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Das neue Werk des Historikers über Vorbedingungen und Geschichte der WeimarerRepublik und ihre Bedeutung bis in die Gegenwart Die Weimarer Republik, ungefestigte Demokratie zwischen dem bolschewistischen Willen zur Weltrevolution un der radikalfaschistischen Gegenbewegung des Nationalsozialismus, wurde zerrieben durch den Kampf der beiden gewalttätigen Ideologien, die im 20. Jahrhundert die Welt veränderten und das politische Denken breiter Bevölkerungsschichten beherrschten. Heute ist dieses Zeitalter Vergangenheit, und aus dem Historischwerden beider Ideologien ergibt sich die Chance der…mehr

Produktbeschreibung
Das neue Werk des Historikers über Vorbedingungen und Geschichte der WeimarerRepublik und ihre Bedeutung bis in die Gegenwart
Die Weimarer Republik, ungefestigte Demokratie zwischen dem bolschewistischen Willen zur Weltrevolution un der radikalfaschistischen Gegenbewegung des Nationalsozialismus, wurde zerrieben durch den Kampf der beiden gewalttätigen Ideologien, die im 20. Jahrhundert die Welt veränderten und das politische Denken breiter Bevölkerungsschichten beherrschten. Heute ist dieses Zeitalter Vergangenheit, und aus dem Historischwerden beider Ideologien ergibt sich die Chance der geschichtswissenschaftlichen Historisierung, deren oberste Maxime das Streben nach größtmöglicher Objektivität und damit nach historischer Wahrheit ist.
Autorenporträt
Ernst Nolte, Jahrgang 1923, Studium bei Martin Heidegger, 1952 Promotion, 1964 Habilitation, 1965-1973 Professor für Neuere Geschichte in Marburg, 1973-1991 am Friedrich-Meinecke-Institut der FU Berlin, Gastprofessuren und Forschungsaufenthalte u. a. an der Yale University, in Wassenaar, Cambridge und Jerusalem.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2006

Hitler als Globalisierungsgegner
Ernst Nolte spürt in der Weimarer Republik welthistorischen Tendenzen und aktuellen Bezügen nach / Von Wolfram Pyta

Das Buch folgt dem interpretatorischen Grundmuster, das sämtliche Werke Ernst Noltes bestimmt: daß die europäische Geschichte seit der russischen Oktoberrevolution 1917 von der fundamentalen Auseinandersetzung zwischen dem Kommunismus bolschewistischer Prägung und seiner extremen Gegenbewegung auf der politischen Rechten beherrscht worden sei. Nolte überträgt diese These ohne Abstriche auf die deutsche Geschichte zwischen 1918 und 1933 und gelangt so zu dem vorhersehbaren Resultat, daß die Weimarer Republik sich aus dem Würgegriff von Kommunismus und dessen schärfstem Widersacher, dem Nationalsozialismus, nicht habe befreien können. Ohne in einen historischen Determinismus zu verfallen und die Republik von Weimar als politische Totgeburt abqualifizieren zu wollen, schimmert bei Nolte dennoch die Grundansicht durch, daß das von ihm als "Musterbild einer liberal-demokratischen Verfassung" bezeichnete politische System aus strukturellen Gründen dem Ansturm der sich gegenseitig hochschaukelnden Extremismen von links und rechts habe erliegen müssen. Er betrachtet also die Weimarer Republik als Beziehungsgeschichte von Kommunismus und Nationalsozialismus.

Doch damit handelt er sich vier gravierende Strukturprobleme ein, die den heuristischen Wert seiner Studie stark einschränken. Zum einen gleitet Nolte zu weiten Teilen über die Entwicklungschancen der von ihm konsequent als "liberales System" apostrophierten Weimarer Republik hinweg. Erst in den Schlußbetrachtungen findet sich eine substantielle Würdigung der in den etwas mehr als vierzehn Jahren erbrachten Leistungen, die in der Äußerung münden, die Weimarer Republik sei "der erste Sozial- und Bildungsstaat der deutschen Geschichte" gewesen. Darüber hinaus erfährt der Leser viel zuwenig über die politische Dynamik innerhalb des Systems, geschweige denn von der kulturellen Lebenswelt und der Sozialstruktur. Dies mag auch der Proportionierung des Buches geschuldet sein, welche die eigentliche Geschichte auf 228 Seiten zusammendrängt, um danach auf 100 Seiten intellektuelle Vordenker aller politischen Strömungen zu porträtieren und zum Schluß einen dreißigseitigen bibliographischen Essay über zeitgenössische politische Broschürenliteratur einzuflechten.

