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Produktdetails
  • Verlag: Huber, Zürich
  • Seitenzahl: 366
  • Abmessung: 205mm
  • Gewicht: 494g
  • ISBN-13: 9783719312336
  • ISBN-10: 371931233X
  • Artikelnr.: 09466135
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.05.2001

Tage der Entscheidung
Der Nahost-Konflikt zwischen weltgeschichtlichen Erschütterungen und Anekdoten

Peter Forster: Fällt Jerusalem? Israel und Araber: Tage der Entscheidung. Verlag Huber, Frauenfeld, Stuttgart, Wien, 366 Seiten, mit zahlreichen Bildern und Karten, 52,80 Mark.

In seinem journalistischen Klassiker "Zehn Tage, die die Welt erschütterten"beschrieb der Amerikaner John Reed seinerzeit die Machtergreifung der Bolschewiki in Petrograd (St. Petersburg) in einem Stil, der etwas besonders Authentisches, aber auch Anekdotisches hatte. Der Schweizer Journalist Peter Forster folgt ihm darin ein wenig in seinem Band "Fällt Jerusalem? Israel und die Araber: Tage der Entscheidung". Unter diesem Motto betrachtet er die letzten fünfzig Jahre der krisenhaften Entwicklung im Nahen Osten, die zuletzt auf dem Wege der Besserung schien, seit dem vergangenen Herbst jedoch wieder eine militante Zuspitzung erfahren hat.

Das Buch beginnt mit der durch Sprengstoff hervorgerufenen "Erschütterung" des Jerusalemer King-David-Hotels im Jahre 1946, bei der durch die jüdische Terrororganisation Irgun 91 Menschen ihr Leben verloren und 46 verletzt wurden, und endet mit der neuen, der Al-Aqsa-Intifada, die gegenwärtig die Schlagzeilen beherrscht. Dazwischen liegen historische Ereignisse, die wahrhaftig die "Welt erschütterten": die Proklamation Israels durch David Ben Gurion am 14. Mai 1948 und der danach ausbrechende erste israelisch-arabische Krieg mit seinen Flüchtlingswellen, die Ermordung des jordanischen Königs Abdullah, der Suez-Krieg von 1956, der Sechstagekrieg 1967 - ein Triumph der israelischen Waffen, der freilich mehr und mehr zu einem politischen und moralischen Desaster wurde -, die Tage des "Schwarzen September", als König Hussein von Jordanien die Palästinenser unter ihrem Führer Jassir Arafat aus seinem Reich in den Libanon vertrieb. Breiten Raum nimmt die - nun wirklich welthistorisch zu nennende - Reise des ägyptischen Präsidenten nach Jerusalem im Jahre 1977 ein, die nach dem Jom-Kippur-Krieg von 1973 zum ersten Mal in einem Frieden gipfelte: dem von Camp David. Diese Tage der Entscheidung werden sensibel nachgezeichnet. Der Leser spürt an dieser Stelle, an der inneren Mitte des Buches, daß der Autor seinerzeit über diesen Krieg selbst kontinuierlich berichtet hat. Er war damals Sonderkorrespondent der "Neuen Zürcher Zeitung" für Israel, Griechenland, Zypern und die Türkei.

Die komprimierte Schilderung entscheidender Ereignisse und ihrer Protagonisten erlaubt es dem Autor immer wieder, Zitate und anekdotische Begebenheiten in den Gang der Handlung einzuflechten, die für die Handelnden - ob Ben Gurion, Nasser, Sadat, Golda Meir, Rabin oder Begin - besonders charakteristisch sein mögen. Dies macht die Lektüre um so fesselnder. Dabei erfährt der mit der Region des Nahen Ostens nicht so vertraute Leser manches Menschliche, von dem er vielleicht glaubte, es sei diesen Politikern gänzlich fremd gewesen.

Über den Ausbruch der ersten Intifada im Dezember 1987 - Arafat lebte damals nach seiner Vertreibung aus Beirut durch Ariel Scharon in Tunis - spannt Forster dann den Bogen über die neunziger Jahre, die zunächst so große Hoffnungen zu wecken schienen. Sie brachten die Madrider Friedenskonferenz, die Geheimgespräche in Norwegen, die zur Prinzipienerklärung von Oslo und zu dem begrenzten Autonomiestatut der Palästinenser führten (Gaza und Jericho, dann Oslo II) , bis zu den zögerlichen Manövern Netanjahus und den oft überstürzten Handlungen Ehud Baraks. Ein weiterer "erschütternder" Wendepunkt war schon erreicht, als Rabin 1995 erschossen wurde.

Forster hat seine persönlichen Erfahrungen (mit den israelischen Verhältnissen scheint er vertrauter zu sein als mit den arabischen) verquickt mit den Ergebnissen der wichtigsten Werke, die in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts dazu geschrieben wurden, vor allem auch den Autobiographien der Beteiligten. So entsteht ein Ablauf brisanter Ereignisse, der immer wieder durch die Auflistung der wichtigsten Daten ein Gerüst erhält. Die weit in das 19. Jahrhundert reichende Vorgeschichte des Konfliktes wird nicht dargestellt; das will der Autor auch gar nicht. Sein Buch ist keine systematische Darstellung der Nahost-Krisen. Das reich bebilderte Buch, das als Anhang auch etliche Karten und 24 Kurzbiographien der wichtigsten Handlungsträger enthält, führt gerade zum jetzigen Zeitpunkt spannend in das Thema ein. Einen Königsweg aus der Krise kennt Forster nicht. Aber wer kennt den schon?

WOLFGANG GÜNTER LERCH

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Der Rezensent Arnold Hottinger kann sich einer gewissen Ironie nicht enthalten. Als Kriegsgeschichte aus israelischer Sicht sei das Buch von Peter Forster ein gar vortrefflicher Wurf. Klar, spannend, flüssig lesbar, übersichtlich und mit militärischem Sachverstand geschrieben, kann sich der Leser schnell über den Nahen Osten informieren. Die Sache hat nur einen Haken, meint Hottinger. Die Darstellung ist selektiv und deutlich von einem "Israelozentrismus" geprägt. Und so ergibt sich, ähnlich der eurozentrischen Kolonialgeschichtsschreibung, nach der Lektüre von Forsters Buch ein ganz bestimmtes Bild über den Nahost-Konflikt, das eine Sichtweise der Palästinenser nicht mit einbezieht und schlicht verschweige, dass der "Kunststaat" Israel auf palästinensischem Boden gegründet wurde.

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