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Vom frühen Ende einer Jugend und dem späten Aufbruch in die Gegenwart erzählt dieses bemerkenswerte Debüt..
Ein Roman über einen zeitgenössischen Jedermann, der aus seinem Lebenshalbschlaf aufgeschreckt wird - erzählt in so unaufgeregter wie präziser Sprache, unter deren Oberfl äche Poesie und Schrecken lauern. Als Joscha Farnbach, Angestellter einer Druckerei, den Auftrag erhält, einem säumigen Lieferanten ins Gewissen zu reden, gerät sein ruhig dahinfl ießendes Leben aus dem Tritt. Seine Flucht vor den Dämonen der Vergangenheit gerät zu einer Suche nach neuer Selbstsicherheit: Er muss…mehr

Produktbeschreibung
Vom frühen Ende einer Jugend und dem späten Aufbruch in die Gegenwart erzählt dieses bemerkenswerte Debüt..

Ein Roman über einen zeitgenössischen Jedermann, der aus seinem Lebenshalbschlaf aufgeschreckt wird - erzählt in so unaufgeregter wie präziser Sprache, unter deren Oberfl äche Poesie und Schrecken lauern.
Als Joscha Farnbach, Angestellter einer Druckerei, den Auftrag erhält, einem säumigen Lieferanten ins Gewissen zu reden, gerät sein ruhig dahinfl ießendes Leben aus dem Tritt. Seine Flucht vor den Dämonen der Vergangenheit gerät zu einer Suche nach neuer Selbstsicherheit: Er muss sich der Tatsache stellen, dass Verluste zum Leben gehören, um zu begreifen, was er besitzt.
Autorenporträt
Lehmann, Andreas
Andreas Lehmann, geboren in Marburg, hat Buchwissenschaft, Amerikanistik und Komparatistik in Mainz studiert, arbeitet in einem Sach- und Fachbuchverlag und lebt in Leipzig. Er war zwei Mal Teilnehmer des Open Mike-Wettbewerbs der Literatur werkstatt Berlin, und er hat Werkstattstipendien der Jürgen-Ponto-Stiftung, der Autorenwerkstatt Prosa des Literarischen Colloquiums Berlin und der Romanwerkstatt im Brechtforum Berlin erhalten.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.12.2018