Doch dahinter steckt wohl nicht der Luxus, knappen Raum mit eher abseitigen Ausführungen zu verschenken, sondern ein methodisches Grundanliegen des Autors, das zum zweiten Kernproblem seines Werkes führt: seiner Grundüberzeugung, daß welthistorische Ideen letztlich aus sich alleine heraus Wirkung entfalten. Dabei seien solche Ideologien im Vorteil, die wegen ihrer Geschlossenheit und Radikalität den höchsten Mobilisierungsgrad zu verzeichnen hätten. Aus diesem ideengeschichtlichen Blickwinkel war die Weimarer Republik ihren kommunistischen und nationalsozialistischen Widersachern hoffnungslos unterlegen. Folgte sie doch dem glanzlosen politischen Grundsatz des Kompromisses, während Kommunisten wie Nationalsozialisten mit glühender Gläubigkeit für ihre politischen Ideale beseelt waren. Der Tendenz nach ist für Nolte historische Entwicklung ein rein geistiges Ringen, bei dem mächtige, mit Absolutheitsanspruch vorgetragene Ideen das eigentliche Movens darstellen. Er interessiert sich folglich nicht wirklich für die kulturellen und sozialen Umstände, unter denen gerade radikale Ideen Besitz von den Köpfen der Menschen ergreifen - und daher bleiben seine Ausführungen einer wolkigen Ideengeschichte ohne Rückbindung an die realen Lebenswelten verhaftet. Nolte verschenkt damit die Chance, die zweifellos vorhandenen Aktiva eines ideengeschichtlichen Zugriffs für die derzeit florierende Kulturgeschichte nutzbar zu machen. Aber er dürfte diesem Vorhaben auch deswegen kein wirkliches Interesse entgegenbringen, weil er ausweislich der von ihm rezipierten Literatur die relevante Forschung der letzten zwanzig Jahre nur sehr selektiv wahrgenommen hat und hauptsächlich auf einige unter seiner Betreuung entstandene Dissertationen verweist. Dieses Versäumnis nimmt er in Kauf, weil ihm unter dem bestirnten Himmel welthistorischer Ideen empirisch gesättigte Studien etwa zur Zusammensetzung der NSDAP-Wählerschaft oder zur Versäulung der Weimarer Gesellschaft wie unbedeutende Sandkörner erscheinen dürften.

Die dritte Schieflage seiner Argumentation ist dem Umstand geschuldet, daß für Nolte die bolschewistische Oktoberrevolution "das grundlegende Ereignis des 20. Jahrhunderts" darstellt und er folglich mit dem Vergrößerungsglas in der Weimarer Republik nach Ereignissen Ausschau hält, die das Potential einer revolutionären Machtübernahme der deutschen Kommunisten besäßen. Gewiß ist ihm beizupflichten, daß die Gewaltbereitschaft der deutschen Kommunisten nicht verniedlicht werden darf. Allerdings fällt er stellenweise der kommunistischen Selbstdarstellung zum Opfer und überzeichnet die realen Möglichkeiten der KPD, dem Vorbild Lenins nachzueifern. Dies gilt für die kommunistischen Aufstände des Jahres 1919 in Berlin und München und noch mehr für die Bewertung des Ruhraufstands des Jahres 1920. Noltes Argumentation bringt es mit sich, daß er den gegenrevolutionären Einsatz der "Freikorps" stellenweise bagatellisiert und deren Gewalttaten übergeht. Ihren Höhepunkt erreicht diese Disproportionierung bei der Schilderung der spontanen Demonstrationen der republikanischen Kräfte (nicht nur der demokratischen Linken) nach der Ermordung des Reichsaußenministers Walther Rathenau durch Rechtsradikale im Juni 1922. Dieses exzeptionelle Aufscheinen eines wehrhaften Republikanismus gilt ihm als Beleg für eine hegemoniale "linke Massenströmung", welche existentielle Bedrohungsängste nicht nur bei den parteipolitischen Exponenten der Rechten, sondern auch in weiten Kreisen des Bürgertums hervorgerufen habe.

