge. Den etwas alarmistischen Titel "Demokratie ohne Wähler?" entdramatisieren sie gleich im Vorwort: "Den Verfassern ist um die künftige Entwicklung nicht bange."

Etwas salopp nehmen sie damit das Ergebnis ihrer Analyse aktueller Trends in der Wählerforschung vorweg. Ganz ähnlich die Einschätzung von Siegfried Schiele, der ebenfalls ein Fragezeichen hinter seinen Titel setzt: "Demokratie in Gefahr?" Schiele kommt freilich ohne Analyse aus. Stattdessen lässt er seiner Aufzählung diverser Krisensymptome sehr persönliche Betrachtungen folgen, selten mehr als Gesundbeterei.

Wählerschwund, Protestparteien, Politikverachtung werden seit Jahren als Symptome für eine Legitimationskrise des demokratischen Systems diskutiert. Über ihre Ursachen und über die Möglichkeiten, diese Symptome zu kurieren, gehen die Meinungen freilich auseinander. Decker, Marcel Lewandowsky und Marcel Solar haben die einschlägige Partizipationsliteratur gesichtet und zunächst einige Grundkonflikte herausgearbeitet: die langsam, aber stetig abnehmende Zustimmung zur Demokratie als Herrschaftsform, das schwindende Vertrauen in die Repräsentanten des Volkes, das periodisch wachsende Verlangen nach mehr direkter Partizipation sowie die Erwartung, dass das demokratische Gleichheitsprinzip sich auch auf soziale Gleichheit erstrecken müsse. Letztere teilen die Autoren zwar nicht, doch sehen sie gerade in der zunehmenden sozialen Spaltung der Gesellschaft problematische Rückwirkungen auf das Funktionieren des Systems. Die wirtschaftlich Abgehängten seien politisch weniger aktiv und folglich auch weniger repräsentiert. Das schüre Unzufriedenheit mit der Demokratie und schwäche ihre Legitimationsbasis - ein circulus vitiosus.

Kann dieser Teufelskreis mit neuen Formen der Wählerbeteiligung durchbrochen werden? Diese Frage steht im Mittelpunkt der Untersuchung. Anhand einer etwas umständlichen Typologie der Partizipationsformen erstellten die drei Autoren einen Fragenkatalog, den das Institut Infratest dimap 1000 Personen in Nordrhein-Westfalen vorlegte. Unter anderem zeigen die Ergebnisse, dass der hohen Wertschätzung für direktdemokratische Verfahren relativ schwache Beteiligungen an Plebisziten gegenüberstehen. Die Autoren erklären das mit zu hohen Beteiligungshürden und zu starken thematischen Einschränkungen bei der Zulassung von Volksabstimmungen. Allerdings lässt ein großer Teil der Befürworter von Plebisziten selbst Vorbehalte gegenüber Volkes Stimme erkennen.

Mit Skepsis verfolgen die Autoren Versuche der Parteien, ihren Mitgliederschwund durch Mitmachinitiativen oder sogenannte Schnuppermitgliedschaften aufzuhalten. Auch die vielbeachtete "Liquid Democracy" ist bisher nur eine Luftnummer. In ihrer Fixierung auf das Internet und die Piraten entgeht den Autoren, dass dem Niedergang der Wahlbeteiligung auch eine abnehmende Nutzung traditioneller Medien entspricht. Ein wesentlicher Grund für die Entfremdung zwischen Wählern und Gewählten bleibt damit unterbelichtet. Insgesamt, so der tröstliche Befund, werden von allen Angeboten an politischer Betätigung - Demonstrationen, Bürgerinitiativen, Diskussionsveranstaltungen, Online-Aktionen - die Wahlen immer noch weitaus am meisten angenommen.