Der Komet
und das Büro
Stark: Andreas Lehmanns Debütroman „Über Tage“
So etwas hat man hierzulande lange nicht mehr zu lesen bekommen: Angestellten-Prosa im Nachklang der späten Siebziger, Erkundungen der Arbeitswelt. Geschrieben hat sie ein Debütant, der 1977 in Marburg geborene, in Leipzig lebende Autor Andreas Lehmann. Max von der Grüns Roman „Irrlicht und Feuer“ (1963) über die Arbeitsbedingungen in den Zechen, Erika Runges „Bottroper Protokolle“ (1968), Wilhelm Genazinos Siebzigerjahre-Trilogie um den Speditionsangestellten „Abschaffel“ hatten Berichte aus der Arbeitswelt und das Innenleben der Angestellten zu einem festen Bestandteil der bundesrepublikanischen Literatur gemacht.
In „Über Tage“ erzählt Andreas Lehmann die Geschichte des Joscha Farnbach, der an den Riten und allzu statischen Büroabläufen der Druckerei, für die er als Papiereinkäufer arbeitet, leidet und darüber von wiederkehrenden kurzen Blackouts heimgesucht wird. Er tut es in Form von Sätzen, die so exakt aneinandergereiht sind wie die Akten, die in Farnbachs Büro stehen. Und er tut es langsam.
Lehmanns Debütroman hat weder dezent parfümierte Melancholie zu bieten noch satte Glanzlichter eines weltläufigen Weltschmerzes. Dafür aber erzählerische Genauigkeit im Porträt eines Mannes, der Ruhe und Selbstvergessenheit sucht – und stattdessen überall auf Lärm stößt. Als Farnbach gefordert wird, schert er aus. Was ihn umgibt, ist funktionale Lieblosigkeit. Doch sein Autor klagt die Zustände nicht an, er zeigt sie.
Zu Beginn erhält Farnbach von seinem Vorgesetzten den Auftrag, nach Augsburg zu fahren, um mit einem Papier-Lieferanten bessere Lieferkonditionen auszuhandeln. „,Mensch, Farnbach‘, unterbrach ihn Huber. ,Machen Sie denen doch endlich mal klar, was Sache ist. Ich glaube, Sie müssen ... Wissen Sie was: Fahren Sie hin. Fahren Sie nach Augsburg. Die dürfen ruhig ein bisschen Angst vor ihnen kriegen.‘“
Angst hat Farnbach selbst mehr als genug. Also reagiert er ausweichend. Erst steigt er in den falschen Zug, dann flüchtet er sich in ein kurzes Unwohlsein. So beschränkt sich das Ganze zunächst auf die Schilderung von Farnbachs Büroalltag. Wiederholt zoomt die Erzählkamera in die Tiefen grauer Flure, Farnbachs Geschichte spielt sich im Kleinen, Enggefassten ab – zwischen routiniert ausgeführten Arbeitsabläufen, den Zugfahrten nach Hause und dem überwiegend sprachlosen Zusammensein mit seiner Freundin Tanja, mit der er die Wohnung teilt.
Gekonnt verschneidet Lehmann, der Buchwissenschaft und Amerikanistik in Mainz studiert hat und Teilnehmer der Autorenwerkstatt Prosa des Literarischen Colloquiums Berlin war, Farnbachs Wahrnehmungen zu Stillleben einer Horrorwelt, die das Gefühl leerlaufender Gleichförmigkeit hervorrufen. In seinem Hang zur Deskription wirkt der Roman manchmal wie ein bewusster Rückgriff auf den in den Sechzigerjahren von Dieter Wellershoff propagierten „Neuen Kölner Realismus“, aus dessen Geist heraus damals die ersten literarischen Arbeiten von Autoren wie Nicolas Born, Günther Seuren oder Günther Steffens entstanden.
Wellershoff hatte sich an den Erzählverfahren des französischen Nouveau Roman orientiert, an den minutiösen Oberflächenbeschreibungen wiederkehrender Zustände und Zusammenhänge. Diese Technik benutzt Lehmann mit bemerkenswerter sprachlicher Präzision. Mit ihr macht er den Alltag seines Bürogefangenen zwischen Schreibtisch, Vorgesetzten und kurzen Kantinengängen sichtbar. Und zugleich Farnbachs bloß noch flackerndes, schon viel zu lange überwaches Bewusstsein, das in einer Art permanentem Abwehrreflex gegen die Wirklichkeit anarbeitet und wie eine immerzu laufende Kamera funktioniert, die alles registriert.
Darin erinnert das Buch stellenweise an Walter E. Richartz’ satirischen „Büroroman“ aus dem Jahr 1976, in dem der Autor wie durch ein Elektronenmikroskop Figuren beobachtete, die permanent zwischen der Fiktion ihrer Wünsche und der Wirklichkeit ihres Büroalltags lavierten – und damit eine kleine Sozialgeschichte des deutschen Büroalltags jener Jahre lieferte.
Ganz langsam enthüllt uns Andreas Lehmann den eigentlichen Grund für die depressive Grundstimmung seines Protagonisten – und die damit verbundenen kurzen Absenzen, nämlich den früh erlebten, nie wirklich verarbeiteten Unfalltod seiner Eltern. Hinzu kommen Jugenderinnerungen, die sich immer stärker unter Farnbachs Alltagswahrnehmungen mischen. Bis es ihm immer schwerer fällt, die Balance zwischen Innen und Außen, zwischen der Arbeit und seiner Beziehung zu Tanja zu halten – und Farnbach darüber in eine Art inneres Vakuum stürzt. „Kometen, dachte Farnbach, sind die einzigen Körper, die sich seit der Entstehung des Universums nicht verändert haben. Dreizehneinhalb Milliarden Jahre. Er blickte in seinen Tee. Die Tasse war nur noch halb voll, er konnte bis auf ihren Grund sehen.“
Über Himmelskörper weiß Farnbach so ziemlich alles – wie er aber den dumpf in sich wütenden Schmerz in den Griff kriegen soll, weiß er nicht. So irrlichtert er durch die Tage. Seine Freundin Tanja stellt irgendwann mit Blick auf ihre Beziehung die Sinnfrage – und auch, als es Farnbach im zweiten Anlauf gelingt, das Abenteuer Augsburg im Sinne seines Chefs zu bestehen, kommt er nicht heraus aus seinem gefängnisartigen Denkkino, in dem die immer gleichen Erinnerungsfilme laufen.
Erst als Tanja, die zwischenzeitlich auf Abstand gegangen ist, plötzlich auf dem Klassentreffen, zu dem er gefahren ist, vor ihm steht, und sagt, „Ich will, dass wir zusammen sind, Joscha. Wirklich zusammen, okay? Es reicht nicht, dass wir uns nicht trennen!“, fällt bei ihm der Groschen. Nun kann ihn auch die nächtliche Kollision mit einem Reh nicht mehr aufhalten auf seinem nun gefundenen Weg zu sich selbst. „Tanja“ sagte Farnbach, „ich muss dir von Augsburg erzählen.“
Andreas Lehmanns Geschichte geht jede vordergründige Knalligkeit ab. Sie kommt leise daher und ist in Gefahr, überhört zu werden. Doch sie nagt am Leser, hat er sich einmal auf sie eingelassen und auf dieses in sich kreisende und dabei heiß laufende Ich des Helden. Mit ihm ist die literarische Erkundung der Arbeitswelt in der Gegenwart angekommen.
PETER HENNING
Andreas Lehmann: Über Tage. Roman. Karl Rauch Verlag, Düsseldorf 2018. 174 Seiten, 20 Euro.
Nur langsam enthüllt der Roman
den eigentlichen Grund für die
düstere Stimmung seines Helden
Über Himmelskörper weiß
Farnbach so ziemlich alles – über
sein inneres Vakuum eher wenig
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"Stark: kommt leise daher und nagt doch am Leser." Süddeutsche Zeitung