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Die schöne Maja Abramowna aus dem ukrainischen Städtchen Ostjor hat Krieg und Holocaust überlebt und »mehr gesehen, als gut tut«. Mit ihrer Mutter zieht sie nach Kiew, arbeitet in einer Sparkasse und macht im Abendstudium eine Ausbildung zur Mathematiklehrerin. Als sie sich verliebt, lernt sie schockartig, dass sie ihre jüdische Identität nicht ablegen kann - und zu äußerster Vorsicht gezwungen ist. Sie verbietet ihrem Sohn, Großmutters Sprache, Jiddisch, zu sprechen. Stalins Sowjetunion hat zwar den Faschismus besiegt; doch sicher fühlen können sie sich hier nicht.Weiterleben um den Preis des…mehr

Produktbeschreibung
Die schöne Maja Abramowna aus dem ukrainischen Städtchen Ostjor hat Krieg und Holocaust überlebt und »mehr gesehen, als gut tut«. Mit ihrer Mutter zieht sie nach Kiew, arbeitet in einer Sparkasse und macht im Abendstudium eine Ausbildung zur Mathematiklehrerin. Als sie sich verliebt, lernt sie schockartig, dass sie ihre jüdische Identität nicht ablegen kann - und zu äußerster Vorsicht gezwungen ist. Sie verbietet ihrem Sohn, Großmutters Sprache, Jiddisch, zu sprechen. Stalins Sowjetunion hat zwar den Faschismus besiegt; doch sicher fühlen können sie sich hier nicht.Weiterleben um den Preis des Schweigens - diese Erfahrung prägt die verstörende Gefühlswelt und die brüchige Sprache, die Margarita Chemlin ihrer Heldin leiht. Banalität und tiefe Wahrheit, groteske Komik und namenloser Schrecken stehen hart nebeneinander. Eine der großen, noch »unerzählten« Geschichten in der europäischen Literatur.
Autorenporträt
Chemlin, MargaritaMargarita Chemlin, 1960 in Tschernigow/heute Ukraine, geboren, studierte am Gorki-Literaturinstitut in Moskau und arbeitete als Theaterkritikerin. Sie debütierte 2008 mit Erzählungen.

Radetzkaja, OlgaOlga Radetzkaja, 1965 in Amberg geboren, hat u.a. Werke von Julius Margolin, Viktor Schklowskij, Polina Barskova und Boris Poplavskij übersetzt. Für ihre Arbeit wurde sie vielfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Brücke Berlin Preis 2020 (zusammen mit Maria Stepanova).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.11.2012

