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"Mit der väterlichen Leidenschaft für Brüche und Niederlagen gewinnt er mit jedem erfolgreichen Buch an Format", urteilt die Londoner Times über Michael Hofmann. Die lyrischen Auseinandersetzungen mit seinem Vater, dem 1993 verstorbenen Schriftsteller Gert Hofmann, wechseln zwischen Anklage und Elegie. In diesen Zwischenräumen halten sich Michael Hofmanns Familien-, Reise- und Liebesgedichte auf: Zwischen Schärfe und Sanftheit, zwischen Sprachen und Ländern, in den Feineinstellungen der Wahrnehmung.

Produktbeschreibung
"Mit der väterlichen Leidenschaft für Brüche und Niederlagen gewinnt er mit jedem erfolgreichen Buch an Format", urteilt die Londoner Times über Michael Hofmann. Die lyrischen Auseinandersetzungen mit seinem Vater, dem 1993 verstorbenen Schriftsteller Gert Hofmann, wechseln zwischen Anklage und Elegie. In diesen Zwischenräumen halten sich Michael Hofmanns Familien-, Reise- und Liebesgedichte auf: Zwischen Schärfe und Sanftheit, zwischen Sprachen und Ländern, in den Feineinstellungen der Wahrnehmung.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.05.2001

Klinge und Klang
Michael Hofmann legt den Vatermörder ab · Von Harald Hartung

Franz Kafka hat seinen Brief an den Vater weder abgeschickt noch gar dem Adressaten in die Hand gedrückt. Aber er hat dieses private Zeugnis auf der Schreibmaschine geschrieben und handschriftlich korrigiert, als wäre es ein literarischer Text. Natürlich kam Kafka nie auf die Idee, seinen Vater-Brief drucken zu lassen.

Wäre das anders, wenn er heute lebte und sein Vaterproblem in Gedichtform traktierte? Ein Auswahlband des englischen Lyrikers Michael Hofmann provoziert diese Frage. Er trägt den Titel "Feineinstellungen", und das gleichnamige Gedicht evoziert als eine der vielen Vater-Szenen die folgende: "Eine Flüchtlingskindheit war das. Mit vier wurde ich um den / Tisch gejagt, rundherum, von meinem Vater, er fiel / hin und brach sich den Arm, den er wider mich hatte erheben wollen." Man beachte, wie in der ödipalen Revolte das Crimen verkehrt wird. Nicht der Sohn hebt den Arm wider den Vater, sondern umgekehrt. Doch das Malheur, das wie eine Strafe der Tat auf dem Fuß folgt, verschafft dem Opfer keine Beruhigung, sondern schwärt nur weiter in der Erinnerung.

Jeder Dichter hat eine Obsession, eine geheime oder eine offenbare. Die des englischen Dichters Michael Hofmann ist sein Vater, der 1993 gestorbene deutsche Schriftsteller Gert Hofmann. Dieser war ein ausgezeichneter Erzähler, und sein Sohn, 1957 in Freiburg geboren und seit seinem vierten Lebensjahr in England lebend, wurde ein anerkannter, mehrfach mit Preisen ausgezeichneter englischer Lyriker. Literatur lag also in der Familie; und offenbar nicht ohne Erfolg. Dennoch mag die Schreibkonkurrenz mit dem erfolgreichen Vater als Zwang und unbefriedigende Kompensation erscheinen. Das zeitigt Rivalität, nicht unbedingt Rache. Andererseits hat Michael Hofmann als Übersetzer der deutschen Literatur seinen Tribut entrichtet und Brecht, Kafka, Koeppen, Süskind und andere ins Englische gebracht - nicht zuletzt auch seinen Vater.

Vor allem aber zeigt die Entwicklung seiner Lyrik, daß das Vaterproblem nicht von Anfang an sein Dichten bestimmte. Michael Hofmanns erster Gedichtband "Nights in the Iron Hotel" (1984) handelt primär von den Lebens- und Liebesproblemen seiner eigenen Generation. "Wir sind fasziniert von unserer Betäubung, / unserer Unfähigkeit zu funktionieren", heißt es im Titelgedicht, nachzulesen in einer kleinen Auswahl der Zeitschrift "Akzente" (4/1995). Erst mit dem Band "Acrimony" (1986) wird der Vater zum zentralen Thema, und die Schärfe, die der Titel "Acrimony" evoziert, bestimmt auch den Ton des nachfolgenden Bandes "Corona, Corona" (1993). An der Dominanz der Vaterfigur änderte auch der Tod Gert Hofmanns nichts. "Aproximately Nowhere" (1999) umkreist obsessiv wie eh und je, wenn auch im Ton deutlich verändert, die Gestalt des Toten. Der deutsche Auswahlband, der das Frühwerk ostentativ ausspart, wird somit zur Vater-Trilogie, zu einem aus Gedichten kompilierten Brief an den Vater.

Zwar wird Kafka in den Gedichten nicht erwähnt, aber der Sohn läßt ein paar Zeilen Joseph Roths auf des Vaters Tisch "bluten": "Ich habe meinen Vater nie gekannt - Zipper aber besaß einen." Michael nimmt den Prozeß gegen den Vater auf. "Leg's auf den Nachttisch!" sagte Hermann Kafka, wenn der schriftstellernde Sohn ihm eines seiner Bücher überreichen wollte. "Michael, noch etwas zum Lesen für Dich", schreibt Gert Hofmann - freundlich und wohl etwas gedankenlos - dem Sohn in ein Buch, und dieser fühlt sich fortan zum "unbedingten Ungehorsam" angestachelt. Er hat sich entschlossen, die Rollen umzukehren, den Vater auf seinem ureigenen Feld zu schlagen.

Daher die enorme Bedeutung, die Literatur für Michael Hofmann gewinnt; und das schon durch die Wahl der Gattung. Seine erzählende Lyrik ist eine Reaktion auf des Vaters Erzählprosa - eine Reaktion aus dem Doppelgefühl von Superiorität und Schwäche, aus Liebe und Haß. Der Kampfplatz ist die Poesie. Der verlorene Sohn, der dennoch triumphiert, doch seines Triumphes nicht recht froh wird - das ist die Rolle, die Michael Hofmann variiert. Diese Rolle ist nicht denkbar ohne eine Wunde, ohne vorausgegangene Verletzung. Doch muß man die Texte von "Feineinstellungen" bei all ihrer Fülle biographischer Details als ästhetische Gebilde lesen, sonst verfehlt man ihre tiefe Ambivalenz.

Aber die Verletzung - woher kam sie? Aus der Schwäche oder der Übermacht des schreibenden Vaters? Vielleicht schlicht aus dem Gefühl des Kindes, "ausgebootet" worden zu sein, als die Eltern nach Deutschland zurückgingen. Hofmanns Gedichte - und das ist ihre Stärke - geben keine abschließende Antwort, sondern führen ihren Prozeß von Fall zu Fall. Am ausführlichsten in dem langen Gedicht, dessen Titel "Autor, Autor" zwischen Klage und Verhöhnung oszilliert. Das Motto "verba volant, scripta manent" zielt jedoch auf die Unerbittlichkeit der literarischen Darstellung. Schonungslos wird der alt gewordene Vater in seiner Hinfälligkeit ausgestellt, "beim lauten Kauen mit offenem Mund, lustlos, / hemmungslos hemmend, und falls er spricht, spricht er vom Essen?" Doch auch der Sohn schont sich selbst nicht, gerade weil er sich die überlegene Position verschafft hat, um zu "beobachten, wie ich ihn beobachte, übergenau, falschherzig, / die Muskeln unter dem Hemd gespannt - ein offenes Messer!"