Die Stilisierung des deutschen Kommunismus zu einer kurz vor der Machtübernahme stehenden Gefahr für das Bürgertum bringt es mit sich, daß Nolte gemäß seiner Grundthese den Nationalsozialismus auf dessen antikommunistische Stoßrichtung reduziert und Hitler damit zu einem Anti-Lenin verformt. Fast möchte man glauben, die längst überholte These vom vermeintlich bürgerlichen Charakter des Nationalsozialismus würde unter umgekehrten Vorzeichen von Nolte wiederbelebt, wenn er an zentraler Stelle ausführt, daß sich Hitler zunächst als "europäischer Bürger" und Verteidiger der bürgerlichen Welt vor der kommunistischen Existenzbedrohung empfunden habe. Hier werden die Ergebnisse der jüngeren Forschung souverän ignoriert, die den Nationalsozialismus als besonders radikale Umsetzung der im Ersten Weltkrieg zum Vorschein gekommenen Vorstellung einer klassen- und konfessionsübergreifenden "Volksgemeinschaft" ansehen und ihn eben nicht auf eine in gewisser Weise zwangsläufige Gegenreaktion des Bürgertums auf die kommunistische Herausforderung verengen.

Nolte steht so im Bann seiner universalhistorischen Deutungsmuster, daß er auch den in der Rassenideologie fußenden Antisemitismus Hitlers dessen Antibolschewismus unterordnet, womit Hitlers Judenfeindschaft vom Kernelement seiner Ideologie zur Nebensache gerät. Nolte stellt nämlich eine Verbindung zwischen Antibolschewismus und Judenfeindschaft her, indem er insinuiert, Hitler habe die Juden hauptsächlich deswegen als Feindbild aufgebaut, weil Juden "nach unzweideutigen Aussagen Lenins tatsächlich die stärkste Kraft innerhalb der bolschewistischen Revolution gewesen" seien. Hitlers Judenfeindschaft erhält bei Nolte noch einen antikapitalistischen Beigeschmack, indem er die Juden als Symbol für den weltweiten Kapitalismus erscheinen läßt und Hitler damit als einen frühen antikapitalistischen Globalisierungsgegner. So schreckt Nolte nicht davor zurück, eine bis heute andauernde Aktualität der Weimarer Republik zu postulieren - nämlich als "fortexistierende Möglichkeit" einer erbitterten Auseinandersetzung zwischen zwei antagonistischen Ideologien. Was 1932/33 der "Zangengriff" Lenins und Hitlers gewesen sei, komme heute dem Kampf zwischen Anhängern und Gegnern der Globalisierung gleich. Die Globalisierungsgegner befänden sich "in gewisser Beziehung in der Spur Hitlers". An dieser Aussage läßt sich ermessen, wohin es den Historiker verschlagen kann, wenn er welthistorische Tendenzen aufzuspüren will, anstatt kontextabhängige und empirisch gesättigte Erkenntnisse zu gewinnen.

Ernst Nolte: "Die Weimarer Republik". Demokratie zwischen Lenin und Hitler. Herbig Verlag, München 2006. 429 S., 29,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Kritisch geht Rezensent Wolfram Pyta mit Ernst Noltes Geschichte der Weimarer Republik ins Gericht. Er sieht den umstrittenen Historiker in seinen bekannten universalhistorischen Deutungsmustern befangen. Nolte interpretiere die Geschichte der Weimarer Republik als Beziehungsgeschichte zwischen Kommunismus und Nationalsozialismus, aus deren Würgegriff sich die ungefestigte Demokratie nicht befreien konnte. Die Argumentation Noltes hält Pyta in vieler Hinsicht für fragwürdig. So überzeichnet Nolte seines Erachtens die Bedeutung der Oktoberrevolution stark, während er den Nationalsozialismus im Gegenzug auf seine antikommunistische Stoßrichtung reduziert. Generell wirft Pyta dem Historiker vor, bei seinen Argumentation die lebensweltlichen Realitäten der Zeit zu vernachlässigen sowie die neuere Forschung zum Thema zu ignorieren.

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