Bei der Aufschlüsselung der Ergebnisse nach sozialen Merkmalen fiel dem Autorentrio aber ins Auge, dass "der Rückgang der Wahlbeteiligung im Zeitraum 1984 bis 2008 aus den unteren Schichten gespeist wurde". Zuletzt machte sich das bei der Abstimmung über die Schulreform in Hamburg bemerkbar, wo sich in den gutsituierten Stadtteilen bis zu sechzig Prozent der Abstimmungsberechtigten beteiligten, in den Problemvierteln zum Teil weniger als zwanzig Prozent. Die Forschung habe das Problem der sozialen Selektivität zu wenig beachtet, beklagen die Autoren. Das allgemeine und gleiche Wahlrecht werde zur Farce, wenn die benachteiligten Gruppen der Gesellschaft keinen Gebrauch davon machten. Mit Wahlrechtsreformen oder erleichterten Volksabstimmungen sei der sozialen Spaltung allerdings nicht beizukommen.

So endet der Gang durch das Labyrinth verfasster und informeller Beteiligungsformen mit einem Appell an die Politik, den gesellschaftlichen Zusammenhalt durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen sowie Investitionen in Bildung, Kinderbetreuung und Gesundheit zu fördern. Immerhin enthält diese auf Nordrhein-Westfalen fokussierte Studie eine Fülle empirischer Befunde, die durch den Abgleich mit anderen einschlägigen Analysen einen umfassenden Einblick in die aktuelle Partizipationsforschung gewähren. Ein blinder Fleck bleibt die Mediennutzung, die schließlich auch ein Indikator für soziale Spaltung gewesen wäre.

Siegfried Schiele wirft zwar die Frage nach der Rolle der Medien in der Demokratie auf, behandelt sie aber ebenso oberflächlich wie die 23 anderen Themen, die er abklappert. Sein Büchlein beruht auf Lesefrüchten aus der "Zeit", die er auf großväterliche Art kommentiert. Ja, "die ältere Generation weiß noch aus eigenem Erleben, dass die Demokratie nicht vom Himmel fällt. Sie muss ständig neu errungen werden." Von einem aufklärerischen Ringen ist bei ihm aber nichts zu spüren. Der Rückgang der Wahlbeteiligung ist für Schiele "Anlass, den Gründen nachzuspüren und zu überlegen, was man gegen diese Ermüdungserscheinungen tun kann". Damit hat es sich schon. Letztlich desavouiert Schiele, der 28 Jahre lang die Landeszentrale für politische Bildung in Baden-Württemberg geleitet hat, mit seinem Zettelkasten-Aufguss sogar sein Plädoyer für die Einrichtungen der politischen Bildung. Diese Schrift wird keinen Nichtwähler vom Sofa holen.

STEFAN DIETRICH

Frank Decker/ Marcel Lewandowsky/ Marcel Solar: Demokratie ohne Wähler? Neue Herausforderungen der politischen Partizipation. Dietz Verlag, Bonn 2013. 205 S., 18,- [Euro].

Siegfried Schiele: Demokratie in Gefahr? Wochenschau Verlag, Schwalbach/Taunus 2013. 126 S., 14,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die Gelassenheit der Autoren dieses Sammelbandes zum Thema Wählerpartizipation steht laut Stefan Dietrich im Widerspruch zum alarmistischen Buchitel. Dass die Autoren das Ergebnis ihrer Arbeit bereits im Vorwort ausplaudern, schmälert Dietrichs Lektüregewinn zwar ein wenig. Die Grundkonflikte, etwa den Zusammenhang zwischen sozialer Spaltung und Wählerbeteiligung, lässt sich der Rezensent dennoch gerne auseinandersetzen, um sodann mit den Beiträgern zu fragen: Wie lässt sich das lösen? Jedenfalls nicht mit den Schnuppermitgliedschaften der Parteien, wie Dietrich hier lernt. Den Konnex zwischen abnehmender Nutzung traditioneller Medien und schwindender Wahlbeteiligung hätten die internetfixierten Autoren indessen durchaus erkennen dürfen, findet der Rezensent. Die auf Nordrhein-Westfalen fokussierte Studie bietet ihm allerdings einen empirisch geerdeten Überblick über mögliche Beteiligungsformen.

© Perlentaucher Medien GmbH