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Produktdetails
  • Verlag: Knecht, Frankfurt
  • Seitenzahl: 252
  • Abmessung: 24mm x 146mm x 219mm
  • Gewicht: 448g
  • ISBN-13: 9783782008501
  • ISBN-10: 3782008502
  • Artikelnr.: 24914408
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.12.2001

Sandalen zum Blauhelm
Ein deutscher General über das Innenleben der Vereinten Nationen

Manfred Eisele: Die Vereinten Nationen und das internationale Krisenmanagement. Ein Insider-Bericht. Verlag Josef Knecht, Frankfurt am Main 2000. 252 Seiten, 21,- Euro.

Dem Jugendalter sind die Friedenseinsätze der Vereinten Nationen (UN) längst entwachsen, obwohl ihnen bis heute mitunter die nötige Reife fehlt: Seit mehr als 50 Jahren bemächtigt sich die Völkergemeinschaft dieses ungewöhnlichen Instruments internationaler Friedenssicherung. Vorgesehen waren die wegen ihrer auffälligen Kopfbedeckung auch als "Blauhelme" bekannten multilateralen Einheiten keineswegs von Anfang an.

Im Mai 1948 beschloß der Sicherheitsrat, den labilen Waffenstillstand nach dem ersten arabisch-israelischen Krieg durch einen Einsatz vor Ort überwachen zu lassen. Zwei Wochen später traf eine Gruppe von 36 unbewaffneten Militärbeobachtern im Nahen Osten ein - es war der erste Friedenseinsatz der Weltorganisation. Seither entwickelte sich aus der Ursprungsidee, zwischen zwei Konfliktparteien eine neutrale Pufferzone zu errichten, ein ganzes Bündel an Einsatzvarianten, bei denen vor allem im vergangenen Jahrzehnt die Aufgabenfülle deutlich zunahm. Auch wenn Mißerfolge wie in Somalia oder Rückschläge wie auf dem Balkan einen prägenden Eindruck hinterlassen haben, genau betrachtet bleiben die "Blauhelme" ein beliebtes und häufig eingesetztes Mittel. Die Verleihung des Friedensnobelpreises im Jahr 1988 mag als stiller Beweis für die lange Liste (erfolgreich) abgeschlossener Missionen dienen.

Denn eigentlich ist es schon fast ein kleines Wunder, daß so heterogene Verbände, wie sie die Vereinten Nationen kennen, überhaupt etwas bewerkstelligen. Hürden und Hindernisse, die sich jedem Einsatz schon aus banalen Organisationsgründen in den Weg stellen, gibt es viele. Der frühere Beigeordnete Generalsekretär Manfred Eisele, der von 1994 bis 1998 als ranghöchster UN-Soldat bei den Vereinten Nationen diente, beschreibt die vielen kleinen praktischen Schwierigkeiten sehr anschaulich. Da treffen Soldaten aus aller Herren Länder aufeinander, die im günstigsten Fall der Glaube an die gute Sache eint, aber sicher nicht die Herkunft, Sprache oder Religion. Daß sich Befehlsketten unter solchen Bedingungen nur schwer lückenlos herstellen lassen, kann man sich leicht ausmalen. Ähnliches gilt für das Wertegerüst, das den einen den Genuß von Schweine-, anderen den Verzehr von Rindfleisch verbietet. Gebetszeiten und Feiertage können zu einem ernsten Problem werden. Schließlich variieren auch das Ausbildungsniveau und die Ausrüstung zum Teil ganz erheblich. So berichtet Eisele von einem Vorkommnis, bei dem die tapferen Soldaten aus einem Entwicklungsland mit bloßen Sandalen an den Füßen zum Dienst geschickt wurden.

Zwar haben die Vereinten Nationen eine ganze Menge unternommen in den vergangenen Jahren, um die gemeinsame Grundlage zu erweitern. Ein in allen Sprachen zugänglicher "Code of Conduct" erläutert den "Blauhelm"-Soldaten die Faustregeln jedes UN-Einsatzes, wie zum Beispiel: Gebrauch der Waffe nur zur Verteidigung, denn die normalen Regeln der Kriegführung gelten hier nicht. Daß es trotzdem immer wieder zu Pannen kommt, hat neben dem politischen Umfeld eines Konfliktes und den mitunter ungeschickt formulierten Mandaten des Sicherheitsrates auch schlicht mit einem Dilemma zu tun, das den Friedenstruppen gewissermaßen "angeboren" ist: Sie sollen neutral handeln und sich dabei im Zweifel auch über die Interessen ihres Heimatlandes hinwegsetzen.

Da die Vereinten Nationen selbst über keine Truppen verfügen, bleiben sie auf nationale Kontingente angewiesen, auf Soldaten, Polizisten oder Militärbeobachter, die im eigenen Land ausgebildet wurden und nach einer gewissen Zeit auch wieder dorthin zurückkehren. Für einige Monate in die Rolle des vollkommen uneigennützigem "Blauhelm"-Angehörigen zu schlüpfen mag nicht nur dem einzelnen zuweilen schwerfallen, auch die nationalen Regierungen versuchen nicht selten, über solche Truppenteile weiterhin Kontrolle auszuüben. Eisele beschreibt die damit verbundenen Schwierigkeiten im Detail, etwa, wenn Befehle erst nach langwieriger Rücksprache mit einem Landsmann akzeptiert werden.

Was der General aus seiner Zeit bei den Vereinten Nationen herausdestilliert hat, ist ein über viele Passagen hin spannendes Buch aus dem Innenleben der Weltorganisation. Die kleinen Begebenheiten sind es hier vor allem, die seine Schilderungen würzen. Abstraktere Abschnitte, etwa über die Arbeitsweise des Sicherheitsrats, beeindrucken dagegen weniger, weil sie in groben Zügen auch anderswo nachzulesen sind.

FRIEDERIKE BAUER

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Bei diesem Buch handelt es sich, wie Anette Bingemer gleich zu Anfang feststellt, um einen echten "Insider-Bericht" aus dem Inneren der Uno. Eisele hat von 1994 bis 1998 in der "Uno- Hauptabteilung für friedenserhaltende Maßnahmen" gearbeitet und weiß nun Interessantes aus dem konkreten Alltag der Uno-Operationen zu berichten. Es zeigt sich, wie schwierig es sein kann, den einzelnen Ländern Friedenstruppen abzuringen, einmal etwa bekam die Uno auf 86 Anfragen für eine Mission in Burundi gerade mal 12 Antworten, von denen 6 Absagen waren. Eisele benennt die "Strukturschwächen" der Uno und bleibt doch, wie Bingemer betont, überzeugt davon, dass es keine grundsätzlichen Alternativen gibt. Die Rezensentin ist angetan von der Nüchternheit seines Berichts, seine Vorschläge zur Erweiterung des Sicherheitsrats hält sie jedoch für unrealistisch.

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