So wird der Vatermord ins Schreiben verschoben und metaphorisiert: das offene Messer ist ein Bild für die Muskelspannung, die sich im Schreiben löst. Wie etliche andere Gedichte endet "Autor, Autor" mit Fragen: "Zu welchem Ende könnte das führen, frage ich mich. / Kämpfen; Räsonieren über Literatur und Politik; gemeinsame Besäufnisse? // Ihm einen Gutenachtkuß geben, als wäre mein halbes Leben ungeschehen?"

Der Tod des Vaters entwindet dem potentiellen Parricida vollends das Messer, ohne ihn nachträglich kompromißbereit und sentimental zu machen. Jetzt strömen die Erinnerungen, auch die Mutter wird einbezogen und mit ihr die siebenunddreißig Jahre einer Ehe. Immer noch gibt es Reflexe erfahrener oder vermuteter Kränkungen. Auch Michael Hofmann könnte sich, wie Kafka, als einen "in Wahrheit enterbten Sohn" begreifen. Zwar deutet er eine "cholerisch hingeworfene Notiz" als Enterbung, aber er liest sie (so im englischen Original) als "part of your Krankheitsbild", ja, er entschließt sich zu einem positiven Gefühl, das sich seiner Ambivalenz bewußt bleibt: "Ein Koller, dachte ich, sanftmütig, mitfühlend, kleiner Papa." Der Dichter, inzwischen selbst in den Vierzigern, entdeckt nun, wieviel ihn mit seinem Vater verbindet: "Ich lasse das Radio laufen, häufiger noch als mein Vater." Er findet aber auch die Freiheit, sich neuen Themen zuzuwenden; und in einem Gedicht in memoriam Joseph Brodsky stellt er sich die Frage: "Wie viele Leben stehen einem Mann zu?"

Das ist ein neuer Ton bei Michael Hofmann. Der "Tag der Abrechnung", wie eines der frühen Gedichte heißt, liegt lange zurück. Er schreibt nun Zeilen der Trauer und nimmt ihnen den Anflug von Solipsismus: "Ich trage Trauer um mein Leben - unser Leben; unser Leben?" Auch wieder eine Frage, wie sie dieser Dichter liebt, aber nicht aus Aggression, sondern aus Reife. Das letzte Gedicht dieses faszinierenden Bandes, den Marcel Beyer kongenial, aber auch mit manch schöner Freiheit übersetzt hat, ist "Litanei", ein Gebet um die Gabe der Erinnerung - und Mnemosyne ist bekanntlich die Mutter der Musen.

Michael Hofmann: "Feineinstellungen". Gedichte in zwei Sprachen. Englisch-Deutsch. Aus dem Englischen übertragen von Marcel Beyer. DuMont Buchverlag, Köln 2001. 220 S., geb., 39,80 DM.

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Gedichte hält unser Rezensent für "die Parias unter den Textsorten", gleichwohl sie den schlagenden Vorteil der Kürze besitzen. Über Gedichte zu reden gar, erscheint Jochen Jung geradezu als Luxus. Den er sich allerdings leistet, weil nämlich dieser Band hier ihm ganz ausnehmend gut gefallen hat. Gedichte seien darin, "die uns in Erinnerung rufen, dass die Welt überhaupt und an sich ein Gedicht ist ... etwas Zersplittertes und Ungereimtes, ein gleichzeitiges dies und das". Und wenn der Autor diese Zumutung so schön anmutig sagen kann, mit "fulminanter Wörtervielfalt und Eleganz", und wenn Marcel Bayer dafür auch im Deutschen "geradezu raffinierte Lösungen" findet, dann erscheint der Luxus, darüber zu reden, eigentlich nur billig.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Wenn Hofmann zu seiner besten Form aufläuft, lässt sich schwerlich ein besserer britischer Dichter der Gegenwart finden." (The New Statesman) "Eine hochauflösende Vision moderner Wirklichkeit, übertragen in die Einfarbigkeit des Bewußtseins." (Joseph Brodsky)