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Produktdetails
  • Verlag: Benteli
  • Seitenzahl: 350
  • Deutsch, Englisch
  • Abmessung: 295mm
  • Gewicht: 2138g
  • ISBN-13: 9783716514023
  • ISBN-10: 3716514020
  • Artikelnr.: 14483278
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.04.2006

Die Suggestion des Sachlichen - der Expressionist Ernst Ludwig Kirchner als Fotograf
Ernst Ludwig Kirchner hat sein bildnerisches Werk sehr früh schon mit dem Medium der Fotografie begleitet. Als der Dresdner Kunstsalon Richter im Jahr 1909 eine Ausstellung mit Gemälden der Brücke-Maler zeigte, kaufte sich Kirchner eine Zeiss-Ikon-Plattenkamera des Formats 12 x 16,5 Zentimeter, um das Ereignis zu dokumentieren. Mit diesem schweren, umständlich zu handhabenden Koloss, der mit seinen beiden festen Gehäuseteilen und dem dazwischenliegenden Stoffschlauch ohne stabiles Stativ nicht zu gebrauchen war, hat Kirchner bis kurz vor seinem Freitod 1938 in Davos Aufnahmen gemacht.
Neben dem bekannten malerischen, grafischen und bildhauerischen Werk Kirchners ist so ein umfangreiches fotografisches Werk entstanden, dem der Künstler freilich nie den Rang autonomer Kunst zugestanden hat. Die Fotografie sollte nicht die vierte Dimension im bildnerischen Schöpfungsprozess sein, sie spielte bei der Motivauswahl nur eine untergeordnete Rolle, war also - anders als bei so vielen Malerkollegen - kaum je als Bildvorlage im Einsatz. Ihr wurden eher dokumentarische Rollen zugedacht. Doch eben in dieser Funktion als Erinnerungsstück, als bildliches Relikt bestimmter Momente, kam ihr eine bedeutende Rolle zu - nicht nur im Leben des Malers, sondern vor allem auch in der Vorstellung, die sich die Nachwelt vom Künstler K. gemacht hat. Die Fotografien bringen uns den Menschen Kirchner mit seinen ganz privaten Vorlieben und Obsessionen nahe. Und doch glaubt man in den eindringlichen Selbstbildnissen und in den wahrhaftigen Porträts der Bergbauern und ihrer Kinder auch noch den Ausdruckskünstler zu entdecken.
Waren es in den wilden Dresdner und Berliner Jahren vor allem die vor der Außenwelt hermetisch abgeschirmten Ereignisse im eigenen Atelier, die Künstlerfeste mit ihren exotischen Installationen und die „nackten Nächte” gewesen, bei denen die Kamera zum Einsatz kam, so galt in den Schweizer Jahren das Interesse mehr und mehr der umgebenden Landschaft und den Menschen, die sie beleben. Kirchners Porträts seiner selbst, seiner Freunde und Nachbarn gehören in ihrer ungekünstelten Direktheit und ihrer sachlichen Psychologie zu den überzeugendsten Fotobildnissen des 20. Jahrhunderts. Das Kirchner-Museum in Davos hat den lange erhofften Bildband über Kirchners Fotografien nun endlich herausgebracht (Ernst Ludwig Kirchner. Das fotografische Werk. Hrsg.: Roland Scotti. Benteli Verlag Bern 2005, 317 Seiten, 65 Euro). Wir zeigen daraus (links) das bekannte Selbstporträt aus dem Jahr 1919, von dem Kirchner in Davos einen Abzug aufgehängt hatte, und (rechts) das sprechende Porträt einer jungen Frau von 1924. Die vier Fotos einer nackten Tänzerin im Wald (1929) seien als Beispiele für das Genre „Akt im Freien” abgebildet, dem Kirchner seit den Sommertagen von Moritzburg auch als Fotograf immer wieder hingebungsvoll gehuldigt hat.
GOTTFRIED KNAPP
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Kirchners Fotografie, so eine Erkenntnis Gottfried Knapps nach der Sichtung dieses "lange erhofften" Bildbandes, ist nicht so sehr werkrelevant, dafür aber von hohem dokumentarischen Wert. Vor allem dem Menschen Kirchner "mit seinen ganz privaten Vorlieben und Obsessionen" ist der Rezensent hier begegnet, wenn er in den "eindringlichen Selbstbildnissen und den "wahrhaftigen Porträts der Bergbauern" auch mitunter den Expressionisten zu sehen meint. Kirchners Selbstporträts und die seiner Freunde und Nachbarn, findet Knapp, gehören in ihrer Direktheit und sachlichen Psychologie gar "zu den überzeugendsten Fotobildnissen des 20. Jahrhunderts".

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