Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 20,00 €
  • Buch

Produktdetails
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Da Heimito von Doderer vom niederösterreichischen Prein und seiner eindrucksvollen Gebirgslandschaft nachhaltig geprägt war, schafft dieser Band, der neben Fotografien von Michael Girardi und historischen Aufnahmen zurückhaltende Kommentare von Claudia Girardi bietet, eine gute Grundlage zum besseren Verständnis auch des literarischen Werks des österreichischen Schriftstellers, meint Henner Löffler. Für ihn stellen die neuen und historischen Fotografien fraglos das wichtigste an diesem Band dar und es beeindruckt ihn, dass auch die alten Aufnahmen keineswegs pathetisch wirken und dokumentieren, wie wenig sich in der Gegend verändert hat. Für Heimito von Doderer eine wichtige Zuflucht, ist es auch für den heutigen Betrachter fast unmöglich, keine "Sehnsucht" beim Betrachten der Bilder zu entwickeln, so Löffler eingenommen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.03.2007

Alpine Quellgründe
Sonnig, halbbäuerlich, gepflegt: Eine Spurensuche auf dem Riegelhof Heimito von Doderers
Kaum ein literarisches Werk ist so eng mit einer Stadt verbunden wie das des österreichischen Schriftstellers Heimito von Doderer. Ist es doch besonders seine bis ins Detail erfasste Heimatstadt Wien, die den atmosphärisch dichten Hintergrund bildet für seine kunstvoll komponierten Gesellschaftsromane. Doch war Doderer nicht nur ein genialer Großstadtschriftsteller. Um die „Wissenschaft vom Leben” zu betreiben, als die er das Schreiben von Romanen verstand, schärfte der Autor seine „Apperception” immer wieder auch an der alpinen Landschaft südlich von Wien. Den Hügeln und Auen zwischen der felsigen Raxalpe und dem waldreichen Semmering, dem Hausberg der Wiener. Besonders das Personal seines Romans „Die Strudlhofstiege” findet sich dort regelmäßig in der Villa der Familie Stangeler ein, um seine zwischenmenschlichen Verstrickungen mal zu entwirren, mal zu intensivieren. Und das hat einen ganz realen Hintergrund. Denn so wie sich hinter dem Sohn des Hauses, René Stangeler, der Romancier selbst verbirgt, ist das Vorbild der Villa der Riegelhof der Doderers, erbaut im Jahr 1903 als sommerliches Refugium in dem kleinen Ort Prein an der Rax, heute bewohnt vom Neffen Doderers. Die Literaturwissenschaftlerin Claudia Girardi und ihr Mann Michael Girardi sind den Spuren des Schriftstellers und seiner Protagonisten gefolgt und haben in dem schönen Band „Heimito von Doderers Preinblicke” (Österreichische Verlagsgesellschaft, 132 Seiten, 24,30 Euro, 128 Abbildungen) den Riegelhof und die Orte in und um Prein besucht, die in so vielen seiner Romane und Tagebücher verewigt sind. In neuen Farbfotografien Michael Girardis sind sie bislang unveröffentlichten Archivaufnahmen und den entsprechenden Textstellen in Doderers Werk gegenübergestellt. „Da draußen, in jener sonnigen, halbbäuerlichen und zugleich gepflegten Welt kleiner Sommerfrischen, in einem tief rückwärts vor dem Talschlusse gelegenen Gebirgsdorf, drei Stunden zu Fuß von der nächsten Eisenbahnstation, dort wurzelten ihre Anfangserlebnisse (...) ”, heißt es in der „Strudlhofstiege” über den Beginn der Liebe zwischen Etelka Stangeler und Stephan Grauermann. Und auch für ihren Schöpfer nahm so manches seinen Anfang an Orten „da draußen”, die sein Alter Ego René Stangeler als „noch von Teilen kindheitlicher Welthöhle umschlossen” empfand. Claudia Girardi vermutet gar den „ersten bewussten Schreibakt” des neunzehnjährigen Doderer hinter einer Erinnerung, die er 1959 seinem Tagebuch anvertraute: „Im Graben bei Olesza 1916. Es war das Schlimmste nicht: schon war Juni 1916 geschehen im Herrenzimmer am Riegelhof, das ich damals nach der Natur beschrieb.” So bietet der liebevoll gestaltete Band beides: Einblicke in die alpinen „Quellgründe” Doderers und in die komplexe Persönlichkeit eines großen Schriftstellers. FRANK THINIUS
Der Dichter und seine Schwester, 1939 Foto: Österreichische Verlagsgesellschaft
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.12.2006

Sonne, an Felszähne gelehnt
Preinblicke: Der frühe Sehnsuchtsort Heimito von Doderers

Heimito von Doderer hat seit dem sechsten Lebensjahr zwischen der Großstadt Wien und niederösterreichischem Gebirgs- und Wiesenidyll geschwankt, aus dieser Polarität zwischen "Gassen und Landschaften" aber auch Kreativität gezogen, seine Schaffenskraft geradezu daran aufgeladen. Er war nicht nur ein intensiver Beschreiber von Wiens Straßen und Gebäuden, seinen auratischen Orten; sondern mehr noch ein großartiger Landschaftsschilderer, der uns Farben, Gerüche, Gewässer, Bäume, Pflanzen und Tiere, vor allem die seiner Erinnerungslandschaft, eindringlich aufgeschrieben und diese, von frühen Romanen und Erzählungen an bis zum Spätwerk, immer wieder auch in andere örtliche und zeitliche Kontexte versetzt hat.