Neue Liebe,
neues Unglück
Margarita Chemlins Roman
„Die Stille um Maja Abramowna“
Die Wahrheit ist es nicht, was der Kindermund Maja Abramowna kundtut. Tochter Ella zählt ihr eines Tages eine Reihe vorgeblich jüdischer Eigenschaften auf, die sie bei Eltern und Verwandten diagnostiziert haben will. Gier ist noch die harmloseste. Die kursierenden Verschwörungstheorien haben angeschlagen, das Mädchen glüht vor Hass. Nur, Ella ist selbst Jüdin.
  In der Schule wird sie später behaupten, adoptiert zu sein, um sich so weit wie möglich von den Eltern und von ihrer Religion zu distanzieren, die damals als „Nationalität“ galt. Es gibt nur wenige Episoden wie diese in „Die Stille um Maja Abramowna“, die den schwelenden Antisemitismus in der Sowjetunion so konkret formulieren. Meist blendet die Icherzählerin Maja das bedrohliche gesellschaftliche Klima so weit wie möglich aus – ein notwendiger Mechanismus, wenn man ein bisschen Glück vom Leben erwartet.   
  Margarita Chemlin lässt ihre Romanheldin, die die Shoa als Kind in der Evakuierung überlebte, im Jahr 2009 auf ihr Leben zurückblicken. Sie erzählt elliptisch, voller Abschweifungen, doch ohne memoirenhafte Schwere. Oft bricht Maja ihre eigenen Überlegungen brüsk ab: „Aber darum geht es nicht“, so enden viele, meist die interessantesten Erzählstränge.
  Anfang der 1950er Jahre zieht es Maja aus dem ukrainischen Städtchen Ostjor nach Kiew, dort trifft sie ihre erste große Liebe. Es sind die letzten Jahre der Ära Stalin, und in den jüdischen Gemeinden wächst die Angst vor drohenden Deportationen. Maja muss erkennen, dass der Mann, den sie liebt und von dem sie schwanger ist, im Ernstfall nicht zu gebrauchen sein wird. Sie opfert ihn der Vernunft und heiratet den jüdischen Kriegsheimkehrer Surkis. Doch Surkis ist schwer traumatisiert. Seine erste Frau und die gemeinsamen Kinder wurden ermordet. Er will einen Neuanfang, mit aller Kraft, und kann ihn doch nicht leben. Bald wählt Maja die Flucht nach vorn: eine neue Liebe, eine zweite Chance – weitere werden folgen.
  Maja ist eine Frau, die aus ihrer Zeit fällt: Dass sie sich erlaubt, mehr als einmal zu lieben, kann ihre Umwelt nicht akzeptieren. Ihr Leben lang bezaubert sie die Männer und enttäuscht sie – so wie sie selbst schnell verzaubert ist und dann enttäuscht wird. Sie schert sich wenig um die Meinung der Leute, die ihr Verhalten bei einem Mann wohl klaglos akzeptieren würden. Doch mit jedem Neuanfang wächst die Verantwortung, muss sie mehr zurücklassen, mehr verbergen, mehr taktieren und in ihren Entscheidungen kälter, ja brutaler werden. Zu spät realisiert sie, wie es leise um sie wird. Irgendwann ist es ganz still. Maja hat Pädagogik studiert, aber nur ein halbes Jahr als Lehrerin gearbeitet. Dennoch geht sie auf zunehmend hilflose Art mit ihrem Fachwissen oder schrägen Ausführungen über die Bindung zwischen Mutter und Kind hausieren. Während sie doziert, haben sich ihr Sohn und ihre Tochter schon unwiederbringlich von ihr entfernt.
  Dass am Ende ihres Lebens niemand mehr da ist, vor dem Maja sich rechtfertigen könnte, erlaubt ihr eine Direktheit, die keine Reife vorgaukelt. Das macht die Lektüre dieses Romans so eindrücklich. Maja ist zweifellos selbstgerecht, doch bleibt in ihrer Rückschau mancher Fehler unkaschiert, manche Schlussfolgerung entwaffnend einfach: „Damals kannten wir das Gesetz noch nicht, dass gerade dann, wenn man das Beste will, das Gleiche herauskommt wie immer.“
  „Die Stille um Maja Abramowna“, der erste Roman der in Moskau lebenden Journalistin Margarita Chemlin, war 2010 für den russischen Booker-Preis nominiert. Zuvor veröffentlichte sie einen Band mit Erzählungen über Holocaust-Überlebende in der UdSSR. Die Erfahrung aus dieser Arbeit ist auch in diesem Roman spürbar: Nicht in der Aufzählung historischer Ereignisse lässt sie die Situation der sowjetischen Juden aufleben, sondern in Majas Kampf mit der Sprache. Die Auslassungen, die Brüche, die Wucht mit der sie manchmal vorprescht, um das Gesagte dann wieder zurückzunehmen – all das vermittelt eine Ahnung dessen, was es heißt, wie Maja weiter zu leben, wenn man „mehr gesehen hat, als guttut“.
CORNELIA FIEDLER
Margarita Chemlin: Die Stille um Maja Abramowna. Roman. Aus dem Russischen von Olga Radetzkaja. Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, Berlin 2012. 300 Seiten, 24,95 Euro.
Am Ende ihres Lebens ist
niemand mehr da, vor dem
Maja sich rechtfertigen könnte
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Das Leid der Erfahrung der sowjetischen Judenverfolgungen in den letzten Jahren der Stalin-Ära schlägt sich laut Cornelia Fiedler in diesem Debütroman von Margarita Chemlin sehr subtil nieder, als Auslassung, Bruch und Zurücknahme in der Erinnerung der Protagonistin an ihre Kindheit in der Shoa. Für Fiedler ist die Eindringlichkeit des Erzählten aber ungleich größer, als bei einfacher Aufzählung der historischen Begebenheiten oder den wenigen konkreten Passagen im Buch. Auch gelingt es der Autorin auf die Art, so Fiedler, ihre Erzählung von memoirenartiger Schwere freizuhalten.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Der ganz besondere Reiz, ja das Einzigartige, an diesem Buch ist die Art und Weise des literarischen Verfahrens, mit dem die Autorin diesen Familienroman gestaltet hat. Maja Abramowa selbst nämlich ist die Ich-Erzählerin, die in einer Art monologischer Beichte von ihrem ununterbrochenen Kampf um materiellen Aufstieg und ein besseres Leben erzählt.« Karla Hielscher dradio.de 20120816