Sogar in Wien hat er auf Hinterhöfen Natur gesucht und gefunden. Die immer wieder auftauchende "mächtige blaue" oder "tiefblau gassenlang gezogene Himmelsfahne" wird ja zu einer Fahne erst durch das Ausschnittartige im Hochblicken zwischen den Häusern, durch Sehnsucht nach freier Natur, nach Freiheit. Und doch war Doderer stets auch der Großstädter, der die vielfältigen Angebote seiner Geburtsstadt, seien es Beisln und Kaffeehäuser oder soziale Kontakte, als Anregung brauchte. Seine großen Romane "Die Strudlhofstiege", "Die Dämonen" und "Die Wasserfälle von Slunj", sind auch Romane der Großstadt, aber keineswegs nur. Beginnend und endend in Wien, sind sie doch immer voller Sehnsucht, befangen in der Bewegung nach draußen, ins Gebirge, in die Natur. Vor allem die "Strudlhofstiege" hat viele ihrer packendsten Momente außerhalb der Straßen und Häuserfluchten. Nicht nur im Liechtenthaler Gärtchen, in dem am Ende des Romans "reifes Gold wie Weinglanz im Oktoberhimmel" steht, sondern auch in einer der schönsten und abgeschiedensten Ecken des südlichen Niederösterreichs, in Prein.

Ebendort verbrachte der Dichter die Sommermonate seiner frühen Jugend, dorthin kehrte er bis kurz vor seinem Tode immer wieder zurück, dort schrieb er auch. Und hier empfing er, der wie Marcel Proust und Nabokov aus reicher, großbürgerlicher Familien stammte, in der es selbstverständlich war, im Sommer die Stadt zu verlassen, Eindrücke von Natur, die ihn sein Leben lang nicht mehr losließen und die er wie besessen schreibend immer wieder für sich hervorholte und verarbeitete: "Erinnerungsflora", die zur Heimat wurde. Dazu Felsen, Gipfel, Wiesen, Wege, Pfade, immer wieder Moos und Feuchtigkeit, Schlangen, Krebse und Molche, Seen, Weiher und Bäche, Farben und Licht, Sonne, die sich "an Felszähne lehnt" und "Fensterscheiben in Weißglut strahlen läßt". Wenige Dichter haben die aufgegebene Lyrik so perfekt und poetisch in Prosa verwandelt wie Heimito von Doderer.

Zum vierzigsten Todestag des österreichischen Großepikers am 23. Dezember ist jetzt ein Buch erschienen, welches den Ort umfassend aufleben läßt, dem Doderers Sehnsucht immer gegolten hat. Es war weniger Sehnsucht nach Natur als solcher als nach jener, in der er Kindheit und Jugend erlebt hatte. Der Sommer ist in all seinen Büchern die wichtigste Jahreszeit, aber das heißt nicht, daß diese Sommer nur glücklich waren, denn Doderers Vater war ein Tyrann und in den Ferien allgegenwärtig. Aber hier fand schon das Kind die Freiheit, die auch eine der Einsamkeit und des Schweigens, der Flucht war. Flucht in den Wald, in die Natur.

Prein an der Rax, vor der steilen Raxalpe, bewohnte ihn ein Leben lang, der doch in Wien seine Wohnung genommen hatte. Dieser Ort und mit ihm, über dem kleinen Dorf mehr thronend als liegend, das mächtige Haus, der "Riegelhof", welches sein Vater 1903 hat errichten lassen, leuchtet in den "Preinblicken" auf. Der Band vereint zwanglos Doderer-Texte, Prosa wie Tagebücher, mit alten und neuen Fotografien. Bemerkenswert ist für den Leser wie den Besucher Preins, wie wenig sich in 103 Jahren an Haus, Umgebung und Dorf geändert hat; an Wald und Wiesen ohnehin. Die Aura der Jugend des Dichters ist sogar für den, der seine Texte nur teilweise kennt, zu greifen und damit das, was diesen geprägt hat. Es ist dies nicht biographisch wichtig, sondern läßt das Werk klarer werden. Es schafft den "vertrauten Boden" für den Leser.

Zu den schönen Fotografien von Michael Girardi kommen behutsame Kommentare Claudia Girardis, die den Widerspruch zwischen Sehnsucht hier, traumatischen Erinnerungen dort, verständlich machen. Aber im Mittelpunkt stehen die Fotografien, geradezu magisch anziehend, ob in vergilbter Sepia oder in frischen Farben. Die Pathetik, welche alte Aufnahmen ausströmen können, wirkt hier nur als vertrauter Blick, dieser wird in Farbe bestätigt. Es scheint kaum möglich, diesen schmalen Band ohne Sehnsucht durchzuschauen.

HENNER LÖFFLER

Claudia und Michael Girardi: "Heimito von Doderers Preinblicke. Eine Lesereise mit alten und neuen Ansichten". Österreichische Verlagsanstalt, Wien 2006. 129 S., br., zahlreiche Abbildungen, 24,30 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr